Erfurt. Zwar ist die Zahl der Beschäftigten in der Altenpflege in Thüringen über Jahre hinweg stetig gestiegen. Trotzdem herrscht Personalmangel, denn die Zahl der Pflegebedürftigen wächst schneller.

Der Personalmangel bei Pflegekräften gefährdet die Versorgung in der Altenpflege. Vor allem Menschen, die neu in die Pflegebedürftigkeit gerieten und einen Heimplatz oder ambulanten Pflegedienst suchten, bekämen einen regelrechten Angebotsmangel zu spüren, sagte Margit Benkenstein, Landesvorsitzende und Vizepräsidentin des Bundesverbandes privater Anbieter sozialer Dienste e.V. (bpa) in Thüringen, zum Auftakt des 8. Pflegekongresses in Erfurt.

„In manchen Heimen sind die Wartelisten auf einen Platz umfangreicher als die Platzkapazität, weil die Personalausstattung trotz Zuwächsen nicht mit der starken Zunahme alter und pflegebedürftiger Menschen mithält. Auch Anfragen nach ambulanten Leistungen müssen immer wieder abgewiesen werden“, so Benkenstein.

Margit Benkenstein, Vorsitzende des Landesverbandes privaten Anbieter sozialer Dienste.
Margit Benkenstein, Vorsitzende des Landesverbandes privaten Anbieter sozialer Dienste. © Hanno Müller

Pflegebedürftigkeit steigt schneller als Hilfsangebote

Laut statistischem Landesamt stieg die Zahl der in Voll- und Teilzeit beschäftigten Pflegenden seit 2017 von 32.500 auf 35.500, das ist ein Anstieg um 9 Prozentpunkte. Die Zahl der Pflegeeinrichtungen erhöhte sich im selben Zeitraum von 952 auf 1076. Im Vergleich dazu wies die Statistik für 2017 115.600 und für 2021 schon 166.500 Pflegebedürftige aus – ein Plus von 40 Prozentpunkten.

Vor einer Zuspitzung von Versorgungsproblemen warnt auch der Arbeitgeberverband Pflege. Wegen gestiegener Kosten seien viele Einrichtungen insolvenzgefährdet. „Wenn wir so weitermachen wie bisher, verwehren wir Pflegebedürftigen eine zeit- und wohnortnahe Versorgung. Millionen von hilfebedürftigen Menschen werden vor den Kopf gestoßen“, mahnte Verbandschef Thomas Greiner. Politik, Pflegekassen und Sozialhilfeträger müssen auf einem Pflegegipfel einen „Pakt für die Pflege“ schließen und Kompetenzen bündeln. Von den Pflegekassen forderte Greiner, dass sie den wirtschaftlichen Betrieb von Pflegeeinrichtungen ermöglichen, statt sie angesichts steigender Kosten auf den Sankt Nimmerleisntag zu vertrösten. Der Verband pflegender Angehöriger fordert einen Paradigmenwechsel bei der Pflege. Pflege müsse mehr denn je zu einer gesamtgesellschaftlichen Aufgabe werden, zur Entlastung der pflegenden Familien und zur besseren menschlichen Fürsorge.

Weniger Bürokratie für ausländische Bewerber

Darüber hinaus fordern die Pflegeeinrichtungen ein stärkeres Engagement für die Anwerbung von Pflegekräften im Ausland. „Ohne ausländische Hilfe geht es nicht. Für die Gewinnung brauchen wir schnellere Verfahren und weniger bürokratische Hürden. Schulabschlüsse sowie Berufsabschlüsse aus nicht zur EU gehörenden Staaten müssen schneller anerkannt und die Unterstützung bei Deutschkursen verstärkt werden“, so bpa-Landeschefin Benkenstein. Von deutschen Konsulaten und Botschaften im Ausland erhoffe man sich eine schnellere Bearbeitung von Einreise-Visa.

Auf der Suche nach ausländischen Fachkräften waren In Thüringen zum Jahresbeginn zehn Gewinnungsprojekte unterschiedlicher Träger gestartet. Zu den beteiligten Branchen gehört auch die Pflege. So haben bereits 17 Salvadorianer eine Ausbildung nach dem Pflegeberufsgesetz aufgenommen. Tätig sind sie in Azurit-Altenpflegeheimen in Erfurt, Weimar, Gotha, Tannroda (Weimarer Land) und Eisenach. Im November wird Margit Benkenstein mit Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) zu entsprechenden Gesprächen nach Vietnam reisen.