Berlin. Enttäuschte Gesichter in einer aufgeheizten Tarifrunde: Trotz tagelanger Verhandlungen gibt es keinen Durchbruch. Wie es weitergeht.

Die Tarifverhandlungen für den öffentlichen Dienst von Bund und Kommunen sind gescheitert – jetzt sind unabhängige Schlichter am Zug. Ab diesem Sonntag herrscht nach Angaben von Verdi für die Zeit der Schlichtung Friedenspflicht. Bis dahin seien allenfalls noch kleinere regionale Warnstreiks geplant. Nun wird mit Spannung erwartet, ob die Schlichter den aufgeheizten Tarifstreit lösen können – oder ob auch die Schlichtung scheitert und in einigen Wochen neue Streiks bevorstehen.

Nach zähem Ringen über drei Tage hinweg erklärten Verdi und der Beamtenbund dbb die Verhandlungen in der Nacht zu Donnerstag in Potsdam für gescheitert. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) kündigte für die Arbeitgeber daraufhin an: „Wir werden jetzt die Schlichtung einberufen.“

Wie läuft die Schlichtung ab?

Nach festen Regeln und Fristen. Ab Sonntag setzt eine Friedenspflicht ein – bis nach Ostern sind Warnstreiks dann ausgeschlossen. Die Vorsitzenden der Schlichtungskommission sind der ehemalige sächsische Ministerpräsident Georg Milbradt von der Arbeitgeberseite und der ehemalige Bremer Staatsrat Hans-Henning Lühr für die Gewerkschaften – Lühr mit der im Zweifelsfall entscheidenden Stimme.

Wie kann die Schlichtung enden?

Mit einer Einigung – wenn beide Seiten den Mitte April erwarteten Schlichterspruch annehmen. Wie das Beispiel der bisher letzten umfassenden Streiks im öffentlichen Dienst zeigt, bringt aber auch eine Schlichtung nicht unbedingt den Durchbruch. 1992 wurde ein Schlichterspruch nicht angenommen – rund zehntägige flächendeckende Streiks folgten.

Was liegt auf dem Verhandlungstisch?

Die Arbeitgeber boten 8 Prozent mehr Einkommen und einen Mindestbetrag von 300 Euro sowie eine Einmalzahlung von 3000 Euro an. Faeser meinte, damit hätte man direkt jetzt im Mai den Menschen gerade sehr schnell helfen können – schließlich seien die Kosten gerade jetzt sehr hoch. „Und ich glaube, das wäre im Sinne der Beschäftigten gewesen, jetzt eine schnelle Lösung zu haben.“

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Was sagen die Arbeitgeber über ihr Agieren in der Schlussrunde?

Faeser verwies auf die Verantwortung, die daraus erwachse, dass nicht über irgendwelches Geld verhandelt wurde – sondern über Steuergeld, mit dem die Einkommen der Beschäftigten bezahlt werden müssen. Die Verhandlungsführerin der Kommunen, Karin Welge sagte: „Wir haben bis kurz vor Mitternacht den Glauben nicht verloren, dass wir die Brücke schlagen können.“

Wie reagierten die Gewerkschaften auf das Angebot?

Verdi-Chef Werneke sprach von unüberbrückbaren Unterschieden. Die öffentlichen Arbeitgeber seien „nicht in der Lage, den ersten Schritt auf die Beschäftigten und ihre Gewerkschaften zuzugehen, um einen tatsächlich sozial gerechten Abschluss möglich zu machen“. Die Gewerkschaften hatten 10,5 Prozent mehr Lohn geforderte, mindestens aber 500 Euro mehr.

Worüber wurde noch verhandelt?

Ein weiterer Aspekt ist die Laufzeit – 12 Monate fordern die Gewerkschaften. Den Arbeitgebern ist das zu wenig. Sie hatten zunächst 27 Monate angeboten. Auch darüber wurde intensiv gerungen. Wie es in Verhandlungskreisen hieß, waren hier beide Seiten kompromissbereit. Der Chef des Beamtenbunds, Ulrich Silberbach, merkte an, Entgegenkommen der Gewerkschaften bei der Laufzeitfrage habe angesichts der generellen Position der Arbeitgeber am Ende für eine Gesamtlösung nicht gereicht.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (2.v.l), Verdi-Chef Frank Werneke (r.), der dbb-Vorsitzende Ulrich Silberbach (M.) und weitere Teilnehmer zu Beginn der dritten Tarifverhandlungsrunde in Potsdam.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (2.v.l), Verdi-Chef Frank Werneke (r.), der dbb-Vorsitzende Ulrich Silberbach (M.) und weitere Teilnehmer zu Beginn der dritten Tarifverhandlungsrunde in Potsdam. © Carsten Koall/dpa

Wie ist die Streikbereitschaft der Gewerkschaften heute?

Ob Busfahrer, Krankenpflegerinnen, Erzieherinnen, Müll- und Klärwerker, Straßenbahnfahrer oder Angestellte an Flughäfen – Beschäftigte zeigten seit Monaten reihenweise große Streiklust. In Umfragen bekundeten weite Teile der Bevölkerung für sie Verständnis – und für das Argument, dass viele öffentlich Bedienstete eher unterbezahlt seien. Verdi sieht sich durch die massiven Warnstreiks der vergangenen Wochen gestärkt – und verzeichnete über 70.000 Eintritte in den vergangenen drei Monaten. Verdi-Chef Werneke steht im September beim Bundeskongress seiner Gewerkschaft auch zur Wiederwahl an – dann zählen gute Tarifabschlüsse und erfolgreiche Mobilisierung.

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Was macht den aktuellen Tarifstreit besonders?

„Da ist jetzt richtig Druck auf dem Kessel“, sagte Werneke schon vor Wochen. Bereits als Verdi und der dbb im Oktober ihre Forderungen aufstellten, befand sich das Land mitten in der Inflations- und Energiepreiskrise. Doch auch viele Kommunen haben leere Kassen. Sie rechneten vor, bei ihnen würde eine Umsetzung der Forderung 15,4 Milliarden Euro kosten.

Auf was kommt es den Gewerkschaften besonders an?

Vielen Beschäftigten etwa von Kitas, Bädern oder Müllabfuhr reicht der Lohn derzeit nur knapp zum Leben, wie in vielen Interviews anlässlich der Streiks immer wieder zu hören war. Auch im Januar und Februar lagen die Verbraucherpreise jeweils um 8,7 Prozent über dem Niveau des Vorjahresmonats. Nun soll der Abschluss für einen Ausgleich der hartnäckig hohen Inflation und eine Reallohnerhöhung. Als „das Wichtigste für die Beschäftigten“ bezeichnete Werneke dabei „einen sozial balancierten Tarifvertrag, eine soziale Komponente, einen Mindestbetrag“. (dpa/bef)