Berlin. Im Gastgewerbe ist die Lage weiter angespannt: Viele Betriebe fürchten um ihre Existenz, und die Branche warnt vor einer zweiten Pandemie-Welle. Doch das Verhalten vieler Kneipiers und ihrer Kunden trägt derzeit wenig dazu bei, diese zu verhindern.

Braucht es mehr Kontrollen oder sogar ein Alkoholverbot in Kneipen? Manche Gastronomen und auch ihre Gäste sind es inzwischen leid, sich an die strengen Auflagen in der Corona-Krise zu halten.

Vielerorts stehen die Tische wieder eng beieinander. Masken sieht man seltener und Kunden tragen falsche Namen und Adressen in die Kontaktlisten der Wirte ein - sofern diese überhaupt noch verteilt werden.

Dieses Verhalten hat vor allem in Berlin dazu geführt, dass der dortige Landesverband des Hotel- und Gaststättenverbands Dehoga zu mehr Kontrollen des Ordnungsamts in den Betrieben aufgerufen hat - "mit Augenmaß", wie Geschäftsführer Thomas Lengfelder stets betont, also ohne gleich Bußgelder zu verhängen. Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD) brachte jüngst sogar ein Alkoholverbot für Kneipen ins Gespräch.

In anderen Städten gibt es dem Dehoga-Bundesverband zufolge ähnliche Diskussionen. "Deshalb geht erneut der dringende Appell an alle Unternehmer, Mitarbeiter und Gäste, die Schutzmaßnahmen umzusetzen", sagte Hauptgeschäftsführerin Ingrid Hartges der Deutschen Presse-Agentur. "Eine zweite Welle gilt es mit allen Kräften zu verhindern. Am Ende zählt, dass wir uns an das halten, was die Politik auf Basis der Expertise der Wissenschaft jeweils beschließt." Für die Akzeptanz sei es wichtig, dass die Regelungen "klar, nachvollziehbar und verhältnismäßig sind."

Schließlich ringt die Branche nach wie vor mit den Folgen der ersten Hochphase der Corona-Pandemie. Zwar haben inzwischen rund 93 Prozent der Betriebe wieder geöffnet, wie aus einer aktuellen Branchenumfrage des Verbands hervorgeht. Rund 60 Prozent der befragten Betreiber von Gaststätten und Hotels in Deutschland fürchten demnach dennoch um ihr wirtschaftliches Überleben.

Noch im Juli verzeichnete die Branche Umsatzeinbußen von mehr als 43 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Insgesamt gingen die Erlöse seit Anfang März demnach um mehr als 60 Prozent zurück. "Denn die Krise ist noch längst nicht vorbei", teilte Dehoga-Präsident Guido Zöllick mit. "Die Angst vor dem Winter ist groß." Noch immer fehlten Touristen aus dem Ausland und Geschäftsreisende. Messen, Kongresse und Tagungen sind nach wie vor abgesagt. Sämtliche damit verbundene Hotel- und Gastronomieumsätze fielen aus.

Als besonders dramatisch gilt die Lage für Diskotheken und Clubs, die vielerorts weiter geschlossen haben. Sie verzeichnen der Umfrage zufolge mit die größten Umsatzrückgänge.

Auch Schauspielerin Jessica Schwarz warnte deshalb am Dienstag vor einer zweiten Welle. Die 43-Jährige betreibt zusammen mit ihrer Schwester ein Hotel in Hessen. "Wir müssen abwarten, wie wir durch den Herbst und Winter kommen. Ein weiterer Lockdown wäre auch für alle Angestellten sehr schwierig."

Immerhin: Aufgrund von Kurzarbeit mussten nur wenige Betriebe der Umfrage zufolge bislang Beschäftigte entlassen. 80 Prozent der Befragten gaben an, sie beantragt zu haben. "Mittlerweile konnten 67,0 Prozent der Betriebe einen Teil ihrer Mitarbeiter wieder aus der Kurzarbeit holen", heißt es in der Untersuchung.

Angesichts des warmen Wetters dürften auch die Gäste ein Interesse daran haben, dass die Gastronomie weiterhin öffnen darf. Ein Großteil der Betriebe gab an, dass die Maßnahmen und Regeln bei ihren Kunden auf Verständnis stoßen. Doch scheinen viele Wirte selbst die Sinnhaftigkeit anzuzweifeln. Mehr Kontrollen durch das Ordnungsamt könnten der Disziplin aus Sicht des Dehoga Berlin wieder auf die Sprünge helfen. Von einem Alkoholverbot allerdings hält Geschäftsführer Lengfelder wenig. "Wir alle sind mündige Bürger und müssen selbst entscheiden können", sagte er. Auch ein solches Verbot müsse zudem kontrolliert werden.

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