Erfurt. In Thüringen haben sich in diesem Jahr bislang 31 Menschen nach Zeckenstichen mit Borreliose infiziert. Wie schützt man sich gegen Zecken? Und was ist der Zecken-Check?

Man könnte die beiden Männer auch für Camper halten. In T-Shirt und Shorts steigen Martin Komorek und sein Sohn Mathes aus ihrem Wohnmobil. Doch der Eindruck ist nur vorübergehend. Kurz darauf tragen beide lange Hosen, Mathes hat sich zudem einen Anorak mit Kapuze übergezogen. Fertig für den Zecken-Check.

Der Heidelberger Komorek ist Diplom-Biologe und Zeckenexperte beim Internetportal Zecken-Radar der Firma tick-radar. Biologen und Zeckenforschern betreiben dort Hotspotforschung und informieren über Vorkommen, Arten und übertragene Krankheiten der Blutsauger und größten Milben im Tierreich. Im März veranstalteten sie einen großen Zecken-Kongress in Weimar.

In Erfurt sind Vater und Sohn im Auftrag der Gesundheitsagentur BCW-Global unterwegs. Im Rahmen der Aktion „Deutschland macht den Zecken-Check“ sollen verschiedene Badeorte im ganzen Bundesgebiet auf die kleinen Beißer untersucht werden. In Erfurt wurde der Klingesee im nördlichen Kiesgrubengebiet ausgewählt. Kein offizieller Bade- und Campingsee, aber einer, den viele Ortsansässige auf der Suche nach Erfrischung und Abkühlung aufsuchen.

200 Quadratmeter werden systematisch abgesucht

Inzwischen haben sich die beiden Zeckensucher mit einem großen weißen Baumwolltuch samt Stange bewaffnet. Miteinander verbunden sieht beides aus wie eine große weiße Flagge. Zusammen mit Kladde und Stift für Notizen geht es damit ins Unterholz am Seeufer. Zeckenflaggen nennen sie das Verfahren, bei dem der flauschige Stoff über Gräser, Büsche und Wege gestreift wird. Was nach Zufall aussieht hat System: Die Fahne misst einen mal einen Meter und wird pro Zug zehn Meter weit gezogen. Bei 20 Versuchen werden es am Ende 200 Quadratmeter sein, die abgesucht wurden. So macht die Zeckenchecks an unterschiedlichen Seen vergleichbar.

Seit gut 350 Millionen Jahren drangsalieren Zecken ihre Opfer. Zecken stünden eigentlich auf Mäuse, Igel, Rehe. Menschen befallen sie, weil sie letztlich wahllos vorgehen, sagt Komorek. In Deutschland sei der Gemeine Holzbock (Ixodes ricinus) am weitesten verbreitet. Zecken findet er bedrohlich und faszinierend gleichermaßen. Einerseits übertragen sie Krankheiten wie die Lyme-Borreliose und die Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME). Weltweit leiden Millionen Menschen unter den Folgen der Stiche. Andererseits seien Zecken biologisch durchaus interessant. Auf dem Weg zur Geschlechtsreife durchlaufen sie mehrere Stadien. Für den jeweils nächsten Entwicklungsschritt brauchen sie eine Blutmahlzeit.

Suchmethode eignet sich auch für den eigenen Garten

Sohn Mathes hat sein Tuch inzwischen wiederholt durchs Ufergehölz gezogen. Zentimeter für Zentimeter sucht er danach den hellen Stoff ab. Auf dem weißen Stoff wären die schwarzen Tiere gut auszumachen. Anders als andere Zeckenarten habe Ixodes keine Augen, dafür aber empfindliche Tasthaare und Krallen. Auf der Lauer liegend, würden sie sich im weichen Flanell verfangen. Eine Methode, die man auch gut zuhause im eigenen Garten oder auf dem Campingplatz für die Zeckensuche anwenden könne, sagen die Experten. Am Klingesee ist ihnen bislang noch keine Milbe ins Tuch gegangen. Interessierte schauen Badende zu. Viele haben Hunde dabei und können ein Lied singen von regelmäßigen Attacken auf ihre Vierbeiner. Zeckenarten wie die Auwald- oder Schafzecke (Dermacentor) gehen bevorzugt auf Tiere, wissen die Komoreks. Auch ihrem Hund mussten sie schon manchen Sauger aus dem Fell klauben.

Viele Stadt- und Landkreise sind FSME-Risikogebiete

Wissen über die die Vorkommen von Zecken sei nicht zuletzt wichtig für den Schutz vor den Folgen ihrer Stiche, sagt Martin Komorek. Zecken zählen zu den gefährlichsten blutsaugenden Parasiten Deutschlands. Gemessen an der Zahl der Erkrankungen durch Borreliose oder FSME sei die Zecke sogar das gefährlichste Tier überhaupt. Bundesweit gelten mehr als 40 Prozent aller Stadt- und Landkreise als FSME-Risikogebiete. In Thüringen gilt das vor allem für den Süden und Südwesten des Landes. „Am häufigsten befallen uns Zecken im sogenannten Nymphenstadium. Quasi im Vorbeigehen werden sie von Halmen oder Ästen abgestreift. Allerdings sind sie dann meist so klein und leicht, dass man sie nicht auf der Haut nicht spürt“, so der Experte. Hat die Zecke eine dünne, gut durchblutete Hautstelle gefunden, ritzt sie mit ihren scherenförmigen Schneidewerkzeugen die Haut mikroskopisch klein auf. Gleichzeitig betäubt sie mit ihrem Speichel die Wunde. Weshalb der Stich meist erst später bemerkt wird, wenn sich das Tier schon vollgesaugt hat. Was viele nicht wussten: Die Blutsauger seien häufig auch im städtischen Umfeld aktiv, wie in heimischen Gärten, auf Spiel- und Fußballplätzen oder in Stadtparks.

Gegen FSME kann man sich schützen

Auch deshalb wirbt Komorek für mögliche Schutzmaßnahmen. Anders als bei der Borreliose gibt es gegen FSME-Infektionen eine Impfung. Am Klingesee werden Komorek und sein Sohn an diesem Tag allerdings nicht fündig. Vielleicht auch deshalb, weil es bereits wieder heiß und trocken ist. „Keine Zecken für den Moment sind eine gute Nachricht. Was aber noch lange nicht heißt heißt, dass es keine gibt“, sagt der Experte. Ein wenig Regen nach langer Trockenheit reicht, dann krabbeln sie vom Boden wieder hoch und begeben sich in Lauerstellung. Bei Tick-Radar forschen sie auch zur Zeckendichte – warum gibt es hier mehr und dort weniger Zecken. Im Wohnmobil ziehen beide später weiter zum nächsten Zeckencheck.