Berlin. In Trier herrscht nach der Amokfahrt in der Fußgängerzone tiefe Betroffenheit. „Solche Bilder vergisst keiner“, schreibt die Polizei.
Wolfram Leibe kämpft mit den Tränen. Da war dieser einsame Turnschuh mitten auf der Straße – ein Bild, das er so schnell nicht vergessen wird. „Das Mädchen dazu ist tot“, berichtet der Trierer Oberbürgermeister am Dienstag tief erschüttert. „Es war einfach nur schrecklich.“
Die rheinland-pfälzische Stadt an der Grenze zu Luxemburg ist nach dem Amoklauf eines Autofahrers – mitten in der Haupteinkaufszone – unter Schock. „Wir sehen solche Bilder im Fernsehen ganz oft und denken, das kann bei uns nicht passieren“, sagt Leibe. Tut es doch. „Jetzt ist es auch in Trier passiert“, stellt er fassungslos fest. Für seine Stadt sei es der „schwärzeste Tag“ seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs.
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Trier: Fünf Menschen sterben bei Amokfahrt
Ein grauer Geländewagen, ein SUV , rast gegen 13.40 Uhr durch eine Fußgängerzone und erfasst zahlreiche Passanten. Fünf sterben, darunter ein erst neun Wochen alter Säugling, mindestens 15 Personen werden verletzt, teils schwer.
Der Täter: Ein 51 Jahre alter Deutscher, in Trier geboren. Er war stark alkoholisiert – 1,4 Promille ergab die Blutuntersuchung – und hatte die letzten Tage im Auto verbracht. Es gibt nach Auskunft der Staatsanwaltschaft keine Anhaltspunkte für einen terroristischen Hintergrund, schon eher für ein psychiatrisches Krankheitsbild, wie die Behörden am Abend andeuten.
Der Fall erinnert stark an eine Amokfahrt in Münster im April 2018. Vor zwei Jahren war ein 48-Jähriger mit einem Kleinbus dort in eine Gruppe von Menschen gefahren.
Amokfahrt in Trier: Täter fährt Zick-Zack
Um 13.47 geht am Dienstag der Notruf bei der Polizei ein. Der Täter fährt zwischen dem Hauptmarkt und der Porta Nigra , ein römisches Tor und Wahrzeichen der Stadt. Schreiend und voller Panik suchen die Passanten Schutz in den Geschäften, ein Kinderwagen fliegt durch die Luft. „Es bot sich ein Bild des Grauens“, erzählt ein Polizeisprecher.
Der Täter fährt Zick-Zack-Linien . Die Absicht ist klar: Er will möglichst viele Menschen an- und überfahren. Nachdem der graue Geländewagen – Zeugen zufolge ein Rangerover – mit dem Kennzeichen „TR“ zum Stehen gekommen ist, kann die Polizei den Fahrer festnehmen – nach ihren Angaben vier Minuten nach den ersten Alarmmeldungen.
Polizei zu Amokfahrt in Trier: Keine Hinweise auf fortlaufende Gefahr
Die Polizei twittert alsbald: „Wir haben aktuell KEINE Hinweise auf eine fortdauernde Gefahr.“ Sie richtet ein Hinweisportal ein, wo Bilder und Videos von der schrecklichen Tat hochgeladen werden können, und bittet die User, sie nicht in sozialen Medien zu posten.️
Die Einsatzkräfte richten auch eine Auffangstelle ein mit Ansprechpartnern für Angehörige oder Menschen, die durch das Geschehen traumatisiert sind, auch für die Rettungskräfte, „denn solche Bilder vergisst keiner“, sagt der herbeigeeilte Landesinnenminister Roger Lewentz (SPD).
Trier: Der Fahrer hinterlässt eine Spur der Verwüstung
300 Einsatzkräfte und 450 Polizisten sind im Einsatz. Die Polizei sperrt den Tatort auf einer Länge von einem Kilometer, um die Spuren zu sichern, und riegelt die Innenstadt ab. Sie zieht Kräfte aus ganz Rheinland-Pfalz zusammen, darunter ein Sondereinsatzkommando aus Wittlich, da sie auch einen Terroranschlag einkalkulieren muss und zunächst nicht sicher ist, ob der Täter allein war.
Die Schulen in der Innenstadt werden umgehend informiert. Alle Kinder müssen in den Gebäuden warten, bis sie von ihren Eltern abgeholt werden. In den Kirchen läuten die Totenglocken . Der katholische Bischof Stephan Ackermann lädt am Abend zu einem ökumenischen Gottesdienst im Trierer Dom ein.
Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) ist „schockiert“ über den Vorfall in ihrer Heimatstadt. Ganz Trier, so Bürgermeister Leibe, sei über die sinnlose Tat „tief erschüttert“.