Frankfurt/Main. Bundestrainer Hansi Flick darf nach dem Krisengipfel bleiben. Die Bierhoff-Nachfolge ist weiterhin ungeklärt.

Das Mienenspiel schien nichts Gutes zu verraten: Mit ernstem Blick brauste Hansi Flick davon, der Bundestrainer hatte sich extra seinen Wagen in die Tiefgarage des Hotels Kempinski fahren lassen, um den wartenden Journalisten aus dem Weg zu gehen. Aber hatte er das zweieinhalbstündige Krisentreffen mit DFB-Präsident Bernd Neuendorf und DFL-Aufsichtsratschef Hans-Joachim Watzke wirklich als Bundestrainer verlassen? Die Anzeichen deuteten nicht darauf hin, weder der ernste Blick noch der einsame Abgang – und schon gar nicht die Tatsache, dass es eine ganze Weile dauerte, bis der Deutsche Fußball-Bund endlich ein Ergebnis des Treffens vermeldete: Flick soll die deutsche Nationalmannschaft auch in die Heim-Europameisterschaft 2024 führen, das enttäuschende Vorrunden-Aus bei der Weltmeisterschaft in Katar hat für ihn keine Konsequenzen.

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Freundliches und konstruktives Gespräch

Es sei ein freundliches und konstruktives Gespräch gewesen, teilte der Verband mit. Und an dessen Ende kamen alle Seiten auf einen Nenner. DFB-Präsident Neuendorf richtete den Blick anschließend gleich nach vorne, auf die für den Verband so wichtige EM im eigenen Land: „Wir haben volles Vertrauen in Hansi Flick, dass er diese Herausforderung gemeinsam mit seinem Team meistern wird“, sagte er.

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Und Flick gab sich in der gemeinsamen Erklärung deutlich zuversichtlicher, als er bei der Abfahrt ausgesehen hatte: „Mein Trainerteam und ich blicken optimistisch auf die Europameisterschaft im eigenen Land“, meinte er.“ Wir als Mannschaft können viel mehr erreichen, als wir in Katar gezeigt haben.“ Aus der verpatzten WM wolle und werde man seine Lehren ziehen. „Ich habe Vertrauen in den heute verabredeten, gemeinsamen Weg mit Bernd Neuendorf und Aki Watzke“, ließ Flick noch wissen. „Wir alle möchten, dass sich bei der Heim-EM 2024 wieder ganz Deutschland hinter der Nationalmannschaft versammelt.“

Nationalmannschafts-Geschäftsführer Oliver Bierhoff (links) und Bundestrainer Hansi Flick.
Nationalmannschafts-Geschäftsführer Oliver Bierhoff (links) und Bundestrainer Hansi Flick. © AFP

Alles ganz harmonisch also? Nun ja. Vor dem Treffen hatte es durchaus Dissonanzen gegeben: Der Abgang von Oliver Bierhoff hatte Flick gar nicht gepasst, der Nationalmannschafts-Geschäftsführer war sein engster Vertrauter im Verband. „Meinem Trainerteam und mir fällt im Moment die Vorstellung schwer, wie die durch Olivers Ausscheiden entstehende Lücke fachlich und menschlich geschlossen werden kann“, hatte Flick über den Internetauftritt des DFB wissen lassen.

Verwunderung in der DFB-Spitze

Das wiederum hatte in der DFB-Spitze für gehörige Verwunderung gesorgt. Flick, so hieß es, habe sich wohl zu einer Aussage hinreißen lassen, bevor er alle Details über den Bierhoff-Abgang gewusst habe.

Die Verbandsoberen wollten trotzdem mit dem Trainer weitermachen, wollten sich anderthalb Jahre vor der EM kein komplettes Vakuum im sportlichen Bereich aufhalsen. Doch ob Flick auch bleiben wollte, war nicht ganz so sicher. Der 57-Jährige gilt als konsequent bis an die Grenze der Sturheit – und nicht selten auch darüber hinaus. Doch man raufte sich zusammen am Mittwochnachmittag in Frankfurt. Und auch in Sachen Bierhoff-Nachfolge gab es neue Auskünfte: Man habe sich „darauf verständigt, zunächst innerhalb des DFB über die künftige Struktur dieses Aufgabenbereichs zu beraten, um anschließend eine Personalentscheidung zu treffen”, erklärte Neuendorf.

Die DFL trennt sich von Geschäftsführerin Donata Hopfen

Er wird auch in den kommenden Tagen viel über die wichtigsten Sport-Personalien im Verband reden müssen: Am Donnerstag tagt er mit den Präsidenten der DFB-Landesverbände, die Sitzung ist auf vier Stunden angesetzt. Auch die Amateure wollen wissen, wie es weitergeht mit der Nationalmannschaft, denn ihr Erfolg ist wichtig für die Arbeit an der Basis – allein schon wegen des Geldes. Mit dem WM-Viertelfinale war kalkuliert worden. Acht Millionen Euro an Fifa-Prämien fehlen nach dem Vorrunden-Aus. Nachmittags konferiert der Aufsichtsrat der DFB GmbH. Am Freitag folgen Sitzungen des DFB-Präsidiums und des Vorstandes.

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Dabei wird es viel um die Bierhoff-Nachfolge gehen – und ein Kandidat hatte sich am Mittwochvormittag in Berlin zu Wort gemeldet: Fredi Bobic, der nach Informationen dieser Redaktion einer der Favoriten ist. Am Mittwochvormittag in einer Medienrunde aber gab sich der 51-Jährige alle Mühe, darüber zu reden, ohne wirklich etwas zu sagen: „Wenn der Name fällt, nimmt man das zur Kenntnis“, meinte er. Aber er sei doch gar nicht auf der Suche nach einer Aufgabe. „Ich habe einen Job, fühle mich sauwohl und merke, wie sich die Dinge bei Hertha in die richtige Richtung drehen“, sagte er. „Ich habe gar keinen Kopf für Themen, die den DFB angehen.“ Aber: „Hypothetisch kannst du dir viel vorstellen, im Fußball kannst du nichts ausschließen.“

Bobic hält sich alle Türen offen

Eine Zusage an den DFB war das nicht – aber auch keine Absage. Bobic hält sich alle Türen offen, und so ist interessanter, was er allgemein zu sagen hatte zum Verband: „Der DFB muss sich einig sein, was sie überhaupt wollen, welches Profil sie brauchen, welche Inhalte begleitet werden sollen“, forderte er. „Das muss erst mal geklärt werden, bevor wir über Personen reden.“ Der Wunsch wurde erfüllt, der zweite dürfte komplexer werden: „Wir haben mit der EM 2024 eine große Aufgabe, mit der wir die Stimmung drehen können“, sagte Bobic. Gut möglich, dass er daran bald in entscheidender Position mitwerkelt.