Doha. Der herausragende Lionel Messi führt Argentiniens Team zum 2:1 gegen Australien und ins Viertelfinale gegen die Niederlande.

Das Lied kriecht ins Ohr, wandert in den Kopf und bleibt dort haften.
Ich bin in Argentinien geboren, dem Land von Diego und Lionel … Ich will den dritten Titel gewinnen, ich will Weltmeister werden …
Am Samstagabend, kurz vor Mitternacht, wiederholten und wiederholten die argentinischen Fans ihre selbst gedichteten Strophen. Alle hatten sie sich von ihren Plätzen im Ahmad-bin-Ali-Stadion in Doha erhoben, Handy-Lichter leuchteten. Und das Flutlicht erhellte die Spieler, die, während ihre Landsleute sangen, gemeinsam hüpften.

Man musste von diesem Bild ergriffen sein.
Durch einen 2:1-Erfolg über Australien sprang Argentinien ins Viertelfinale. Am Freitag (20 Uhr/ZDF und MagentaTV) folgt gegen die Niederlande nun ein Duell mit Geschichte: Schon 1974, 1978, 1998, 2006 und 2014 haben sich beide Nationen bei einer Weltmeisterschaft aneinander abgearbeitet.

Unvergessene WM-Duelle

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1978 gewann Argentinien das Finale im eigenen Land nach Verlängerung 3:1. Unvergessen, wie Dennis Bergkamp 1998 kurz vor Schluss einen langen Ball mit dem rechten Fuß aus der Luft pflückte und mit dem linken die Niederlande ins Halbfinale beförderte. 2014 setzte sich Argentinien nach einem quälenden Halbfinale mit wenig Chancen erst im Elfmeterschießen durch. Damals rückte Lionel Messi ganz nah an den WM-Pokal heran, aber dann kam ja im Finale bekanntlich Mario Götze.

Acht Jahre später träumt das Land aus Südamerika wieder vom großen Erfolg, der Messis Karriere vollenden würde. Noch nie, da sind sich die Experten einig, wirkte der sechsmalige Weltfußballer so überzeugend im hellblau-weißen Trikot. Beim Sieg über Australien am Samstag brauchte er ein wenig, um in der Partie anzukommen. Der 35-Jährige spielte sogar zwei Fehlpässe, bis plötzlich seine Magie zum Vorschein kam. Ein Antritt, schon zerbröselte die massive Defensive des Außenseiters. Messi saugte den Ball an, platzierte ihn überlegt in der linken Ecke. Die Führung.

Bislang ging es für Argentinier nur gegen Außenseiter

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Jetzt sind wir wieder bei der Illusion … ich will Weltmeister werden. Und Diego, wir können es im Himmel sehen, mit Don Diego und Tota, die Lionel anfeuern.
Diego meint natürlich Diego Maradona, die im November 2020 verstorbene Legende, die Argentinien 1986 nahezu im Alleingang zum WM-Pokal getrieben hatte. Tota ist eine berühmte Comedy-Figur des Landes.

Ich kann es dir nicht erklären, weil du es nicht verstehen wirst, die Endspiele, die wir verloren haben, die vielen Jahre, die wir geweint haben. Aber das war das Ende, denn im Maracaná im Finale mit den Brasilianern kehrten sie zurück, um zu gewinnen.
Vor einem Jahr, das besingen die argentinischen Fans, besiegte Lionel Messi mit seiner Mannschaft Brasilien im Endspiel der Südamerikameisterschaft im Maracana-Stadion von Rio. Zum ersten Mal durfte er als Kapitän einen großen Pokal für sein Land entgegennehmen. Eine Erlösung, die die Spieler zusammengeschweißt hat. Mit diesem Geist soll es in Katar jetzt gelingen, auch stärkere Gegner wie die Niederlande zu bezwingen. Denn bislang stellten sich nur Außenseiter in Argentiniens Weg.

„Wir haben einen weiteren Schritt gemacht. Jetzt kommt ein noch schwierigerer“, merkte Lionel Messi an. Die Verbindung zu den Fans sei etwas besonderes. „Ich weiß, wie sehr sie es lieben.“ Alle seien sehr dankbar. „Wir fühlen uns wie zu Hause“, sagte Julian Alvarez. „In allen Stadien, in denen wir gespielt haben, waren die Argentinier in der Mehrheit. Man spürt ihre Anfeuerungen, wie sie die ganze Zeit singen.“

Am Schluss noch ein Krimi

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Der Stürmer hatte gegen Australien das zweite Tor erzielt. In der 57. Minute stibitzte der 22-Jährige dem Torhüter Mathew Ryan den Ball und schoss aus der Drehung ins leere Tor. Ein Beweis dafür, dass nicht mehr die gesamte Last des Offensivspiels auf den Schultern von Messi liegt. Trotzdem prägte dieser die meisten Angriffe. „Es ist beeindruckend, nicht nur wegen seines Tores, sondern wegen allem, was er über das ganze Spiel gemacht hat“, meinte Alvarez. „In den letzten Minuten war er auch wichtig. Aber das überrascht uns nicht, wir kennen ja Leo.“

Die angesprochenen letzten Minuten entwickelten sich nämlich zu einem kleinen Krimi. Alles begann in der 77. Minute, eigentlich wäre der Schuss von Craig Goodwin irgendwo weit oben auf der Tribüne gelandet, Enzo Fernandez fälschte ihn jedoch ins eigene Tor ab. Australien witterte plötzlich seine Chance. Aziz Behich kurvte durch die argentinische Defensive (Messi hätte dies nicht schöner machen können) und wurde erst im letzten Moment vom grätschenden Lisandro Martinez aufgehalten (81.). Und als bereits die 97. Spielminute lief, brauchte es Torhüter Emiliano Martínez, der sich in den Ausgleichsversuch des eingewechselten Alou Kuol vom VfB Stuttgart schmiss. Abpfiff, das Zittern hatte ein Ende.

Messi legt seinen Fluch ab

Reibungslos marschierte Argentinien nicht ins Viertelfinale. Das Team von Trainer Lionel Scaloni vergab zu viele Gelegenheiten, die Defensive offenbarte gegen Ende zu viele Lücken. Doch dies sei nun mal eine WM, sagte Lionel Messi. „Da ist jedes Spiel schwierig.“

Der Künstler von Paris Saint-Germain hat, so verrückt das bei all seinen Rekorden klingt, gegen Australien zum ersten Mal ein Tor in der K.o.-Phase einer WM erzielt und damit einen Fluch abgelegt. Er habe vom Anpfiff bis zum Abpfiff an seine drei Söhne Thiago, Mateo und Ciro gedacht, erzählte Messi. „Ich sehe, wie sie sich freuen. Sie verstehen jetzt, was eine Weltmeisterschaft bedeutet, und das bringt mir noch mehr Freude.“ Gemeinsam mit seiner Frau Antonela Roccuzzo verfolgten die drei Kinder das Spiel auf der Tribüne.

Und von noch weiter oben, so singen es die Fans, schaute Diego Maradona zu.