Wolfsburg. Friseurbetriebe dürfen derzeit zwar öffnen, wurden aber von der sinkenden Kundennachfrage in der Pandemie hart getroffen. Viele Salons hoffen jetzt auf ein starkes Weihnachtsgeschäft. Für einen großen Vertreter der Zunft geht es aber schon um alles.

Ausgerechnet im vorweihnachtlichen Geschäft wird in vielen Friseursalons um Jobs gebangt: Die Firma Klier, das Schwergewicht der Branche, ist in finanzielle Schieflage geraten.

Der Umsatzeinbruch in der Corona-Krise drückte Deutschlands größte Friseurkette in die Insolvenz. Das entsprechende Verfahren über das Vermögen der Klier Hair Group (KHG) mit Sitz in Wolfsburg wurde am Dienstag eröffnet.

Wie viele Stellen gefährdet sind, ist bisher unklar. "Die KHG kämpft um jeden Standort und will so viele Arbeitsplätze wie möglich erhalten", ließ das Unternehmen nach der Gerichtsentscheidung mitteilen. Es lasse sich aber nicht seriös sagen, wie viele Salons im Rahmen des Insolvenzverfahrens schließen müssten. Derzeit betreibt Klier nach eigenen Angaben in Deutschland rund 1350 Salons und Shops mit etwa 8500 Beschäftigten.

Neben den Standorten in Deutschland betreibt die Klier-Gruppe rund 100 Salons und Shops in Österreich, Tschechien, Ungarn und der Slowakei. Auch Marken wie Essanelle oder Super Cut gehören dazu. Vom Insolvenzverfahren sind nach Firmenangaben aber nur die deutschen Standorte betroffen, die Ländergesellschaften bleiben unberührt. Vor kurzem hatte sich der Konzern allerdings entschlossen, sich aus Österreich zurückzuziehen.

Für die Mitarbeiter in Deutschland forderte die Gewerkschaft Verdi einen fairen und vor allem transparenten Umgang. Beschäftige hätten zuletzt von Schließungen vom einen auf den anderen Tag ohne jede Vorwarnung berichtet, sagte eine Verdi-Sprecherin am Dienstag. Nach den jüngsten Gewerkschaftsinformationen handelte es sich dabei um etwa 30 betroffene Filialen. Bei Verdi wird aber davon ausgegangen, dass es bald noch mehr geschlossene Geschäfte gibt.

"Die Gläubiger werden aufgefordert, Insolvenzforderungen bei dem Sachwalter anzumelden", teilte das Amtsgericht mit. Eine Gläubigerversammlung wurde für den 25. Februar 2021 angesetzt. Überraschend kam diese Entwicklung nicht. Zuvor hatten auch Überbrückungshilfen die hohen Einnahmeeinbußen bei Klier besonders während des Shutdowns im Frühjahr nicht ausgleichen können - etliche Friseurbetriebe hatten damals zeitweise komplett schließen müssen.

Klier war infolge des starken Nachfragerückgangs seit dem Beginn der Pandemie finanziell immer mehr in Bedrängnis geraten. Nachdem Anfang September zunächst ein Schutzschirmverfahren beantragt worden war, um das Unternehmen zu sanieren, machte das zuständige Gericht nun knapp drei Monate später den Weg für das Insolvenz-Hauptverfahren frei. Mit der Eröffnung habe das Gericht eine "positive Fortführungsprognose" bestätigt, hieß es aus dem Konzern.

Während des vorgeschalteten Schutzschirmverfahrens war das Restvermögen von Klier zunächst vor äußeren Zugriffen geschützt. Ziel eines solchen Ablaufs ist es, noch nach weiteren Lösungen zu suchen, ohne dass förmlich Insolvenz angemeldet wird. Jetzt hofft das Unternehmen also auf eine "nachhaltige Sanierung". "Jede Standortschließung tut weh", sagte Geschäftsführer Michael Melzer. Kurzfristig müsse man sich aber von dauerhaft unprofitablen Salons und Shops trennen, um die Klier-Gruppe als Ganzes erhalten zu können.

Mögliche Auswirkungen der Insolvenz wollte der Zentralverband des Deutschen Friseurhandwerks am Dienstag nicht bewerten. Klier sei aber das mit Abstand größte Einzelunternehmen in einer sonst eher kleinteilig strukturierten Branche. "Das ist ein Schwergewicht in diesem Marktsegment", sagte Hauptgeschäftsführer Jörg Müller. Die Entwicklung bei Klier kommt für ihn zu einem ungünstigen Zeitpunkt. Denn die von Umsatzverlust gebeutelte Branche setzt ihm zufolge auf ein starkes Weihnachtsgeschäft. Man erhoffe sich, dass viele Kunden sich in der Krise einen Wohlfühlmoment beim Friseur gönnen.

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