München. Die Nationalmannschaft startet mit einer Niederlage in die Europameisterschaft. Bundestrainer Joachim Löw ist mit dem Auftritt aber zufrieden.

Kurz bevor der spanische Schiedsrichter mit dem wunderschönen Namen Carlos del Cerro Grande ein letztes Mal an diesem Dienstagabend in seine Pfeife pfiff, schaute Deutschlands Bundestrainer Joachim Löw noch einmal mit großen Augen in das lautstarke Rund um ihn herum. 0:1 hatte seine Mannschaft gerade ihr EM-Auftaktspiel gegen Frankreich verloren – dabei aber trotz der ersten Auftaktniederlage bei einer Europameisterschaft überhaupt einen ordentlichen Auftritt hingelegt. "Es war ein brutal intensives Spiel", sagte Löw im ZDF. "Wir haben gefightet bis zum Schluss. Ich kann der Mannschaft keinen Vorwurf machen, wir haben alles reingehauen."

Auch ganz unabhängig vom Ergebnis lässt sich nach diesem unterhaltsamen Sommerabend in der Allianz Arena eines ganz sicher bilanzieren: Ein Fußballspiel mit Zuschauern ist um Welten besser als ohne Fans. Nach 464 langen Tagen ohne Anhänger durften am Dienstagabend immerhin 14.000 Anhänger in das Stadion, das zuletzt am 8. März 2020 Zuschauer und Zuschauerinnen betraten. Damals bezwang der FC Bayern den FC Augsburg in einem wenig spektakulären Kick mit 2:0.

Schreckmoment durch einen Umweltaktivisten

Im Hier und Jetzt mussten die Zuschauer aber zunächst einen regelrechten Schreckmoment überstehen. Ein Umweltaktivist von Greenpeace flog mit seinem Paragleiter über dem Stadion und verhedderte sich beim (natürlich nicht genehmigten) Landeanflug an einem Drahtseil. Der Umweltschützer stürzte ab und legte dann eine für ihn äußerst glückliche Bruchlandung hin. Bevor die Uefa-Ordner den Mann abführten, half ihm Deutschlands Antonio Rüdiger besorgt auf die Beine und versicherte sich, dass er sich diese auch nicht gebrochen habe.

Hummels Rettungsversuch landet in Neuers Tor

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Hals- und Beinbruch musste man auch der deutschen Defensive angesichts Frankreichs Drei-Musketier-Angriffs mit Karim Benzema, Antoine Griezmann und Kylian Mbappé wünschen. Und nachdem die DFB-Auswahl zunächst die Anfangsphase gegen den mutmaßlich besten Sturm dieses Planeten schadlos überstanden hatte, kamen die Einschläge vor Neuers Tor nach einer Viertelstunde näher. Nach 20 Minuten war es allerdings kein Mitglied des französischen Trio Infernales, das die scharfe Reingabe von Bayerns Hernandez über die Linie drückte. Sondern Mats Hummels, der beim Rettungsversuch den Ball ins eigene Netz spitzelte. "Kein Vorwurf an Mats beim Eigentor", sagte Bundestrainer Löw. "Das war schwierig für ihn, da zu klären."

Von der Tribüne aus sahen neben den überzähligen Leon Goretzka, Jonas Hofmann und Jamal Musiala auch Gesundheitsminister Jens Spahn (natürlich mit Maske) und Löw-Nachfolger Hansi Flick einen engagierten, aber zu harmlosen Auftritt der Deutschen. Auch ZDF-Experte Per Mertesacker forderte in der Halbzeit mehr Courage: „Wir müssen mutig nach vorne spielen und nicht den Gegner anknabbern.“

Zwei Tore der Franzosen zählen wegen Abseits nicht

Bundestrainer Joachim Löw.
Bundestrainer Joachim Löw. © afp

Appetit auf mehr hatten nach dem Seitenwechsel aber zunächst weiterhin die Franzosen. La France ließ sich zurückfallen – und stach dann immer wieder mit ihren TGV-Schnellzug-Fußballern blitzartig zu. Diese Taktik wurde durch Adrien Rabiot nach 52 Minuten fast perfektioniert, wobei der Profi von Juventus Turin am linken Außenpfosten scheiterte. Als eine knappe Viertelstunde später der Ball nach einem herrlichen Schuss Mbappés dann doch im Tor lag, schien das Unheil besiegelt. Doch weil sich der rechte Zeh des Parisers zuvor im Abseits befand, erkannte Schiedsrichter Grande das Tor zu Recht ab (66.). Auch einen vehement geforderter Elfmeterpfiff (78.) wollte der Spanier dem pfeilschnellen Stürmer nach einem Tackling Hummels nicht gewähren, genauso wenig wie ein weiteres Abseitstor durch Benzema (85.).

Im Zweikampf: Nationalspieler Toni Kroos (rechts) gegen Kylian Mbappé.
Im Zweikampf: Nationalspieler Toni Kroos (rechts) gegen Kylian Mbappé. © Getty

Viel mehr Glück sollte Allemagne im Rest des Spiels aber nicht mehr haben. Zwar setzte Bundestrainer Löw mit den Einwechslungen von Leroy Sané und Timo Werner noch einmal auf zwei eigene ICE-Fußballer, doch am Ausgang des Spiels sollte sich nichts mehr ändern. Am Ende blieb es auch ohne Tor eines französischen Wunderstürmers beim 0:1.

Die aufbauende Nachricht ganz zum Schluss: Noch einmal müssen die Münchener keine 464 Tage auf ein Spiel mit Fans waren. Bereits vier Tage nach der Auftaktniederlage gegen Frankreich hat die DFB-Elf die Chance zur Wiedergutmachung gegen Portugal. „Wir haben viel von dem umgesetzt, was wir wollten. Wir haben ein gutes Spiel gemacht und hatten Chancen. Ein unglückliches Tor hat das Spiel entschieden. Wir haben vieles sehr gut kontrolliert. Ich habe wenige Konter von Frankreich gesehen“, sagte Toni Kroos und Joshua Kimmich meinte: „Ich denke, wir waren nicht die schlechtere Mannschaft. Ein Punkt wäre verdient gewesen. Wir haben das Niveau, um mit den Topteams mitzuhalten.“