Berlin. Die Versicherungsschäden könnten sich auf bis zu fünf Milliarden Euro summieren. Doch viele Betroffene sind gar nicht abgesichert und müssen auf Staatshilfen hoffen. Nun wird darüber diskutiert, wie sich das ändern lässt.

Die Versicherungsschäden durch die Flutkatastrophe im Westen Deutschlands belaufen sich nach Branchenangaben auf vier bis fünf Milliarden Euro.

"Die Schäden dürften sogar noch über denen des August-Hochwassers im Jahr 2002 von 4,65 Milliarden Euro liegen", sagte der Hauptgeschäftsführer des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV), Jörg Asmussen, am Mittwoch. Dabei seien die jüngsten Überschwemmungen in Bayern und Sachsen in der Rechnung noch nicht enthalten.

Nach schweren Regenfällen war es in der vergangenen Woche zu Sturzfluten und Überschwemmungen in mehreren Regionen in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz gekommen. Ganze Landstriche wurden verwüstet. Mindestens 170 Menschen verloren nach aktuellen Zahlen ihr Leben. Straßen, Bahngleise, Brücken, Mobilfunkmasten, Strom-, Gas- und Wasserleitungen sind vielerorts zerstört.

Für die Versicherungen zeichnet sich damit das schadensträchtigste Jahr seit 2002 ab. Damals lag der versicherte Unwetterschaden laut GDV bei 10,9 Milliarden Euro. Bereits im Juni dieses Jahres hatten Starkregen und Hagel einen geschätzten versicherten Schaden von 1,7 Milliarden Euro verursacht.

Doch viele Betroffene sind nicht gegen solche Katastrophen versichert. In ganz Deutschland verfügen laut GDV im Schnitt knapp die Hälfte der Verbraucherinnen und Verbraucher über eine Elementarschadenversicherung, die bei Naturereignissen wie Starkregen, Hochwasser oder Erdrutschen einspringen würden.

In den nun betroffenen Gebieten lag dieser Anteil sogar noch deutlich niedriger: Der Versicherer HUK-Coburg etwa gibt für die entsprechenden Regionen in NRW eine Quote von 39 Prozent an. In Rheinland-Pfalz liegt sie bei 36 Prozent. "Vor dem Hintergrund der aktuellen Unwetter und der Katastrophe verzeichnen wir jedoch eine gestiegene Nachfrage", heißt es von dem Unternehmen.

Angesichts dieser Zahlen ist in Deutschland eine Debatte darüber entbrannt, wie Schäden durch Flutkatastrophen nach Starkregen und Überschwemmungen besser abgesichert werden könnten.

Immerhin rund 1,2 Millionen Wohnimmobilien befinden sich in Gebieten, die bei Starkregen besonders stark gefährdet sind, wie eine Studie des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) mit dem Erfurter Analyseunternehmen On-Geo ergab. Dabei gehe es um Regionen, wo sich Wasser nach Starkregen lokal leicht sammle, etwa in Senken, erklärt Thomas Krauß, Wissenschaftler am Institut für Methodik der Fernerkundung des DLR. Doch Starkregen sei ein kleinteiliges Wetterphänomen und schwer vorherzusagen. Das Risiko von Hochwasser, etwa wegen übergetretener Flüsse, messen Versicherer zusätzlich mit einem Zonensystem aus mehreren Gefährdungsklassen.

Hinzukommt: Wegen des Klimawandels rechnen viele Expertinnen und Experten damit, dass schwere Unwetter künftig häufiger auftreten und auch Regionen treffen könnten, die bislang verschont blieben.

Einige Wirtschaftsfachleute haben sich daher für eine Pflichtversicherung bei Elementarschäden ausgesprochen, wobei sie das Prinzip nicht antasten wollen, dass höhere Risiken auch zu höheren Versicherungsprämien führen.

Die Münchner Ökonomin Monika Schnitzer etwa hält eine Versicherungspflicht für sinnvoll, "wenn man verhindern will, dass manche auf eine solche Versicherung verzichten im Vertrauen darauf, im Katastrophenfall Hilfe durch den Staat zu erhalten", sagte das Mitglied des Sachverständigenrats der "Wirtschaftswoche". Die Branche selbst lehnt dagegen eine obligatorische Versicherung gegen Extremwetterereignisse ab.

Der Eigentümerverband Haus & Grund rät derweil privaten Hauseigentümern zu einer Elementarschadenversicherung. "Wer den passenden Versicherungsschutz hat, kann etwas beruhigter in die Zukunft schauen", sagte Verbandspräsident Kai Warnecke. Eine Versicherungspflicht gegen Elementarschäden lehnt der Verband aber auch ab. Für Eigentümer mit Gebäuden in Risikogebieten könnten die Prämien dann unbezahlbar werden, meint Warnecke. Eine Pflicht ließe die Wohnkosten weiter steigen.

Für die Flutopfer beschloss die Bundesregierung unterdessen eine Soforthilfe von 200 Millionen Euro. Mittel in derselben Höhe sollen die betroffenen Länder beisteuern, so dass bis zu 400 Millionen Euro bereitstehen. "An Geld wird es nicht scheitern", betont Bundesinnenminister Horst Seehofer. "Dafür zahlen die Leute ja Steuern, dass ihnen in solchen Situationen geholfen wird."

Außerdem ist ein milliardenschwerer Aufbaufonds geplant. Über die genaue Höhe des Fonds soll entschieden werden, wenn das Ausmaß der Schäden besser absehbar ist.

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