Berlin. Raumfahrende sind bei Missionen starker Strahlung ausgesetzt. Neue Studienerkenntnisse könnten Reisen zum Mars nun weiter verschieben.

Seit Jahrzehnten stellt die Strahlung im Weltraum menschliche Reisen zum Planeten Mars vor ein schwerwiegendes Problem. Forschende aus Abu Dhabi haben mithilfe einer neuer Simulation gemessen, wie erheblich die Strahlung auf einzelne Organe wirklich ist. Dabei kam heraus: Womöglich hat man die Gefahr bisher unterschätzt.

Schwere gesundheitliche Schäden, mögliche Krebserkrankungen und am Ende vielleicht sogar der Tod – das sind die Folgen, vor denen das Wissenschaftsteam der New York University Abu Dhabi (NYUAD) in den Vereinigten Arabischen Emiraten nach dem Forschungsexperiment warnt.

Das Team hatte virtuelle menschliche Körper mit Sonnenexplosionen und kosmischer Strahlung beschossen, um die Aussetzung bei einer 1000 Tage langen Mission zum Mars zu simulieren. Mit einer speziellen Software zur Teilchenverfolgung für Teilchenbeschleuniger kontrollierten sie anschließend die Strahlung.

Dabei maßen die Forschenden der NYUAD als erstes Team den Strahleneinfluss auf männliche und weibliche Körper. Die virtuellen Modelle verbrachten 600 Tage im Weltraum und 400 Tage auf dem Mars. Eine Reise zu dem Planeten dauert rund neun Monate in eine Richtung.

Mars-Mission: So hoch ist die Strahlung im All

Dass Raumfahrende bei solchen Reisen in den tieferen Weltraum erhöhter Strahlung ausgesetzt sind, ist kein neues Problem und macht die Planung längerer Weltraumreisen seit jeher schwierig. Für den Menschen gefährlich sind dabei sowohl energetische Teilchen der Sonne als auch die galaktische kosmische Strahlung aus dem All.

Auf der Erde schützen uns die dichte Erdatmosphäre und das Magnetfeld unseres Planeten vor den hochenergetischen Teilchen aus dem Weltall. Während die kosmische Strahlung auf der Erde auf Meeresniveau rund 0,3 Millisievert pro Jahr beträgt, kann sie auf einer Raumstation im All je nach Flughöhe um die 240 Millisievert pro Jahr betragen. Sievert ist die Maßeinheit, mit der die Strahlung beziffert wird.

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    Zum Vergleich: Das Strahlenschutzgesetz legt für Menschen, die zum Beispiel in Kernkraftwerken arbeiten und beruflich Strahlen ausgesetzt sind, einen Grenzwert von 20 Millisievert im Jahr fest. Wie hoch ist der Wert bei einer Mars-Mission?

    Mars-Missionen setzen Organe extremer Strahlung aus

    Für dieses Szenario lieferten die Forschenden der NYUAD mit ihrer Studie nun neue Zahlen. Bereits 2013 hatten Forschende der NASA, des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) und zweier weiterer Rechercheinstitute herausgefunden, dass sich die Strahlung bei einer einzigen Mars-Mission inklusive den Reisewegen auf 0,98 Millisievert summiert. Doch die Werte könnten noch höher liegen.

    "Viele Berechnungen gingen von einem sehr vereinfachten Ansatz aus, aber wir haben es umfassender gemacht", erklärte Studienautor Dimitra Atri dem Fachmagazin "New Scientist" seine aktuelle Studie. "Ich wollte genau wissen, wie diese Zahlen lauten, damit ich mir ein Urteil darüber bilden kann, ob solche Missionen sicher sind." Atri und sein Team überprüften, wie hoch die Strahlung für die einzelnen Organe ist.

    Das Ergebnis: Für viele Organe lagen die Strahlungswerte über einem Millisievert. "Es ist also durchaus riskant, und ein Teil der Astronauten wird eine höhere Wahrscheinlichkeit haben, an Krebs oder anderen Krankheiten zu erkranken", schlussfolgert Atri.

    Dennoch sei es auch möglich, dass die Raumfahrenden keine Schäden davontragen, so der Wissenschaftler. Das liege daran, dass unterschiedliche Körper die Strahlung individuell verarbeiteten: "Vielleicht geht es einigen auch gut."

    Strahlung bei Mars-Mission: Auch Aluminium hilft kaum

    Raumfahrtwissenschaftlerinnen und -Ingenieure beschäftigen sich seit Jahren damit, wie man Astronauten und Astronautinnen bei Reisen in den Weltraum vor der gefährlichen Strahlung schützen kann. Unter anderem eine dicke Aluminiumschicht an den Raumschiffen könnten die Besatzung vor den Strahlen abschirmen.

    Doch auch die Simulation, bei denen die virtuellen Modelle in einem Raumschiff mit Aluminiumbeschichtung unterwegs waren, setzte die Testkörper Atri und seinem Team zufolge einer starken Strahlung aus. Allgemein gilt ein Strahlungswert von bis zu einem Sievert für Astronautinnen und Astronauten als akzeptierter Richtwert – verteilt über ihre gesamte berufliche Laufbahn.

    Die Studie der NYUAD wartet aktuell noch auf eine Überprüfung von Fachkolleginnen und -kollegen. Bestätigen sich die Erkenntnisse der Forschenden, könnte das die Suche nach einem Schutzmechanismus für Weltraumfahrende aber maßgeblich verändern. Genauso wie den Zeitpunkt, an dem die ersten längeren Reisen zum Mars starten werden.

    Dieser Artikel erschien zuerst auf morgenpost.de.