Berlin. In Sachsen-Anhalt wird heute ein neues Länderparlament gewählt. Das Ergebnis dürfte sich auch auf den Bundestagswahlkampf auswirken.

  • Am heutigen Sonntag wählt Sachsen-Anhalt einen neuen Landtag
  • Die Aufmerksamkeit ist besonders wegen der bevorstehenden Bundestagswahl groß
  • In jüngsten Umfragen lag die CDU vor der AfD
  • Lesen Sie hier die aktuellsten Entwicklungen zur Wahl in Sachsen-Anhalt

Selten erntet Sachsen-Anhalt so viel bundesweite Aufmerksamkeit wie an diesem Sonntag. Wie die Landtagswahl in dem Bundesland ausfallen könnte, wird in ganz Deutschland beobachtet – ganz besonders in Berlin. Denn die Ergebnisse könnten auch dem Bundestagswahlkampf eine neue Richtung geben.

Der Beginn verlief ersten Angaben der Wahlleitung zufolge ohne Probleme. Angaben zu Störungen lägen nicht vor, sagte eine Sprecherin am Sonntagmorgen. Bis 18.00 Uhr haben die Wahllokale geöffnet. Rund 1,8 Millionen Menschen sind zur Stimmabgabe aufgerufen. Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) hat laut Umfragen gute Chancen auf eine dritte Amtszeit. Jüngste Umfragen deuten aber auch auf ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit der AfD hin.

Im Wahlkampf hatte Haseloff eine Zusammenarbeit mit der AfD nach der Landtagswahl ausgeschlossen. Insgesamt stellen sich 449 Kandidatinnen und Kandidaten zur Wahl. 22 Parteien treten an, verteilt auf 41 Wahlkreise. Welche Konsequenzen hätte ein schlechtes Wahlergebnis für die CDU? Was entscheidet sich heute für die AfD? Und hat die Linke endgültig ihre Basis im Osten verloren? Der Überblick, was für wen auf dem Spiel steht.

Landtagswahl in Sachsen-Anhalt: Stimmungstest vor Bundestagswahl

Der letzten Landtagswahl in einem Jahr, in dem auch ein neuer Bundestag gewählt wird, kommt immer eine besondere Symbolik zu. So besiegelte 2017 die Niederlage der SPD bei der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen auch den Niedergang des SPD-Spitzenkandidaten im Bund, Martin Schulz.

Für CDU-Chef Armin Laschet ist die Wahl in Sachsen-Anhalt deshalb ein wichtiger Stimmungstest. Vor allem darüber, ob die konservativen Wähler in Ostdeutschland der CDU die Treue halten, auch wenn sie laut Umfragen mehrheitlich nicht mit dem Kanzlerkandidaten einverstanden sind. Denn dort hatte sich die Mehrheit der Unionsanhänger CSU-Chef Markus Söder als Kanzlerkandidaten gewünscht.

CDU: Ein Ergebnis wie 2016 wäre ein gefühlter Erfolg

Würde die AfD vor der CDU landen, wäre das auch für die Bundespartei eine Katastrophe. Laschet würde mit seinem Abgrenzungskurs unter Druck geraten. Sachsen-Anhalts Ministerpräsident und CDU-Spitzenkandidat Reiner Haseloff wäre vermutlich gezwungen zurückzutreten. Kräfte in der Landespartei, die eine Annäherung an die AfD propagieren, könnten darin ein Momentum erkennen. In jedem Fall wäre Laschet auch im Bund geschwächt. Auch interessant: Bundestagswahl: Parteien wollen Nebeneinkünfte neu regeln

Armin Laschet (CDU), Kanzlerkandidat der Union.
Armin Laschet (CDU), Kanzlerkandidat der Union. © FUNKE Foto Services | Reto Klar

Erzielt die CDU annähernd das Ergebnis von 2016 (29,8 Prozent), kann dies die Partei im Bund als Hinweis auf eine halbwegs stabile Lage werten – trotz aller Querelen um den Vorsitz und die Kanzlerkandidatenfrage. Ein echter Schub für den Bundestagswahlkampf wäre das zwar nicht, aber damit rechnet ohnehin niemand. Hintergrund: Laschet: Wer sich der AfD annähert, kann die CDU verlassen

AfD: Verbindungen in die rechtsextremistische Szene

Tino Chrupalla zieht für die AfD in die Bundestagswahl.
Tino Chrupalla zieht für die AfD in die Bundestagswahl. © dpa | Kay Nietfeld

AfD-Chef Tino Chrupalla kann entspannt in dieses Wochenende gehen: Entweder seiner Partei gelingt die Sensation, und die AfD wird stärkste Kraft. Oder es kommt so, wie es die Umfragen vorhersehen, und die AfD bleibt in Sachsen-Anhalt mit knapp einem Viertel der Stimmen etwa so stark wie vor fünf Jahren.

Dann hätten Chrupalla und Co-Spitzenkandidatin Alice Weidel den Beweis, dass auch böser interner Streit, zahlreiche Entgleisungen, Verbindungen in die rechtsex­tremistische Szene und eine Beobachtung durch den Landesverfassungsschutz ihnen in Ostdeutschland wenig anhaben.

Linke: Einstige Volkspartei im Osten hat ihre Basis verloren

Janine Wissler ist Kandidatin der Linken.
Janine Wissler ist Kandidatin der Linken. © picture alliance/dpa | Bernd von Jutrczenka

Die Linke hatte in den ostdeutschen Ländern einmal das Format einer Volkspartei. Doch davon ist in Sachsen-Anhalt nicht viel übrig: Die Basis ist überaltert, viele Wählerinnen und Wähler haben den Glauben verloren, dass die Partei etwas ändern kann, manche sind zur AfD gewechselt. Von fast 24 Prozent, die noch 2011 in Sachsen-Anhalt für die Linke stimmten, sind nur noch knapp die Hälfte übrig.

Das ist ein Problem auch für Janine Wissler und Dietmar Bartsch, das Spitzenteam für die Bundestagswahl, das einen Erfolg dringend gebrauchen könnte: Denn vier Monate vor der Wahl kommt die Linke, die eigentlich auf ein rot-rot-grünes Bündnis hofft, der Fünf-Prozent-Hürde gefährlich nahe. Lesen Sie auch: Bundestagswahl: Die Spitzenkandidaten von AfD, FDP und Linken

SPD: Regierungsarbeit wird kaum gewürdigt

Olaf Scholz will für die SPD Kanzler werden.
Olaf Scholz will für die SPD Kanzler werden. © dpa | Kay Nietfeld

Der SPD in Sachsen-Anhalt geht es ein bisschen wie der Partei im Bund: Sie regiert mit, sie setzt Projekte um, die das Leben der Menschen besser machen sollen – doch die Belohnung an der Wahlurne droht auszubleiben. Spitzenkandidatin Katja Pähle und ihr Team müssen derzeit darum kämpfen, dass die SPD in Sachsen-Anhalt nicht abrutscht in die einstelligen Prozentzahlen.

Das wäre nicht nur für die Landes-SPD ein fatales Signal. Olaf Scholz, Kanzlerkandidat der Partei, würde dann mit einem weiteren Handicap in den Wahlkampf gegen Grüne und Union gehen.

Grüne: Die Hoffnung auf einen Achtungserfolg

Annalena Baerbock, Kanzlerkandidatin der Grünen.
Annalena Baerbock, Kanzlerkandidatin der Grünen. © imago images/Future Image | Frederic Kern via www.imago-images.de

Auch wenn der Ton seit der Nominierung von Annalena Baerbock als Kanzlerkandidatin spürbar rauer geworden ist, können sich die Grünen im Bund immer noch über sehr gute Umfrageergebnisse freuen. Das strahlt aus bis nach Ostdeutschland: Selbst in Sachsen-Anhalt, wo die Partei letztes Mal nur knapp in den Landtag kam, könnte es jetzt für ein zweistelliges Ergebnis reichen.

Für die Spitzenkandidatin wäre das ein Achtungserfolg – und ein wichtiges Signal dafür, dass Klimaschutz doch nicht nur ein Thema wohlsituierter Städter ist, sondern auch auf dem Land interessiert. Lesen Sie hier: Grüne: Baerbock erhält Zuspruch aus der Wirtschaft

FDP: Reicht der Trend zur Regierungsbildung?

Christian Lindner, Spitzenkandidat der FDP.
Christian Lindner, Spitzenkandidat der FDP. © dpa | Michael Kappeler

Ostdeutschland ist für Christian Lindner und die FDP seit Langem ein schwieriges Terrain: In vier Bundesländern sind die Liberalen nicht mal im Landtag vertreten. Und dort, wo sie es 2020 endlich wieder gepackt hatten, in Thüringen, war mit dem Wahlerfolg der Skandal um den FDP-Kurzzeit-Ministerpräsidenten Thomas Kemmerich verbunden. Er hatte sich mit Stimmen der AfD wählen lassen.

Laut Umfragen sieht es nun so aus, als würde die FDP mit Spitzenkandidatin Lydia Hüskens am Sonntag nach zehn Jahren wieder in den Magdeburger Landtag einziehen. Gut möglich, dass sie sogar für eine Regierungsbildung gebraucht wird. Für Lindner wäre das ein weiterer Stimmungsaufheller: Der FDP-Chef sonnt sich gerade in zweistelligen Umfragewerten im Bund.

Mehr zum Thema: Wahlprogramme zur Bundestagswahl: Was wollen die Parteien?

(fmg/dpa)