Doha. Kroatiens Nationalmannschaft hat sich bei der WM in Katar den dritten Platz gesichert. Dafür sorgte ein 2:1-Sieg über Marokko.

Es war ein schönes Bild, ein inniges Bild, das Flutlicht strahlte auf den Rasen, da bekam Trainer Zlatko Dalic mitten in dem rot-weißen Gewühl seinen Kapitän Luka Modric zu fassen. Den großen Strategen der Kroaten, der seine letzte Weltmeisterschaft in Katar erlebt hat. Der 56-jährige Dalic gab dem 37-Jährigen einen Kuss auf den Kopf, dann umarmten sich beide, das wirkte vertraut, das wirkte väterlich.

Wenige Minuten später betrat Modric gemeinsam mit seiner Mannschaft das eilig aufgebaute Podest. Gianni Infantino, Präsident des Weltfußballverbandes Fifa, ließ es sich nicht nehmen, den Kroaten die bronzenen Medaillen für den dritten Platz umzuhängen, die sie bekamen, weil sie zuvor Marokko im kleinen Finale im Khalifa-International-Stadion in Doha vor 44.137 Zuschauerinnen und Zuschauern 2:1 (2:1) geschlagen hatten. Josko Gvardiol (7.) und Mislav Orsic (42.) hatten für den neuen WM-Dritten getroffen, Achraf Dari hatte den zwischenzeitlichen Ausgleich geköpft (9.).

Kroatien und Marokko dürfen sich beide als Sieger fühlen

Für die beiden Überraschungsmannschaften endet damit ein bemerkenswertes Turnier, beide dürfen sich als Sieger fühlen. Kroatien hatte schon 2018 als Vizemeister Sensationelles vollbracht, nun hat sich das kleine 4-Millionen-Einwohner-Land auf den dritten Platz gearbeitet. Und dass der Weg von Marokko auf den vierten Rang führen würde, damit hatte kaum jemand vor dem Start gerechnet.

Die arabische Welt und Afrika haben sich in den vergangenen Wochen sich hinter dem Außenseiter versammelt, nie zuvor hatte es eine afrikanische Nation bis in ein WM-Halbfinale geschafft. Und der Erfolg soll nur der Anfang sein für das Land, das durch Armut und Jugendarbeitslosigkeit geschwächt wird. 2024 beim Afrika-Cup möchte Trainer Regragui den Titel holen. „Ich bin ehrgeizig“, sagte er. Schon zuvor wird die kommende Klub-Weltmeisterschaft des Weltfußballverbandes Fifa mit sieben Vereinen vom 1. bis 11. Februar 2023 in Marokko ausgespielt, eine weitere Möglichkeit, den Fußball im eigenen Staat zu stärken.

Turbulente Anfangsphase

Der marokkanische Kader verspricht aufgrund seiner Klasse ohnehin noch weitere Überraschungen, dies zeigte auch der Samstagabend in Doha. Das Spiel begann kurios, fast hätte der marokkanische Torhüter Yassine Bounou, genannt Bono, einer der Hingucker dieser WM, ins eigene Tor getroffen. Sein Passversuch mit dem linken Fuß rutschte ab, der Ball rollte knapp am rechten Pfosten vorbei. Ein Hinweis, dass die Anfangsphase turbulent werden sollte.

Denn nun folgten zwei Freistöße, die zu Treffern führten. Einer in der Ausführung genial, einer glücklich, beide effektiv. In der siebten Minute postierten sich die Kroaten Luka Modric und Lovro Majer knapp 20 Meter vor dem Tor, Modric täuschte an, Majer hob den Ball, anstatt zu schießen, in den Sechzehnmeterraum. Dort köpfte Ivan Perisic in die Mitte auf Josko Gvardiol von RB Leipzig, der im Fliegen verwandelte (7.). Ein kleines kroatisches Freistoß-Gemälde. Die ausgelassene Freude darüber verdeutlichte, dass sich dieses Spiel in keiner Art und Weise wie ein lästiges Duell der beiden Halbfinal-Verlierer anfühlte.

Können wir auch, dachten sich nun aber die Marokkaner. Wenn auch anders. Zwei Minuten später flankte Hakim Ziyech nämlich einen Freistoß vor das Tor, Lovro Majer versuchte es diesmal mit einer Kopfballabwehr, die unfreiwillig im Fünfmeterraum bei Achraf Dari landete. Schon köpfte dieser den Ausgleich.

Orsic-Treffer wie ein Gemälde

Es entwickelte sich ein mitreißendes Spiel, nicht hochklassig, aber wild. Luka Modric prüfte mit seinem Schuss Bono (24.). Youssef En-Nesyri verfehlte mit seiner Stirn das Tor auf der anderen Seite nur knapp (37.). Dann verlor Marokkos Yahia Attiyat Allah den Ball kurz vor dem eigenen Sechzehnmeterraum. Mateo Kovacic passte auf Marko Livaja, der leitete weiter auf Mislav Orsic. Dieser streichelte den Ball über Bono von der linken Seite in die rechte Ecke (42.). Noch so ein Gemälde.

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Zweite Halbzeit, es häuften sich die Krämpfe, die muskulären Probleme, die Auswechslungen. Aber wild wurde es noch einmal. Gvardiol rannte in den marokkanischen Sechzehnmeterraum, Sofyan Amrabat berührte ihn, Gvardiol fiel (74.). Schiedsrichter Abdulrahman Al-Jassim pfiff nicht. Im direkten Gegenzug tauchte plötzlich Youssef En-Nesyri alleine vor Torhüter Dominik Livakovic auf, konnte diesen aber nicht überwinden. Nur wenige Augenblicke später klatschte Achraf Hakimi auf den Rasen, auch hier verzichtete Al-Jassim darauf, auf den Punkt zu zeigen.

Marokkanischer Ärger über den Schiedsrichter

Das zerrte an den Nerven. In der 85. Minute entlud sich die Anspannung in einem kleinen Gerangel am Mittelkreis. Marokkos Selim Amallah sah die Gelbe Karte. Mateo Kovacic verpasste die Entscheidung (87.). So blieb es spannend, sechs Minuten lang pochten die Herzen in der Nachspielzeit. En-Nesyri köpfte knapp über das Tor. Haare raufen. Verzweifelte Blicke. Schlusspfiff.

Achraf Hakimi und Hakim Ziyech belagerten aus Wut über den ausgebliebenen Elfmeterpfiff Schiedsrichter Abdulrahman Al-Jassim, Bono schlichtete. Die Fans huldigten dem Außenseiter sowieso. Und Kroatien? Trainer Zlatko Dalić wird bis zur Europameisterschaft 2024 weiterarbeiten. Luka Modric soll ihm dabei helfen.