Tokio. Die letzten Tipps für die rasante Fahrt im Wildwasserkanal holte sich Weltmeisterin Andrea Herzog beim Frühstück mit Olympiasiegerin Funk. Doch die junge Leipzigerin will ohne Druck ihr Ding machen.

Große Töne sind ihr fremd. Canadier-Weltmeisterin Andrea Herzog will ihre olympische Karriere im Kanuslalom auf ihre Art genießen. Sie kennt die Tücken des Wildwasserkanals.

"Manchmal hat es auch mit Glück und Tagesform zu tun, daher muss man sich nicht den Riesenstress machen und sagen: Ich muss jetzt unbedingt eine Medaille bei Olympia holen", sagte Herzog der Deutschen Presse-Agentur und fügte an: "Ich würde mich unheimlich freuen, wenn es so kommt. Aber den Druck will ich mir nicht machen."

Diese Drucksituationen kennt sie nach ihrem Überraschungssieg bei der WM 2019 - da war sie selbst erst 19 Jahre. "Ich habe erstmal etwas gebraucht, um mit der Verantwortung und der Drucksituation klar zu kommen", sagt sie offen und ehrlich. Über die Olympia-Verschiebung um ein Jahr war sie nicht traurig. "Da hatte ich mehr Zeit, um mich mit der Situation anzufreunden." Ernst genommen wurde sie als Junioren-Weltmeisterin auch schon vorher, doch nun spielt sie im Konzert der ganz Großen mit. "Dann habe ich 2019 mit dem WM-Titel allen anderen und vor allem mir selbst bewiesen, was ich kann."

Die Vorläufe am Mittwoch bewältigte sie mit Ruhe und Gelassenheit. Die 21-Jährige paddelte bei ihrer Olympia-Premiere mit zwei soliden Vorläufen ins Halbfinale. "Ich bin sehr glücklich mit meinem zweiten Lauf. Der erste war nicht so, wie ich ihn mir gewünscht habe. Aber das konnte ich jetzt verbessern. Jetzt müssen wir sehen, was morgen passiert", sagte sie nach ihrem ersten Auftritt im Kasai Canoe Slalom Centre, wo sie sich im ersten Durchgang eine Stangenberührung leistete und dann fehlerfrei blieb. Am Ende reichte das zur zweitbesten Zeit hinter der mitfavorisierten Britin Mallory Franklin.

Die vierfache Weltmeisterin Jessica Fox aus Australien leistete sich in beiden Läufen jeweils zwei Berührungen und kam dank ihrer schnellen Zeit als Fünfte weiter. Die Favoritin, die zuvor von Teamkollegin Funk im Kajak bezwungen wurde, gilt es zu schlagen. Doch Herzog hat ihre eigene, defensive Herangehensweise: "Ich möchte nicht so viel Druck haben. Ich bin die Jüngste im Team und zwei Medaillen fürs Team sind jetzt schon super. Ich muss mich jetzt auf mich konzentrieren und sehen, dass ich meine Leistung abrufe."

Zuletzt gelang das super. Die Olympia-Generalprobe beim Weltcup auf ihrer Heimstrecke in Markkleeberg bei Leipzig gewann sie mit einem fast perfekten Lauf. Doch die Konkurrenz in Tokio hat reichlich Erfahrung. Fox gilt als Star der Szene, dazu kommt die Weltranglisten-Zweite Franklin. Herzogs Credo für die Finals: "Nur auf die eigene Leistung schauen, denn nur sie kann ich beeinflussen."

Hannes Aigner, bereits in London 2012 Olympia-Dritter war, kam im Einer-Kajak souverän weiter. Nach einem Fehler im ersten Durchgang legt er im zweiten Vorlauf eine fehlerfreie Fuhre hin und fuhr sogar Bestzeit. Der 32-jährige Augsburger, der 2018 Weltmeister wurde, geht als Mitfavorit ins Finale am Freitag.

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