München. Mit blutigen und aufgeschürften Händen erkämpft Hannah Meul bei der EM in München die erste Medaille für die deutschen Kletterer. Der Bundestrainer fordert eine Party - Meul macht da wohl nicht mit.

Kletterin Hannah Meul ging auf die Knie, zeigte den 5000 ausrastenden Fans am Münchner Königsplatz ihr Silber-Lächeln und eröffnete kurz darauf ihre EM-Party mit einer Wasserschlacht.

Das Heim-Publikum, das Deutschlands beste Kletterin in München zum zweiten Platz im Bouldern angetrieben hatte, hatte sich die Abkühlung aus der Spritzpistole redlich verdient. Für die 21-Jährige vom Deutschen Alpenverband ist der Kletter-Coup der größte Erfolg ihrer jungen Karriere. Für den DAV endete eine kleine Durststrecke.

Mit Selfies vor dem vollgepackten Königsplatz hielt Meul «den Wahnsinnsmoment» fest. Als «atemberaubend, überwältigend und einfach gigantisch», beschrieb die rheinische Frohnatur ihren Gefühlszustand unmittelbar nach ihrem Erfolg. «Ich bin unendlich dankbar für diese Riesenparty. Es hat mir Flügel gegeben», schwärmte die strahlende Zweitplatzierte.

Meul hält Erwartungen stand

Der heiße Hexenkessel von München setzte am Sonntag alle Kraftreserven der Sportlerin von der DAV-Sektion Rheinland-Köln frei. Ein ums andere Mal zog sich Meul mit letzter Power an ihren Fingerspitzen hoch und pendelte teils kopfüber an der Steilwand. Insgesamt kletterte die Frechenerin zwei der vier Routen bis zum Top, dem höchsten Griff an der 4,5 Meter hohen Wand. Nur Ausnahme-Athletin Janja Garnbret, die am Vortag schon Gold im Lead gewonnen hatte, war wieder einmal besser. Bronze ging an die Französin Oriane Bertone.

Für den DAV ist Meuls Silbermedaille der bislang einzige Erfolg bei der EM, nachdem Alexander Megos als Fünfter und Yannick Flohé als Sechster auch im Lead das Podest verpassten.

Die Erwartungen an Meul waren nach zweimal Silber im Weltcup groß. Und doch reiste die Rheinländerin mit einer Portion Ungewissheit nach München. Eine Corona-Infektion hatte die Deutsche Anfang Juli ausgebremst und an einer optimalen Vorbereitung gehindert. Erst wenige Tage vor EM-Start konnte die Teilzeitstudentin der sozialen Arbeit ihr gutes Gefühl an der Wand zurückgewinnen.

Meul erfüllt sich Traum

Meul liebt ihre Sportart wie kaum eine andere. Mit sieben Jahren hing sie erstmals an einer Kletterwand, mit zehn Jahren bestritt sie ihren ersten Kids-Cup. Kurz darauf stand der Berufswunsch fest. «Mit elf habe ich in einem Englisch-Aufsatz geschrieben, dass ich professionelle Kletterin werden möchte», berichtete die 21-Jährige. Zehn Jahre später ist Meul mehr als das. «Dass ich mir das schon erfüllen kann mit 21, das ist ein Traum», sagte sie.

Für den DAV ist Meuls Silbermedaille der erste Erfolg in München. Juliane Wurm war 2015 die letzte deutsche Kletterin, die Edelmetall bei einer EM gewann. «Das muss gefeiert werden», forderte Bundestrainer Ingo Filzwieser. Ob Meul da mitmacht? «Ich möchte eigentlich nur in mein Bett und früh schlafen», sagte sie erschöpft.