Al Chaur. Katar hat das WM-Eröffnungsspiel gegen Ecuador verloren und wirkte dabei völlig fehl am Platz. Noch trüber war der Auftritt der Fans.

Vermutlich ahnten sie schon, dass die Fragen, die kommen würde, kritisch wären. Deswegen duckten sich die katarischen Spieler weg, schauten zur Seite. Einige hatten Kopfhörer über den Ohren, andere versteckten ihr Gesicht hinter einer zugezogenen Kapuze, ehe sie aus dem Medienraum des Al-Bayt-Stadions verschwanden.

Fans verlassen Stadion schon frühzeitig

Dabei wäre es interessant gewesen zu erfahren, wie die Spieler ihren ersten Auftritt bei einer Fußball-Weltmeisterschaft erlebt hatten. Eine Darbietung, die viele Fragen aufwirft, die Kritiker, die Katar nicht als Fußballnation betrachten, bestätigt haben wird. Das Emirat verlor chancenlos mit 0:2 gegen Ecuador, was bisher nicht als sonderlich furchteinflößende Macht im Weltfußball wahrgenommen wurde. Es wirkte dabei eben wie ein Gastgeber, der zwangsläufig an dem Turnier teilnimmt, ansonsten auf diesem Niveau aber nichts zu suchen hat. Der Weltfußballverband Fifa bietet zu Recht viel Raum für Kritik, allerdings macht er es Nationen wesentlich schwerer als andere Sportverbände, Spieler einzubürgern. Bei der Handball-WM 2015 im eigenen Land kam Katar mit einer Auswahl von größtenteils Eingebürgerter sogar ins Finale. Daraus wird diesmal nichts, das lässt sich jetzt schon sagen.

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Noch trüber war das Bild, das die Fans abgaben. Viele Katarerinnen und Katarer verließen ihre Plätze schon in der Halbzeitpause, nach und nach leerte sich das Stadion. Einzig ein roter Fanblock hinter einem Tor feuerte beständig an, trommelte und sang – was alles jedoch einstudiert wirkte. 200 Milliarden Dollar soll die Veranstaltung kosten, echte Leidenschaft kann man nicht kaufen. Der sportliche Scheinriese fiel gegen Ecuador in sich zusammen, als hätte jemand in den Luftballon voller Illusionen eine Nadel gesteckt.

Katar-Trainer Sanchez hofft auf Unterstützung durch Fans

Tamim bin Hamad Al Thani, das Staatsoberhaupt von Katar, und Gianni Infantino, Präsident des Fußballweltverbandes, mussten daher mitansehen, wie ihr Traumgebilde von „der besten WM aller Zeiten“ kaum zu halten sein wird. Es fällt schwer, Fantasie zu entwickeln, wie das Gastgeberland in den kommenden Spielen gegen den Senegal und die Niederlande bestehen oder Begeisterung entfachen soll. Bei der Eröffnungsfeier leuchtete ein Feuerwerk am Himmel von Al-Chaur, im Norden Katars gelegen. Hollywood-Star Morgan Freeman gestaltete das Spektakel vor dem Anpfiff mit. Bleiben werden die Bilder der leeren Plätze, der flüchtenden Fans.

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Während die Spieler wortlos davonzogen, hatte Nationaltrainer Felix Sanchez keine Möglichkeit, sich den Fragen zu entziehen. „Wir haben uns unterstützt gefühlt und hoffen, dass die Menschen das nächste Mal stolzer auf uns sein werden“, sagte er nach dem Schlusspfiff. Die Atmosphäre sei großartig gewesen: „Ich bin sicher, dass uns die Menschen bis zum Ende des Turniers unterstützen werden“, meinte der 46-Jährige. „Es tut uns leid, dass wir nicht zu dieser großartigen Atmosphäre und der Party beitragen konnten. Aber wir wussten, dass das passieren kann. Das war nicht unser Niveau. Ecuador war uns überall im ganzen Spiel überlegen.“

Katar trifft bei der WM als nächstes auf den Senegal

Dabei war es nicht mal so, dass der Gegner über herausragende Fähigkeiten verfügte. Elf Torschüsse gab es insgesamt, fünf von Katarern, sechs von Ecuadorianern. Enner Valencia machte den Unterschied, der 33-Jährige von Fenerbahce Istanbul schob einen Elfmeter kühl in die rechte Ecke und katapultierte einen Kopfball in die linke Ecke. Im Scheinwerferlicht des Eröffnungsspiels machte der ecuadorianische Kapitän auf sich aufmerksam. „Ja, es ist ein Traum, der wahr geworden ist“, sagte er. „Ich habe seit der Auslosung von diesem Eröffnungsspiel geträumt – und natürlich von einem Sieg. Wir können weit kommen.“

Unbeholfen: Katars Torwart Saad Al Sheeb holt Ecuadors Ennar Valencia von den Beinen. Der Gefoulte verwandelt anschließend den fälligen Elfmeter.
Unbeholfen: Katars Torwart Saad Al Sheeb holt Ecuadors Ennar Valencia von den Beinen. Der Gefoulte verwandelt anschließend den fälligen Elfmeter. © afp

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Als nächstes spielt Ecuador am Freitag (17 Uhr deutscher Zeit) gegen die Niederlande. Katar muss drei Stunden vorher gegen den Afrikameister Senegal bestehen, bei dem Sadio Mané fehlt, der jedoch in der jüngsten Vergangenheit bewiesen hat, dass ihm auch ohne den großen Star einiges zuzutrauen ist. Wie soll Katar da die Wende schaffen?

Katars bisherige Erfolge geben nach diesem WM-Auftritt Rätsel auf

„Wir müssen uns auf die nächste Partie konzentrieren und das Spiel heute vergessen“, sagte Felix Sanchez. „Offensichtlich war es nicht das, was wir uns erhofft haben.“ Die Abwehr ließ sich überrennen, der Offensive fehlte es an Struktur. Torhüter Saad Al Sheeb irrte durch seinen Sechzehnmeterraum. Seit der WM-Vergabe 2010 bastelt Katar daran, eine konkurrenzfähige Mannschaft zu formen. Nationaltrainer Sanchez arbeitet bereits seit 2006 in Doha. Das Land hat 2019 die Asienmeisterschaft gewonnen, im Finale wurde Deutschlands Gruppengegner Japan 3:1 besiegt. Seit Sonntag fragt man sich umso mehr, wie das gelingen konnte.

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Am ehesten deutete noch Akram Afif an, dass er besondere Momente erzeugen könnte. Der 26-Jährige, geboren in Doha, Rekordschütze seines Landes, hat bereits Erfahrung als Profi in Europa gesammelt, verdient sein Geld aber mittlerweile wieder in Katar beim Al-Sadd Sport Club. Gegen Ecuador ließ er sich irgendwann weit zurückfallen, forderte jeden Pass, um dem Spiel seiner Mannschaft etwas mehr Tempo verleihen.

Immerhin hatte das Emirat so zwei gute Gelegenheiten: Almoez Ali köpfte knapp am linken Tor vorbei (45.+5); Mohammed Muntari hob den Ball kurz vor dem Ende über das Tor. Die Fans, die noch nicht verschwunden waren, schrien für einen kurzen Moment auf, weil es so wirkte, als hätte der Schuss den Weg ins Netz gefunden. Doch das war wie so vieles nur eine Illusion.