Berlin. Pleiten, Pech und Pannen: Bei “Anne Will“ wurde der Zustand der Bundeswehr diskutiert. Dabei brachte ein Oberst ein heikles Thema auf.

In Europa ist seit über einem Jahr Krieg, doch die Bundeswehr hat nach wie vor allerlei Probleme. Das bestätigte zuletzt auch wieder Bericht der Wehrbeauftragten Eva Högl: "Die Bundeswehr hat von allem zu wenig. Und sie hat seit dem 24. Februar 2022 noch weniger", heißt es darin.

Das Thema wurde am Sonntagabend auch bei "Anne Will" besprochen. "Welche Lehren zieht Deutschland aus der Zeitenwende?", war die Sendung überschrieben.

"Anne Will" – Das waren die Gäste:

  • Hedwig Richter, Historikerin an der Universität der Bundeswehr
  • Nicole Deitelhoff, Friedensforscherin
  • André Wüstner, Vorsitzender des Bundeswehrverbandes
  • Ralf Stegner, SPD-Bundestagsabgeordneter
  • Gerhard Raum, Ex-Innenminister und FDP-Urgestein

Warum steht die Bundeswehr so schlecht da?

Unstrittig war in der Debatte zunächst, dass die Bundeswehr trotz Zeitenwende nach wie vor in keinem guten Zustand ist. Doch woran das liegt, darüber gingen die Meinungen auseinander. "Nach der Annexion der Krim wollte man alles ändern, doch es wurde politisch nicht umgesetzt", kritisierte André Wüstner, der Vorsitzende des Bundeswehrverbandes. Die allgemeine Meinung sei gewesen: "Es kann nicht sein, was nicht sein darf" – das also Putins Aggression einen höheren Wehretat notwendig machen.

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Bei "Anne Will" wurde der Zustand der Bundeswehr diskutiert. Dabei brachte ein Oberst ein heikles Thema auf. © NDR/Wolfgang Borrs

Ralf Stegner wollte das so nicht gelten lassen. Natürlich habe es in der Vergangenheit viele Versäumnisse gegeben, sagte der SPD-Politiker. Doch der neue Verteidigungsminister, Boris Pistorius, arbeite mit Hochdruck daran, die Zeitenwende umzusetzen.

"Der externe Schock hat den politischen Willen herbeigeführt", meinte auch Nicole Deitelhoff. Allerdings gebe es nach wie vor große Beharrungskräfte. "Der deutsche Weg muss der einer Zivilmacht sein – das ist immer noch ein verbreitetes Bild", kritisierte die Politikwissenschaftlerin.

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Braucht Deutschland eine Kriegswirtschaft?

Die Kritik an diesem Weg war etwas heikel, weil der Verzicht auf militärische Macht historisch ja durchaus gut begründet ist. Noch heikler wurde es, als der Bundeswehr-Oberst Wüstner eine "Kriegswirtschaft" forderte: also eine stärkere Ausrichtung auf Rüstung, gegebenenfalls auch mit Hilfe von Konzernen wie Volkswagen. "Die Ukraine verbraucht in einem Monat eine Jahresproduktion von Europa", begründete Wüstner das.

Glücklicherweise stellte sich die Runde geschlossen gegen die Idee. "Das ist ein falscher Begriff", kritisierte etwa Deitelhoff unter Verweis auf die deutsche Geschichte. Auch suggeriere er eine Kriegsbegeisterung, die es nicht gebe. Tatsächlich staunte man etwas, dass der Oberst einen solchen Begriff führte.

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Reicht das Geld überhaupt?

Schließlich wurde noch ein Thema angesprochen, dass längerfristig noch einige Schwierigkeiten bereiten könnte: Wenn die Verteidigung auch nach der Zeitenwende immer mehr Geld benötigt – müssen dann andere Bereiche wie etwa die Sozialpolitik zurückstecken?

"Die Politik muss sagen, dass da Zumutungen auf uns zukommen", forderte die Historikerin Hedwig Richter. Bei der Demokratie gehe es nicht darum, Umfragen hinterher zu laufen. Auch Deitelhoff forderte eine klare Kommunikation. "Andere politische Ziele können wir dann möglicherweise nicht oder erst später umsetzen."

Ralf Stegner ging das zu weit. Unter Verweis auf die Größe des Sondervermögens für die Bundeswehr sagte er: "Man darf nicht äußere gegen innere oder soziale Sicherheit ausspielen." Auch könne man nicht einfach sagen: "Ich rüste jetzt auf." Dafür brauche es Mehrheiten. Klar sei aber auch, dass der Wehretat steigen müsse.

Anne Will: So liefen vergangene Sendungen

Das Fazit

Diese Ausgabe von "Anne Will" machte deutlich, dass uns langfristig weitreichende Diskussionen drohen könnten. Wenn tatsächlich die Frage lautet "Kindergrundsicherung oder neue Panzerhaubitzen" lauten sollte, könnte sich die Meinung drehen.

Es verwundert daher nicht, dass Politiker wie Stegner darüber lieber noch nicht reden möchten. Doch wenn die vergangenen Monate und Jahre eines gelehrt haben, dann das: Essentielle politische Fragen lassen sich nicht auf die lange Bank schieben.

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