Berlin. Mobiles Arbeiten hat sich seit der Corona-Pandemie etabliert. Doch die hohen Energiepreise lassen das Büro wieder attraktiver werden.

Möchte man der Corona-Pandemie etwas Gutes abgewinnen, dann zumindest das: Sie hat die Arbeitswelt umgekrempelt und – weiterhin faxenden Gesundheitsämtern zum Trotz – für einen digitalen Sprung in den deutschen Unternehmen gesucht. War Homeoffice Anfang 2020 noch eine Randerscheinung, mit der etwa Großkonzerne wie der Softwareentwickler SAP die raren IT-Fachkräfte zu sich locken wollten, ist es drei Jahre später allgegenwärtig.

Viele Unternehmen haben Lösungen zur mobilen Arbeit entwickelt, etwa die Hälfte der Zeit im Büro, die andere zu Hause. Andere stellen die Entscheidung ihren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern gleich ganz frei. In Zeiten des Fachkräftemangels wird das kategorische Ausschließen hybrider Arbeitsformen zunehmend zum Wettbewerbsnachteil.

Doch die Energiekrise könnte den Trend zur Arbeit in den eigenen vier Wänden nun ausbremsen. 27 Prozent der Beschäftigten finden die Arbeit im Homeoffice durch die steigenden Energiekosten zunehmend unattraktiv. 24,1 Prozent stimmten der Aussage zu, dass sie aufgrund der teuren Preise künftig weniger im Homeoffice arbeiten wollen.

Das geht aus einer Umfrage des Marktforschungsinstituts Trendence hervor, das wie diese Redaktion zur Funke Mediengruppe gehört. Mehr als 4500 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer befragten die Berliner Marktforscher zu den Herausforderungen, vor denen sie und sich und ihre Arbeitgeber im neuen Jahr sehen.

Gas und Strom: Hohe Preise verpassen Homeoffice-Euphorie einen Dämpfer

Die allgemeine Teuerung wird dabei als größtes Risiko wahrgenommen. Mehr als jeder dritte Befragte hält die Inflation für die größte Herausforderung für das eigene Unternehmen. Gerade erst hatte das Statistische Bundesamt die vorläufigen Inflationsdaten für das vergangene Jahr veröffentlicht. Um 7,9 Prozent zogen die Preise im Jahr 2022 an – einen größeren Anstieg der Verbraucherpreise gab es im wiedervereinigten Deutschland noch nie. Zum Vergleich: Für gewöhnlich strebt die Europäische Zentralbank (EZB), deren wichtigste Aufgabe die Preisstabilität ist, eine jährliche Teuerungsrate von zwei Prozent an.

Größter Treiber der Rekordinflation waren die Energiepreise. Und auch wenn die Preise für Gas und Strom an den Großhandelsplätzen zuletzt gesunken sind – Entspannung ist für Verbraucherinnen und Verbraucher nicht in Sicht.

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Gas und Strom wird günstiger – bei Verbrauchern kommt noch nicht an

So kostet die Megawattstunde Gas an den Spotmärkten derzeit rund 67 Euro. Das ist zwar deutlich weniger als im vergangenen Sommer, wo der Preis die 350 Euro je Megawattstunde knackte. Vor der Energiekrise hätten sich die Preise dagegen im langjährigen Mittel zwischen 10 und 25 Euro je Megawattstunde bewegt, heißt es vom Vergleichsportal Verivox.

Ähnlich sieht es beim Strom aus: Kostete die Megawattstunde im langjährigen Mittel zwischen 35 und 55 Euro, schnellte der Preis im September auf über 500 Euro in die Höhe. Mittlerweile bewegt er sich bei rund 200 Euro für eine Lieferung im kommenden Jahr. „Für Verbraucher bedeutet das: Energie wird auch in absehbarer Zukunft teuer bleiben, die Preisspitzen dürften sich aber normalisieren“, teilte eine Verivox-Sprecherin auf Anfrage mit.

Mehrheit schätzt die Vorzüge im Homeoffice weiterhin

Was heißt das für die Zukunft der mobilen Arbeit? Immerhin: Jeder fünfte Befragte steht dem Homeoffice trotz der hohen Energiepreise neutral gegenüber. Und 42,8 Prozent der Befragten scheinen die Vorzüge weiter zu schätzen. Sie finden, dass auch die hohen Preise die Arbeit im Homeoffice nicht unattraktiver werden lassen.

Kommentar: Homeoffice ist kein Allheilmittel – und birgt auch Gefahren

Zumal sie mit einem bewussten Verhalten dazu beitragen können, die Kosten im Zaum zu halten. Rund jeder Dritte will der Umfrage zufolge im Homeoffice weniger heizen, jeder Vierte weniger Strom verbrauchen. Helfen könnte auch ein Zuschuss des Arbeitgebers.

Doch dabei gehen Vorstellung und Wirklichkeit offenbar auseinander. Mehr als jeder Dritte erwartet vom eigenen Arbeitgeber einen Energiekostenzuschuss, nur jeder Vierte gibt aber an, dass er einen solchen Zuschuss erhalten hat oder dieser zumindest in Aussicht gestellt worden sei. Dabei hat es die Bundesregierung Arbeitgebern bis 2024 ermöglicht, im Zuge der sogenannten Inflationsausgleichsprämie bis zu 3.000 Euro steuerfrei an die Beschäftigten auszuschütten.

Arbeitgeber: Ausreichend beheizte Büroräume stehen zur Verfügung

Bleibt noch eine andere Frage: Können die Arbeitgeber eine größere Rückkehr derer, die sich in den eigenen vier Wänden eingenistet haben, überhaupt stemmen? Immerhin haben einige Unternehmen die vergangenen drei Jahre genutzt, um Büroflächen zu verkleinern, geteilte Schreibtische und Wochenpläne zu Präsenzzeiten im Büro einzuführen.

Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) beruhigt: „Die Unternehmen werden auch weiterhin, die betrieblichen Arbeitsabläufe so gestalten, dass die Arbeit in ausreichend beheizten Büroräumen sichergestellt ist“, teilte die Arbeitgebervereinigung auf Anfrage mit. Die Zahl der ausschließlich von dahin arbeitenden Beschäftigten sei ohnehin sehr gering. Inwieweit eine dauerhafte Rückkehr an den betrieblichen Arbeitsplatz möglich und gewollt sei, ergebe sich allerdings aus den vertraglichen Vereinbarungen.

Markt der Büroimmobilien ist stabil geblieben

Auch beim Zentralen Immobilien Ausschuss (ZIA), der sich als Spitzenverband der Immobilienwirtschaft unter anderem mit Büroimmobilien befasst, gibt man sich gelassen. „Die Kapazitäten für eine Rückkehr zu einem höheren Anteil an Büroarbeit sind da“, sagt ZIA-Hauptgeschäftsführer Oliver Wittke unserer Redaktion. Büro und Homeoffice sei in den allermeisten Fällen keine Frage von „entweder oder“ sondern von „sowohl als auch“: „Büros erfüllen oft eine wichtige soziale Funktion, bieten Raum für echte Zusammen-Arbeit“, meint Wittke. Allerdings habe ein Wandel stattgefunden: Die Zeiten „von Büros des Modells Behördenflure“ seien vorbei, ist Wittke überzeugt.

Tatsächlich ist der Markt für Büroimmobilien trotz der Pandemie weitestgehend stabil geblieben, wie Daten des Gewerbeimmobiliendienstleisters CBRE zeigen. So habe im Jahr 2019 vor der Corona-Pandemie die Leerstandsquote in den Top-5-Büromärkten in Berlin, München, Frankfurt am Main, Hamburg und Düsseldorf bei 3,4 Prozent gelegen. „Ende 2022 lag die Leerstandsquote lediglich etwas höher – bei 4,7 Prozent“, sagte Jan Linsin, Leiter der Immobilienmarktforschung bei CBRE Deutschland, unserer Redaktion.

„Berücksichtigt man, dass in dieser Zeit der um Abriss und Umnutzungen bereinigte Bürobestand in Deutschland durch Neubau eher noch ein wenig angestiegen ist, nutzen die deutschen Unternehmen aktuell also in etwa die gleiche Bürofläche wie vor Ausbruch der Coronapandemie in Deutschland“, führt Linsin aus.

Ende 2022 habe die belegte Bürofläche 99,5 Prozent der Ende 2019 belegten Fläche entsprochen. Einen Wandel bei der Gestaltung der Büros stellt aber auch Linsin fest. Günstige „Budgetlösungen“ seien weniger gefragt. Stattdessen gehe es um „die Kreativität fördernde Arbeitsumfelder“. Die Nachfrage nach modernen und attraktiven Büroflächen sei entsprechend hoch. Für die Beschäftigten sollte es an Arbeitsraum also nicht mangeln.