Greiz. Tatjana Böhme-Mehner stellt in Greiz das Buch über ihren Vater vor

„Ich kann mir seine Welt überhaupt nicht vorstellen“, erklärte Tatjana Böhme-Mehner zur Vorstellung ihres Buches „Warten auf meinen Vater – Erinnerungen an Ibrahim Böhme“ im Bücherwurm. So fühlten sicherlich auch einige der Zuhörer. Denn sie gehörten teils zu den engsten Weggefährten ihres Vaters während seiner Greizer Jahre, andere hatten Manfred, wie er ursprünglich hieß, durch Begegnungen meist in guter Erinnerung, kannten ihn als charmanten, klugen, hilfsbereiten Mann, der Damen hin und wieder mit Handkuss zur Begrüßung überraschte.

Wichtig ist es für Tatjana Böhme-Mehner, in ihrem Werk das Erleben ihrer besonderen Tochter-Vater-Beziehung zu beschreiben, was gelungen ist. Sei es die Zeit ihrer Kindheit, als die Eltern verheiratet waren, deren Scheidung, die sie mit zwölf Jahren erlebt hat. Mit Mutter und Großmutter lebte sie in einer intakten Familie. Die Fernbeziehung mit ihm gehorchte keinen Regeln. Ihr Vater kam wöchentlich oder auch manchmal monatelang nicht. Wenn er da war, war das für sie eine schöne Unterbrechung des Alltags. „Wenn wir ihn gefragt haben, was er eigentlich macht, waren seine Antworten irreal“, erklärte die Autorin.

Die Zeit der Wende, als Ibrahim Böhme als künftiger Ministerpräsidenten der DDR gehandelt wurde, empfanden sie und ihre Mutter als seltsame Zeit. Viele Leute sprachen sie an, dass sie ihren Vater im Fernsehen gesehen hätten, fragten auch nach, warum er sich jetzt Ibrahim nennt. All das endete, als der einstige enge Vertraute ihres Vaters, der Schriftsteller Reiner Kunze, seine Stasi-Akte las. Ibrahim Böhme, als inoffizieller Mitarbeiter der Staatssicherheit der DDR enttarnt, verbrachte die letzten zehn Jahre seines Lebens völlig zurückgezogen in Berlin.

Einige Besucher berichteten über ihre Begegnungen. Peter Schimmel, der zu DDR-Zeiten in Leuna tätig war, hatte engen Kontakt zu dem als Erzieher tätigen Böhme. „‘Ich muss hier weg‘, hatte er eines Tages zu mir gesagt, weil er aufgrund seiner Haltung zum Systemkritiker Havemann politisch in Schwierigkeiten geriet. Ich sagte, komm doch nach Greiz, was dann auch so kam“, erinnerte sich Schimmel und auch daran, dass Manfred Böhme zuerst in der Bibliothek arbeitete, dann in der FDJ-Kreisleitung, wo er 1968 rausgeschmissen wurde, anschließend als Postbote und dann Funktionär im Kulturbund wurde. „Im Klub Alexander von Humboldt hatte sich ein Freundes- und Gesprächskreis entwickelt. Dabei wurde über viele philosophische Fragen diskutiert“, erinnerte sich Sabine Seifert gern zurück. In dem Haus versammelte sich ebenfalls der Freundeskreis des Klubs International, der Gastarbeitern aus Vietnam und Kuba ein Stück Geborgenheit gab. Das war von der damaligen Obrigkeit kritisch beäugt. Böhme sorgte dafür, dass die Treffen weiter stattfinden konnten. Ohne ihn, waren sich einige Zuhörer einig, hätte sich eine bestimmte Kulturszene in Greiz nicht entwickeln können. Dass er als Stasispitzel selbst seine engsten Freunde verriet, darüber kommen einige bis heute nicht hinweg. „Am Ende hat er uns alle verarscht“, brachte es Harald Seidel, einst engster Freund Böhmes, auf den Punkt.