Berlin. Hat Kanzler Scholz in der Panzerfrage klug agiert? Bei „Anne Will“ gab es dazu und zu den Kriegszielen des Westens eine Kontroverse.

Lange taktierte Olaf Scholz (SPD), seit dieser Woche steht fest: Deutschland liefert der Ukraine Leopard-2-Kampfpanzer. War das die richtige Entscheidung? Der Schritt beschäftigte am Sonntagabend auch die Runde bei „Anne Will“.

„Anne Will“– Diese Gäste waren dabei

  • Kevin Kühnert SPD-Vorsitzender
  • Janine Wissler, Chefin der Linkspartei
  • Marina Weisband, deutsch-ukrainische Publizistin
  • Carlo Masala, Politikwissenschaftler
  • Georg Mascolo, Journalist.

"Anne Will": An Scholz scheiden sich die Geister

Einen guten Teil der Zeit verbrachte die Runde damit, sich mit Scholz zu befassen. Einen Fürsprecher fand der Kanzler in Mascolo. „Er wollte keinesfalls Kampfpanzer liefern, ohne dass es die Amerikaner tun“, erklärte der Autor der "Süddeutschen Zeitung". Dass US-Präsident Joe Biden genau das nun tut, verbuchte Mascolo als Verdienst des Kanzlers. „Olaf Scholz hat das alles in allem so schlecht nicht gemacht.“

Carlo Masala war da skeptischer. Zwar zeigte sich auch der Politikwissenschaftler mit dem Ergebnis zufrieden. Allerdings habe das Ansehen bei den ost- und mitteleuropäischen Staaten gelitten. Auch sei unverständlich, warum man nicht frühzeitig Leopard-Exporte durch andere Staaten genehmigt habe. Und schließlich habe Scholz die europäische Führungsrolle nicht wahrgenommen: „Man hat gezeigt: Wir sind auf die USA als Sicherheitsgarant angewiesen“, kritisierte Masala.

"Anne Will": Marina Weisband punktet mit einer kontroversen These

Janine Wissler kritisierte, dass immer nur über Waffen, nicht aber über Diplomatie geredet werde. Dabei müsse doch das Ziel sein, den Krieg möglichst schnell zu beenden. Dazu sollte stärker verhandelt werden, forderte Wissler. Und sei es, indem man zunächst über erste kleine Schritte wie Schutzzonen spreche, so die Chefin der Linken. Damit löste sie eine Debatte aus.

Anne Will diskutierte mit ihren Gästen über den Ukraine-Krieg. Prognosen: eher düster.
Anne Will diskutierte mit ihren Gästen über den Ukraine-Krieg. Prognosen: eher düster.

Marina Weisband gab Wissler recht ­– zumindest was das Ziel anging, den Krieg möglichst rasch zu beenden. Die deutsch-ukrainische Autorin formulierte dazu die kontroverse These, dass die USA und Deutschland möglicherweise kein Interesse an einem schnellen Ende hätten. Die Ukraine solle gewinnen, aber langsam – „vielleicht, um Russland zu schwächen“, mutmaßte Weisband.

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Das verband die Publizistin mit einer grundsätzlichen Kritik an den Kriegszielen des Westens. Diese seien unklar, befand Weisband. Das schien auf der einen Seite eine abwegige Kritik – schließlich ist der Fortgang des Krieges ungewiss und die Beteiligten würden wohl einen strategischen Fehler begehen, wenn sie ihre Szenarien offenlegten. Auf der anderen Seite machte Weisband durchaus einen Punkt: Eben weil die Ziele undefiniert sind, ist auch das Ausmaß der notwendigen Unterstützung diskussionswürdig. Das erklärt auch Debatten wie zuletzt über die Panzerfrage. Das könnte Sie auch interessieren: Leopard-Lieferung: Warum jede "rote Linie" übertreten wird

"Anne Will": Balanceakt des Westens, um eine Eskalation zu vermeiden

Gegen dieses Argument wendete sich Carlo Masala, zumindest ein stückweit. Die Waffenlieferungen hätten verhindert, dass die Ukraine aufhöre, zu existieren, erinnert der Politikwissenschaftler. „Es geht darum, den Krieg zu verlängern, um Menschenleben zu retten.“ Eine eigentlich absurde Aussage, die in diesem Fall aber durchaus zutreffend ist, wenn man bedenkt, was unter russischer Besatzung etwa in Butscha passiert ist.

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Auch Georg Mascolo nahm dem Argument von Weisband etwas den Wind aus den Segeln, indem er an den schwierigen Balanceakt des Westens erinnerte. Einerseits müsse man den unter einer nuklearen Drohung versuchten Landraub Wladimir Putins scheitern lassen. Andererseits dürfe man keine komplette Eskalation riskieren. Ein Dilemma, was die manchmal unschlüssig wirkende Unterstützung erklären kann. Auch interessant: "Anne Will": "Wladimir Putin wird nicht aufgeben"

Das Fazit

Diese Ausgabe von „Anne Will“ machte deutlich, wie kompliziert die Lage auch bald zwölf Monate nach Kriegsbeginn ist. Daraus lässt sich eine gewisse Demut ableiten: Die Entscheidungen, die ein Scholz treffen muss, sind weitreichend. Möglicherweise ist es ganz vernünftig, dass er sie nicht ohne reifliche Überlegung trifft. Lesen Sie auch: "Anne Will": Talkshow wird nach 16 Jahren eingestellt

Zur Ausgabe von „Anne Will“ in der ARD-Mediathek

Anne Will: So liefen vergangene Sendungen