Washington. Seine antisemitischen Äußerungen nehmen kein Ende. Den Superstar-Status verliert “Ye“ in diesen Tagen. Und auch Teile seines Vermögens.

Viel Feind, viel Ehr? Bei Kanye West zielt der Sinnspruch daneben. Um den künstlerisch einst begnadeten Überflieger amerikanischer Pop-Kultur wird es einsam. Wie der amerikanische Nachrichtensender CNN berichtet, verrieten mehrere früherer Vertraute des Popstars die offenbar seit Langem anhaltende Faszination Wests mit Adolf Hitler. "Er lobte Hitler und sagte, es sei einfach unglaublich gewesen, wie Hitler so viel Macht aufbauen konnte. Er sprach auch über 'all die wunderbaren Dinge', die Hitler und die Nazis für das deutsche Volk erreicht hätten", sagte ein Insider gegenüber CNN.

Die anonyme Quelle hatte nach eigenen Angaben in leitender Funktion mit West zusammengearbeitet und ihren Job schließlich aufgegeben. Kanye West habe offen über seine Lektüre des Hitler-Buches "Mein Kampf" gesprochen und seine Bewunderung für die Nationalsozialisten und Hitler sowie ihren Einsatz von Propaganda zum Ausdruck gebracht. Wests engste Vertraute seien über die Hitler-Faszination des Sängers informiert gewesen. Im Jahr 2018 habe er gar vorgeschlagen, sein Album unter dem Titel "Hitler" zu veröffentlichen. Letztlich erschien es aber mit dem Titel "Ye".

Kanye West: Rapper wird zur "persona non grata"

Es ist nur ein weiteres Puzzleteil im Bild von einem Mann, der fast flächendeckend zur "persona non grata" geworden ist – spätestens nach seinen als Tötungsaufruf interpretierbaren anti-jüdischen Ausfällen.

„Ye”, wie sich der 45-jährige Exzentriker nennt, verliert im Stundentakt Sponsoren, Geschäftspartner, Weggefährten und Gönner. Der Komponist, Rapper und psychisch kranke Ex-Ehemann von Reality-TV-Stern Kim Kardashian ist eine schillernde Persönlichkeit – und hat dabei offenbar jede Verhältnismäßigkeit verloren.

Die Nachsicht, die nach den regelmäßigen Eskapaden des Egomanen viele in den vergangenen Jahren aufbrachten, scheint endgültig aufgezehrt.

West habe „keine Kontrolle über seine psychische Krankheit”, schreibt ein US-Leitartikler, „wenn er nicht die Unterstützung und die Behandlung bekommt, die er so offenkundig benötigt, fürchte ich, dass seine Musik nirgends mehr gespielt wird”.

Kanye West : Weitere antisemitische Verschwörungstheorien

Das sieht der über 20-fache Grammy-Preisträger anders. Anstatt den Rückwärtsgang einzulegen und auf Entschuldigungs-Tournee zu gehen, forciert er seine öffentliche Selbstzerstörung.

In einer Sendung mit dem britischen TV-Krawall-Moderator Piers Morgan (einst CNN) verlangte West kryptisch-verworren eine Zusammenkunft mehrerer Bosse der amerikanischen Unterhaltungsindustrie, die meist jüdischen Glaubens seien. Er fühle sich als deren Sklave. Danach könne man vielleicht über eine Entschuldigung reden.

Noch aufschlussreicher ist ein anstrengendes Zwei-einhalb-Stunden-Gespräch mit dem Podcast-Star Lex Fridman. Darin ergeht sich West in zig antisemitischen Anwürfen. Obwohl der aus Russland stammende Fridman Jude ist und vor Stereotypen warnt.

Mehrfach beklagte West, dass „jüdische Medien” hinter ihm her seien. Und dass ihm ein „jüdischer Doktor” vor einigen Jahren die Diagnose, bipolar zu sein, sozusagen angehängt habe.

Ohne Adidas verliert Kanye seinen Milliardärs-Status

Im Gespräch mit Fridman ließ West am Rande fallen, dass er und Tesla- und neuer Twitter-Boss Elon Musk „Top-Führer” seien, viel mächtiger als der amerikanische Präsident.

Solche Hybris hatte West auch gegenüber dem Sportartikel-Riesen Adidas an den Tag gelegt, für den West durch das Designen von Badeschlappen, Kapuzen-Pullis und anderen zeitgeistigen Klamotten Miliardenumsätze generiert hat. „Ich kann antisemitische Dinge sagen, und Adidas kann mich nicht fallen lassen”, tönte Ye in einem Video. Fehleinschätzung.

Der Drei-Streifen-Konzern aus Herzogenaurach kippte die lukrative Geschäftsbeziehung für die gemeinsame Produktlinie „Yeezy”. Begründung: Wir dulden keinen Antisemitismus unter unserem Namen. In Deutschland applaudierte der Zentralrat der Juden. Ohne Adidas, das hat das Magazin Forbes berechnet, verliert der kapriziöse Sänger seinen Milliardärs-Status.

Kim Kardashian: „Hassreden sind niemals entschuldbar”

Zuvor gaben das Modelabel Balenciaga und die Zeitschrift „Vogue" West den Laufpass. Seine Künstler-Agentur „Creative Artists Agency” zog die Reißleine. Das wirkungsmächtige Branchen-Magazin „Rolling Stone” kanzelte den Ich-ling so ab: „Kanye liebt den Klang seiner eigenen Stimme mehr als alles andere.”

Ähnlich das Filmstudio MRC. Eine dort sendereife Dokumentation über West bleibt unter Verschluss. Auch der Musik-Gigant Universal Music, der über das Label „Def Jam” Platten des Künstlers vertreibt, erwägt restriktive Schritte. Der Streamingdienst Spotify, wo „Ye” im Monat auf 50 Millionen Hörer kommt, ist bedient, will dessen Musik aber vorläufig nicht aus dem Programm nehmen.

Der vielleicht schwerste Schlag: Auch Ex-Frau Kim Kardashian, die lange Zeit Wests Ausraster ertrug, lässt den Vater ihrer vier Kinder fallen. „Hassreden sind niemals in Ordnung oder entschuldbar”, schreibt sie in sozialen Medien, „ich stehe auf der Seite der jüdischen Gemeinde und fordere, dass die schreckliche Gewalt und hasserfüllten Reden gegen sie ein sofortiges Ende nehmen”.

Die Trennung von Kardashian, der Verlust der Kinder, all das hat West erkennbar aus der Bahn geworfen. So sehr, dass er die nach seiner verstorbenen Mutter Donda benannte Privatschule im kalifornischen Simi Valley kurzerhand schließen ließ.

Nicht weit entfernt davon manifestierte sich der bisher einzige Zuspruch, den West für seine antisemitischen Ausfälle bekam. Über einer Brücke des Freeways 405 hielten Mitglieder der rechtsextremistischen „Goyim Defense League” Spruchbänder über die Fahrbahn und hoben den Arm zum Hitler-Gruß: „Kanye hat recht mit den Juden”, stand dort zu lesen.

Dieser Artikel erschien zuerst auf morgenpost.de.