Berlin. In der Corona-Krise hat es wohl jeden getroffen, der Reisepläne hatte: Entweder fiel der Flug aus oder gleich der Grund für die geplante Fahrt. Nun wollen Zehntausende ihr Geld zurück.

Angesichts Tausender gestrichener Flüge und geplatzter Reisen haben die Beschwerden von Verbrauchern über Fluggesellschaften und die Deutsche Bahn in der Corona-Zeit deutlich zugenommen.

Derzeit erhalte die Schlichtungsstelle öffentlicher Personenverkehr (SÖP) jede Woche zwei bis dreimal so viele Schlichtungsanträge wie in den vergleichbaren Zeiträumen der Vorjahre, sagte SÖP-Geschäftsführer Heinz Klewe dem "Handelsblatt" (Samstag). In den ersten beiden Juni-Wochen hat sich die Zahl der Anträge demnach mehr als verdoppelt: Von 810 auf knapp 1900. Die meisten Beschwerden betreffen Fluggesellschaften.

"Kunden der Airlines wollen die Ticketkosten für nicht stattgefundene Flüge endlich erstattet bekommen", sagte Klewe. "Bahnkunden wiederum sind verärgert, dass sie für nach dem 4. Mai gekaufte, aber nicht nutzbare Sparpreis- und Super-Sparpreis-Tickets einen zeitlich bis Ende Oktober befristeten und nur für die gebuchte Fahrtstrecke gültigen Gutschein erhalten."

Wegen der Corona-Krise war der Luftverkehr über Wochen fast zum Erliegen gekommen. Die Fluggesellschaften müssen Kunden innerhalb von einer Woche Geld für abgesagte Flüge erstatten. Auch die Bahn hatte bis zu 90 Prozent weniger Fahrgäste als sonst.

Die Grünen forderten, die Einführung von Geldstrafen zu prüfen. "Das Luftfahrtbundesamt als Durchsetzungsstelle für Fluggastrechte muss tätig werden und im Zweifelsfall Bußgelder verhängen", sagte der Grünen-Tourismuspolitiker Markus Tressel dem "Handelsblatt".

Der Chef des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv), Klaus Müller, kritisierte, die Airlines "enthalten ihren Kunden Geld vor, das ihnen zusteht und halten sich somit nicht an geltendes Recht".

In die Kritik von Politikern geriet insbesondere die Lufthansa, die wegen der Corona-Krise schwer unter Druck geraten ist und mit Staatshilfe in Milliardenhöhe gerettet werden soll.

"Von einem Unternehmen wie der Lufthansa, das eine Milliardenhilfe des Staates bekommen soll, erwarte ich, dass es seine Kunden nicht im Regen stehen lässt", sagte der tourismuspolitische Sprecher der Union im Bundestag, Paul Lehrieder (CSU), dem Blatt. Tressel betonte, die Rückzahlung der Kundengelder müsse "eine Bedingung für jede staatliche Hilfe für Fluggesellschaften werden". vzbv-Chef Müller äußerte sich ähnlich.

Die Lufthansa teilte auf Anfrage mit, bisher seien Ticketerstattungen "normalerweise Einzelfälle, jetzt sind es Zehntausende am Tag". Deshalb bitte das Unternehmen um Verständnis dafür, "dass diese derzeit nicht zu den sonst üblichen Fristen darstellbar sind". Sie betonte: "Wir erhöhen fortlaufend unsere Kapazitäten, um eine schnellere Bearbeitung der Anfragen zu ermöglichen. Dadurch sollen Ticketerstattungen im dreistelligen Millionenbereich pro Monat möglich werden."

Der FDP-Tourismuspolitiker Marcel Klinge forderte auch die bundeseigene Bahn zu Verbesserungen auf. "Bei den Erstattungen von Bahntickets sollte der Bund eine besondere Vorreiterrolle einnehmen, da die Gutscheinregelung hier oft nicht mehr zur Lebensrealität der Reisenden passt", sagte Klinge der Zeitung.

Verbraucherschützer Müller forderte, die Bundesregierung müsse sich stärker für verbraucherfreundliche Regelungen einsetzen. Vor allem müsse verhindert werden, "dass Fahrgastansprüche im Fall höherer Gewalt ausgehebelt werden".

Die Deutsche Bahn teilte auf Anfrage mit, sie habe "sehr frühzeitig mit sehr umfangreichen Kulanzmaßnahmen auf die Corona-Pandemie reagiert und bislang die Stornierung und flexible Nutzung von rund fünf Millionen Fahrten ermöglicht. Unsere Lösungen waren und sind sowohl kundenfreundlich als auch unbürokratisch."