Cala D’or. Nach zwei harten Corona-Jahren ist die Reiseindustrie 2022 wieder durchgestartet. Droht wegen der steigenden Preise die nächste Krise?

Der Stress von über zweieinhalb Jahren Dauer-Krise ist Tobias Neumann und Bernd Mäser nicht wirklich anzusehen. Entspannt sitzen die beiden Urlaubsmacher am türkisblauen Pool des Robinson Club Cala Serena an der felsigen Ostküste von Mallorca, der liebsten Urlaubsinsel der Deutschen. Nachdem seit Anfang 2020 ein Tiefschlag nach dem anderen die Reisebranche hart getroffen hat, läuft das Geschäft seit diesem Sommer wieder rund. Aber droht wegen der hohen Inflation jetzt die nächste Krise?

„Unser Geschäft ist seit Corona oftmals wie eine Achterbahnfahrt“, sagt Neumann. „Wir haben in den ersten zwei Jahren jeden Tag Krisenmanagement gemacht.“ Mäser, 47, und Neumann, 48, sind die Chefs von Robinson Club mit weltweit 26 Ferienanlagen der höheren Preisklasse.

Wie alle anderen in der Reiseindustrie mussten sie nach dem Ausbruch der Pandemie Anfang 2020 alle ihre Clubs dicht machen. Die Welt ging in den ersten Lockdown. Millionen Menschen mussten ihren Urlaub abbrechen. Monatelang stand das Geschäft still. Niemand wusste, wann und wie es weitergehen wird. Auf kurze Lockerungen folgten die Delta- und Omikron-Wellen. Wieder gab es massive Einschränkungen.

Erst als 2022 nach und nach die Länder ihre Grenzen öffneten und Hygieneauflagen fielen, kehrte weltweit die Reiselust zurück. Endlich war Urlaub nicht mehr nur innerhalb Europas möglich.

2020 stand die Reiseindustrie vor dem Bankrott

Bevor die Pandemie die Welt erschütterte, lief die Tourismusmaschinerie auf Hochtouren. 2019 war für die Reiseindustrie ein Rekordjahr. Wenige Monate später standen die meisten Anbieter vor dem Bankrott. Der Staat rettete den weltgrößten Reisekonzern TUI, zu dem die Marke Robinson Club gehört, mit Milliardenkrediten vor der Pleite.

In diesem Jahr mussten die beiden Manager Mäser und Neumann wie ihre ganze Branche zurückfinden aus dem Pandemie-Modus mit ständigem herauf- und herunterfahren des Geschäfts, strikten Hygieneregeln wie Abstandhalten am Büffet und Mundschutz-Tragen auf allen Wegen.

Die Robinson-Club-Geschäftsführer Tobias Neumann (links) und Bernd Mäser.
Die Robinson-Club-Geschäftsführer Tobias Neumann (links) und Bernd Mäser. © tui | TUI

„Zwei Jahre lang haben wir konsequent unterbinden müssen, dass sich die Gäste am Abend gemeinsam in der Bar treffen können“, sagt Mäser. Im ersten Pandemie-Jahr wären die Leute froh, dass sie überhaupt wieder rauskönnen. „Da wurden viele Einschränkungen wie Plexiglas am Büffet oder eingeschränkte Sportangebote hingenommen.“

2021 habe es dann schon einige Kritik gegeben, wenn manche gewohnten Angebote wegen Hygienevorschriften nicht möglich waren. „In diesem Jahr hätte es uns der Kunde nicht mehr verzeihen, wenn nicht wieder das volle Urlaubserlebnis bringen“, erzählt der Manager.

Trend seit Corona: „Zu allererst gehen die hochpreisigen Zimmer weg“

Die Einschränkungen fielen im Frühjahr – und auch aus geschäftlicher Sicht gab es für die Urlaubsmacher Anlass zur Hoffnung. Schon seit 2021 würden Reisende deutlich mehr Geld ausgeben als zuvor. „Zu allererst gehen die hochpreisigen Zimmer weg“, sagt Mäser.

Zunächst sei es noch vielen Menschen darum gegangen, viel Platz und damit Abstand zu haben. „Jetzt wollen sich viele einfach mal wieder etwas gönnen“, sagt der Robinson-Club-Chef und hofft: „Der Trend könnte bleiben.“ Diese Entwicklung bestätigt der Deutsche Reiseverband (DRV). In diesem Sommer seien die Ausgaben pro Nacht und Person um Schnitt um 15 Prozent gestiegen.

Mehr zum Thema Urlaub: Energie sparen auf der Insel: So werben Kanaren um Touristen

Ob 2022 wieder ein gutes Jahr für die Reisebranche wird, war zu Jahresbeginn aber noch äußerst fraglich. Seit Ausbruch der Pandemie buchten Urlauber viel kurzfristiger als zuvor – denn wer konnte schon absehen, ob die Reise wegen eines möglichen Lockdowns überhaupt stattfinden kann? Und mit dem Überfall Russlands auf die Ukraine im Februar verging so manchem die Lust auf eine Auszeit in der Sonne.

„Letztlich hat sich jetzt aber der Nachholeffekt beim Reiseweltmeister durchgesetzt, denn viele unserer Clubs waren jetzt im Sommer über weite Strecken ausgebucht“, sagt Neumann. Der Nachholbedarf sei groß. „In diesem Jahr sehen wir, dass sich das Buchungsverhalten ein Stück weit normalisiert und auch die Zeiten außerhalb der Hauptsaison gut gefragt sind. Die Menschen wollen wieder raus.“

Reisewirtschaft dürfte im Sommer wieder Vorkrisenniveau erreicht haben

So ging es auch der ganzen Branche. In der Sommersaison von Mai bis Oktober dürfte der Umsatz nach Angaben des Branchenverbands DRV wieder das Vorkrisenniveau erreicht haben. Die zurückliegende Wintersaison, die noch starken Corona-Einschränkungen unterlag, verhagelte den Touristikern aber Bilanz für das Gesamtjahr: Der Umsatz dürfte noch rund 10 Prozent unter dem Niveau von 2019 liegen.

Offen ist, ob der Reiseindustrie im kommenden Jahr schon der nächste Einbruch droht. Wenn die Menschen wegen der hohen Inflation und womöglich hohen Nachzahlungen für teures Gas und Strom am Urlaub sparen. Da müsse man noch abwarten, sagt Neumann. Aber das Geschäft scheint nicht schlecht zu laufen: „Aktuell haben wir jedenfalls mit Blick auf die Vorausbuchungen keinen Grund, Trübsal zu blasen.“

Der Reisekonzern TUI rechnet damit, dass sich eine Urlaubsform wegen der hohen Inflation besonders gut verkaufen wird: „Wir werden einen Run auf All-Inclusive-Angebote sehen“, sagte Deutschlandchef Stefan Baumert kürzlich. Damit droht am Urlaubsort keine teure Überraschung. Bereits jetzt mache diese Form mehr als die Hälfte der für den Winter gebuchten Reisen aus. Die Tendenz sei steigend.

Inflation: Das sind die Auswirkungen auf die Preise für den Urlaub 2023

Und zumindest in der Wintersaison würden sich die stark gestiegenen Energiepreise und die hohe Inflation noch nicht voll auf die Preise auswirken. Die meisten Kontingente für Flüge und Hotels haben die Reiseveranstalter im Frühjahr ausgehandelt, als die Folgen des Kriegs in der Ukraine noch nicht spürbar waren. Im kommenden Sommer dürften die Preise jedoch steigen, so Baumert.

Weiterlesen: Urlaub im Winter: Welche Flüge und Hotels noch günstig sind

Ähnlich blickt auch die ganze Reisebranche auf das kommende Jahr. „2023 wird sicher kein Selbstläufer werden“, sagte DRV-Präsident Norbert Fiebig. Alles drehe sich um die Frage „wie viel die Leute noch im Portemonnaie haben werden“. Noch überwiege bei ihm der Optimismus.

Mäser und Neumann beschäftigten sich unterdessen auch mit einem Problem, das längst nicht nur die Reiseindustrie betrifft: Beim Hochfahren des Geschäfts nach der Pandemie fehlen Arbeitskräfte. Etliche haben sich während der Lockdowns umorientiert. „Den Mitarbeitermangel sehen wir überall, egal ob auf den Kapverden oder in Griechenland“, sagt Mäser.

Der Manager will Arbeitskräfte langfristig an die Clubanlagen binden, indem das Unternehmen langfristige Karrieren in der Hotellerie und Gastronomie ermögliche. Robinson Club versuche sich „da etwa mit Fortbildungen, Wertschätzung, guter Bezahlung und Mitarbeiterunterkünften immer besser aufzustellen“, sagt er.

Die Konkurrenz um Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist inzwischen groß, in jedem Land würden daher die Löhne steigen. „Und das ist auch völlig richtig so“, sagt der Manager. Die Branche sollte nicht auf Kosten der Länder und Menschen vor Ort wirtschaften. Die Folge für die Reiseweltmeister aus Deutschland: „Natürlich wird dies in der Zukunft tendenziell zu steigenden Urlaubspreisen führen.“

Dieser Artikel erschien zuerst auf morgenpost.de.