Berlin. In Schokolade steckt oft Kakao, der mit Kinderarbeit in Westafrika angebaut wurde. Ein Gesetz soll bessere Produktionsbedingungen fördern. Nun geht es um die Umsetzung.

Nach dem Inkrafttreten des deutschen Lieferkettengesetzes will die Bundesregierung beispielhaft für faire Produktion von Kakao und Textil in Westafrika eintreten. Bei der Umsetzung der neuen Regeln komme es darauf an, dass sie den Menschen „am Anfang der Lieferkette“ helfen, sagte Entwicklungsministerin Svenja Schulze vor einer gemeinsamen Reise mit Arbeitsminister Hubertus Heil.

Die beiden SPD-Minister brachen, dem UN-„Welttag der sozialen Gerechtigkeit“, nach Ghana und in die Elfenbeinküste auf. Ziel der fünftägigen Reise sind unter anderem Orte der Kakao- und Textilproduktion.

Die deutsche Wirtschaft warnte vor unerwünschten Folgen des Lieferkettengesetzes. Der Industrieverband BDI betonte, vor allem Afrika gewinne für Deutschland rasant an strategischer und wirtschaftlicher Bedeutung, um die Abhängigkeit einzelner Branchen von Asien zu reduzieren. Das Lieferkettengesetz erschwere aber Diversifizierungsbemühungen der deutschen Industrie und konterkariere in vielen Bereichen sogar ein stärkeres Engagement in Afrika, sagte Wolfgang Niedermark von der BDI-Hauptgeschäftsführung dem RND.

Das Lieferkettengesetz war nach langem Ringen am 1. Januar in Kraft getreten. Unternehmen haben nun die Pflicht, Sorgfalt für die Einhaltung von Menschenrechten bei der gesamten Produktion zu tragen. Dafür müssen sie unter anderem Berichte vorlegen. Zuständig für die Kontrollen ist das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (Bafa) in Eschborn. Heil sagte, „wer global wirtschaftet, wer global Gewinne macht, muss auch global Verantwortung übernehmen“.

Unternehmen drohen Bußgelder bei Verstößen

Betroffene können sich auch selbst bei der Kontrollbehörde melden und sich bei Verdacht von Verstößen durch ein Unternehmen online beschweren, wie Bafa-Sprecher Nikolai Hoberg sagte. Noch läuft das Regelwerk erst an. So prüfe seine Behörde erst ab Mitte 2024 das Vorliegen der Unternehmensberichte nach, sagte Hoberg. Bei Verstößen drohen den Unternehmen Bußgelder.

Ghana und die Elfenbeinküste produzieren rund 70 Prozent des weltweiten Kakaos. Wegen der in den vergangenen Jahren gesunkenen Kakaopreise auf dem Weltmarkt setzen viele Bauernfamilien ihre Kinder für den Anbau ein. So stecke auch in Schokolade auf dem deutschen Markt vielfach Kinderarbeit, heißt es von Entwicklungsexpertinnen und -experten immer wieder. Ghana ist auch weltweit einer der größten Importeure von Secondhand-Kleidung nicht zuletzt aus Europa, wodurch die heimische Produktion teils stark zurückgedrängt wurde.

„Wir alle wollen saubere Lieferketten“

Nach Darstellung von BDI-Experte Niedermark gibt es bereits erste Unternehmen, die die bürokratischen und rechtlichen Hürden zum Anlass nähmen, sich vom afrikanischen Markt zu verabschieden. Er verwies auf eine BDI-Umfrage, wonach 65 Prozent der Unternehmen angegeben hätten, dass das Lieferkettengesetz ihre Afrika-Aktivitäten erschwere. „Wir alle wollen saubere Lieferketten, aber die erreichen wir nicht durch bürokratische Überforderung„, sagte er. „Das Worst-Case-Szenario für die Unternehmen wäre, wenn die EU-Regulierung über die Anforderungen des deutschen Gesetzes noch hinausgehen würde.“

Die Initiative Lieferkettengesetz, ein Zusammenschluss aus mehr als 130 zivilgesellschaftlichen Organisationen, wies nach Angaben des RND die Kritik zurück. Mit ihrer Fundamentalopposition seien deutsche Wirtschaftsverbände völlig aus der Zeit gefallen, sagte Bündnis-Sprecher Johannes Heeg: Weltweit gebe es einen Trend, mehr Menschenrechte, Umwelt- und Klimaschutz von Unternehmen einzufordern. Dem Trend müssten sich alle Unternehmen früher oder später stellen. Ein Wettbewerbsvorteil sei, sich schon jetzt damit auseinandersetzen.