Japaner baden und surfen wieder vor Nachbarort von Fukushima
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Tokio. Erstmals nach der Atomkatastrophe von Fukushima sind viele Strände der Region wieder geöffnet worden. Nicht alle sehen das unkritisch.
Im Meer nahe der Atomruine von Fukushima ist das Baden seit diesem Wochenende wieder erlaubt. Erstmals seit der Reaktorkatastrophe vor gut acht Jahren gaben die Behörden einen Strand innerhalb der 30-Kilometer-Zone um das zerstörte Kernkraftwerk Fukushima Daiichi frei. Viele Menschen vergnügten sich am Samstag am Kitaizumi-Strand in der Stadt Minamisoma in den Fluten des Pazifiks, nur etwa 25 Kilometer von der Atomruine entfernt. Kinder planschten im Wasser, Surfer warteten auf die nächste Welle.
Die Strahlung stellt den Behörden zufolge keine Gefahr dar. Die Konzentration an Cäsium 134 im Meeressand sei so niedrig, dass sie nicht mal messbar sei, berichtete die lokale Zeitung „Kahoku Shimbun“. An Cäsium 137 seien nur 7 bis 9 Bequerel pro Kilogramm gemessen worden. Im Sand am Strand seien die Werte ähnlich niedrig.
Komplett sorglos sehen diese Entwicklung nicht alle Japaner. Immer wieder stand der Staat in der Kritik, weil er angeblich die Strahlenwerte in der Region kleinredete oder zweifelhafte Berechnungen präsentierte. Bei einem Besuch unserer Redaktion in der Unglücksregion vor dem fünften Jahrestag der Katastrophe im März 2016 konnten an ausgewählten Punkten in Minamisoma Werte gemessen werden, die den deutschen Grenzwert für die normale Bevölkerung um den Faktor 90 übertrifft.
So sieht Fukushima nach dem Tsunami aus
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Fukushima wurde von Beben, Tsunami und Super-Gau getroffen
„Ich bin hier mit dem Blick auf die See aufgewachsen. Zum ersten Mal (...) zurückzukommen, weckt einen Hauch von Nostalgie“, sagte die Japanerin Sayaka Mori der Nachrichtenagentur Kyodo, während sie mit Mann und drei Kindern am Strand spazierte.
Ihr Haus, das nahe am Strand stand, war 2011 von dem Tsunami weggerissen worden. Der Strand war früher sehr beliebt gewesen, rund 80.000 Menschen kamen dort jährlich zum Baden. Auch in den benachbarten Provinzen Miyagi und Iwate wurden Strände der Orte Kesennuma und Kamaishi am Wochenende erstmals seit der Atomkatastrophe wieder geöffnet.
Das Erdbeben der Stärke 9,0 und der Tsunami vom 11. März 2011 hatten weite Teile der japanischen Küste verwüstet und 18.500 Menschen getötet. Im Atomkraftwerk Fukushima Daiichi wurden die Reaktoren 1 bis 3 zerstört, es kam zu Kernschmelzen. Rund 160.000 Anwohner flohen damals vor der radioaktiven Strahlung.
Japanischer Staat erklärt Lebensmittel aus Fukushima für sicher
Inzwischen soll die Lage in der Atomruine nach Angaben des Staates unter Kontrolle sein, Lebensmittel aus Fukushima seien sicher, heiß es. Man erlaubt Bewohnern einstiger Sperrzonen die Rückkehr in ihre Häuser, lockt ausländische Touristen an und wirbt kräftig für die Olympischen Spiele 2020, die die Erholung der Region zur Schau stellen sollen.
In der Katastrophenregion hatten die Behörden erstmals schon gut ein Jahr nach dem Super-Gau den ersten Strand für Badegäste wiederöffnet, damals in der benachbarten Provinz Iwaki, 65 Kilometer südlich der Atomruine. Nach Angaben der Behörden lag die Strahlenkonzentration im Meerwasser schon damals unter einem Becquerel pro Liter. Auch die Strahlung in der Luft stellte nach Ansicht der Behörden keine Gefahr dar. Nach dem Tsunami und dem Atom-Desaster waren zunächst alle Strände in der Präfektur geschlossen worden.
Die Helfer waren von 12. bis 31. März 2011 bei der Evakuierung von Einwohnern in einem 20-Kilometer-Radius um den Unglücksmeiler in Fukushima im Einsatz. Rund um den Unglücks-Reaktor von Tschernobyl hingegen existiert bis heute eine strikte Sperrzone mit einem Umkreis von 30 Kilometern rund um den explodierten Reaktor. Mit Ausnahme von Tagestouristen und einigen Dutzend illegaler, aber geduldeter Rückkehrer gibt es in dieser Zone keine bewohnten Gebiete.