Berlin. Der Ukraine-Krieg geht ins zweite Jahr. Viele fragen sich, wie er enden soll. Die nächsten Monate sind entscheidend. Drei Szenarien.

  • Seit fast einem Jahr tobt in der Ukraine der von Russland losgetretene Krieg
  • Viele Menschen hoffen auf Frieden – doch wie könnte ein solcher aussehen?
  • Diese Szenarien für ein Ende des Kriegs sind denkbar

Was wohl als Enthauptungsschlag und Blitzoperation angelegt war, entwickelt sich zum Abnutzungskrieg. Am 24. Februar jährt sich die russische Invasion in die Ukraine. Mehr denn je stellt sich die Frage, wann der Ukraine-Krieg endet. Darauf gibt es keine zweifelsfreie Antwort, aber drei Szenarien.

Wann der Krieg endet: Putin testet die westliche Entschlossenheit

Ein eingefrorener Konflikt: Es wäre nur die zweitbeste Lösung für Kremlchef Wladimir Putin, aber ein Szenario mit dem er "wohl auch gut" leben könne, meint der frühere Bundeswehr-General Heinrich Brauß im Gespräch mit unserer Redaktion. Das setzt militärisch voraus, dass Russland sein Mindestziel erreicht: die endgültige Eroberung des Donbas. Dann verlegt man sich darauf, seine Linien bestmöglich zu verteidigen und bietet Verhandlungen und einen Waffenstillstand an. Das ist eine Option,

  • die Putin daheim gegenüber den Russen vertreten kann;
  • für seinen Gegner in Kiew, Präsident Wolodymyr Selenskyj, eine Zumutung ist;
  • die es ermöglicht, die ganze Region weiter zu destabilisieren, im benachbarten Moldawien ist die Angst davor schon jetzt real;
  • die Russland die Chance lässt, sich militärisch neu zu formieren und später eine zweite Invasion zu versuchen;
  • und die vor allem bei den westlichen Unterstützern der Ukraine für kontroverse Diskussionen sorgen würde.

Wie der Krieg enden kann: Russland wartet Ausgang des Großangriffs ab

Die Wahrscheinlichkeit ist momentan gering. Der erwartete Großangriff hat gerade erst begonnen. Der Militärexperte Carlo Masala hält Gespräche aus russischer Sicht erst für sinnvoll, wenn es befürchten muss, von einer Fortführung des Krieges mehr zu verlieren als zu gewinnen. Also werden Putin wie Selenskyj Ihren Ausgang abwarten. "Der Schlüssel wird in den kommenden sechs Monaten auf dem Schlachtfeld liegen", sagte CIA-Direktor William Burns bei einer Veranstaltung an der Universität Georgetown in Washington.

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Ein Sieg Russlands: Das Wunschziel aller Kriegstreiber in Moskau. Einen Krieg, in die Länge zu ziehen, das können die Russen. Das haben sie in ihrer Geschichte mehrmals bewiesen. Sie haben mehr Menschen und mehr Waffen als Ukraine. Der Krieg als Test der Willensstärke. Das Kalkül wäre, dass der Westen irgendwann die militärische Hilfe einstellt und die Ukraine allein nicht mehr den russischen Angriffen standhalten kann.

"Ein groß angelegter konventioneller Krieg läuft auf Abnutzung hinaus", erklärte der ukrainisch-stämmige US-Militärexperte Michael Kofman im "Spiegel". Dabei gehe es zu einem großen Teil um die Frage, wie die Streitkräfte durchhalten können – ob sie sich also regenerieren können – und wie schnell und gut verschlissenes oder verbrauchtes Material ersetzt werden kann. "Alles dreht sich um Manpower und Munition."

Ukraine-Krieg – Hintergründe und Erklärungen zum Konflikt

Das ist ein Szenario, das sich möglicherweise Jahre hinziehen könnte. Wobei Putin nicht nur die Eskalationsdominanz, sondern zumindest innenpolitisch bis zu einem gewissen Grad auch die Definitionshoheit hat. Wann ist der Krieg gewonnen? Vielleicht auch schon mit der Eroberung des Donbas. Der US-Generalstabschef Mark Milley hält es für unwahrscheinlichi, dass Russland die Ukraine überrennen werde. "Das wird einfach nicht passieren", sagte er der "Financial Times".

Wann der Krieg endet: Mit oder ohne Gebietsverluste?

Die Ukraine gewinnt: Bisher bleibt dieses Ziel ungenau. Mit oder ohne Geländeverluste, mit oder ohne die Krim? Für die Ukraine spricht, dass sie militärisch besser organisiert ist, dass ihre Soldaten die größere Kampfmoral haben; und dass sie mit weit reichenden Präzisionswaffen aus dem Westen die Russen zurückdrängen können. Milley meint, es sei sehr, sehr schwierig für die Ukraine in diesem Jahr, "die Russen aus jedem Zentimeter der von Russland besetzten Ukraine zu vertreiben". Und: Es würde im Wesentlichen den Zusammenbruch des russischen Militärs erfordern."

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Das setzt ohnehin voraus, dass der Westen seine Waffenlieferungen beibehält oder dass Putins Herrschaft letztlich doch implodiert. Millexy sagt, "es würde im Wesentlichen den Zusammenbruch des russischen Militärs erfordern." In jedem Szenario stehen am Ende Verhandlungen an. Die Frage ist jeweils nur, aus welcher Position sie dann geführt werden: Aus einer Position der Stärke oder der Schwäche? Der frühere Nato-Oberbefehlshaber Wesley Clark sieht jedenfalls die Chance, dass eine Steigerung der westlichen Militärhilfe die Ukraine in die Lage versetzen kann, die russischen Truppen zu besiegen und aus der Ukraine zu vertreiben. Das könnte Sie auch interessieren: Ukraine: Rheinmetall verhindert Drama mit Gepard-Munition