Berlin. Beauty-Tipp oder Gesundheitsrisiko? Spezielle Tropfen sollen Augen schön weiß machen. Ein Augenarzt erklärt, was Käufer wissen müssen.

Nach strahlend weißer Wäsche dank himmelblauem Pulver verspricht ein TV-Werbespot zur Primetime vor den Nachrichten nun den strahlenden Blick. Blaue Augentropfen mit pharmazeutischem Hyaluron sollen nicht nur trockene und gereizte Augen pflegen, sondern auch das Augenweiß intensivieren – „sanft“, wie der Hersteller betont. Und auch in den sozialen Netzwerken erfährt das Produkt unter anderem durch Influencer gezielt Aufmerksamkeit, wird als Beauty-Geheimtipp für schöne, strahlende Augen bezeichnet. Doch sehen Augenärzte das genauso?

Bei den beworbenen Augentropfen handelt es sich um ein sogenanntes Medizinprodukt. Sie sind also ausschließlich in Apotheken erhältlich – lokal aber auch online. Das schafft bei den Kunden zunächst Vertrauen. Prof. Horst Helbig, Direktor der Augenklinik am Uniklinikum Regensburg, rät jedoch zur Vorsicht. Er ist Mediensprecher der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft, also der medizinisch-wissenschaftlichen Fachgesellschaft für Augenheilkunde, und hat eine klare Meinung zu den blauen Tropfen: „Sie sind im Grunde nicht mehr als Make-Up.“

Augentropfen für strahlend weiße Augen: Das streckt drin

Einen Vorteil zu anderen Hyaluron-Augentropfen sieht Helbig nicht. „Es gibt dafür keine augenärztliche Indikation.“ Es handle sich um ein rein kosmetisches Produkt, das wie Schminke die Wirkung der Augen einfach nur ein bisschen verändere. Gleichzeitig habe es – wie Schminke eben auch – potenzielle Nebenwirkungen, könne Allergien und Unverträglichkeiten auslösen.

Das aus Helbigs Sicht Problematischste jedoch: „Wir wissen heute noch nichts über die Langzeitanwendung und -auswirkung des verwendeten blauen Farbstoffs im Auge.“ Auch wenn zumindest kleinere In-vitro-Versuche an Zellen kurzfristig keinen toxischen Zusammenhang feststellen konnten, sei Vorsicht geboten.

Zwar räumt Helbig ein, dass die anderen im Präparat enthaltenen Substanzen durchaus sogenannte künstliche Tränen ersetzen und so Beschwerden samt Rötungen bei trockenen Augen lindern könnten. Der blaue Farbstoff mache dafür aber keinen Unterschied.

Die blauen Augentropfen aus dem Handel sollen das Augenweiß intensivieren.
Die blauen Augentropfen aus dem Handel sollen das Augenweiß intensivieren. © PR | pr

Der Hersteller verwendet das Natriumsalz der Hyaluronsäure als Feuchthaltemittel, so wie es auch in vielen anderen durchsichtigen Augentropfen auf dem Markt eingesetzt wird. Auf Grund seiner physikalischen Eigenschaften bilde es einen viskoelastischen Schutzfilm auf der Hornhaut und mindere somit Reibungseffekte, die für Rötungen sorgen, schreibt der Hersteller im Beipackzettel.

Das Neue im Vergleich zur Konkurrenz auf dem deutschen Markt: der zusätzlich enthaltene Farbstoff Patentblau V. „Für die Anwendung in den Augen ist er zwar in den USA schon seit einiger Zeit erhältlich, hier bei uns aber tatsächlich erst seit wenigen Monaten“, erklärt Helbig.

Gleiches Blau auch in Lebensmitteln zu finden

Unbekannt ist Patenblau V hierzulande dennoch nicht. In der Medizin aber auch in der Lebensmittelindustrie wird es bei uns schon länger verwendet. Der sogenannte Triphenylmethanfarbstoff mit der Nummer E 131 ist beispielsweise in Überzügen von Käse und Wurst, in Süßigkeiten, Kuchen, Keksen, Blätterteiggebäck, Speiseeis, Desserts, aber auch Spirituosen enthalten – etwa Blue Curaçao. In der Medizin kommt er vorrangig für diagnostische Zwecke zu Einsatz, zum Beispiel um damit Lymphgefäße zu markieren, teilweise aber auch intravenös.

Und so wirkt Patenblau V in den Augentropfen: „Der blaue Farbstoff soll in das Gewebe eindringen und es ein bisschen blau einfärben“, erklärt Augenarzt Helbig. „Nach der Theorie der Farbenlehre soll die blaue Komplementärfarbe rötlich oder gelblich wirkende Augen dann weißer erscheinen lassen – ein rein kosmetischer Effekt.“

In der Tat wird dieses Prinzip bereits bei etablierten Kosmetika genutzt. Auch hier werden neben grünen auch blaue Farbpigmente eingesetzt, um Rötungen zu überdecken. Auch Waschmittel für Weißes enthält oft blaue Farbstoffe. Diese sollen entstandene Verfärbungen und Vergilbungen, die sich mit der Zeit in den Stoffen festsetzen, überdecken.

Augentropfen für mehr Weiß: Andere Mittel verengen sogar Blutgefäße

In seinem Buch „Zusatzstoffe von A-Z – Was Etiketten verschweigen“ bewertet Udo Pollmer Patentblau V als „dubiosen Zusatzstoff“. In der Medizin stehe dem potenziellen Schaden ein klinischer Nutzen gegenüber, heißt es. Bei Kosmetika und Lebensmitteln sei das Risiko zwar deutlich kleiner als bei intravenöser Gabe, aber unnötig.

Am Ende müsse jeder über den Einsatz selbst entscheiden, meint Helbig. „Jeder ist seines Glückes Schmied und muss abwägen, ob er für etwas weißere Augen mögliche Komplikationen in Kauf nehmen möchte.“ Helbig betont auch: Blaue Tropfen seien wahrscheinlich besser als Konkurrenzprodukte, die dafür sorgen, dass sich die Blutgefäße in den Augen verengen, damit diese weißer werden. Hier seien negative Folgen für die Gesundheit klar belegt. Natürliche Wege, rote Augen zu minimieren, hält der Experte aber für deutlich zielführender.

Strahlende Augen gelten als Schönheitsideal. Nun hat die Industrie einen Weg gefunden, diese mittels Einsatzes der Farbenlehre weißer erscheinen zu lassen.
Strahlende Augen gelten als Schönheitsideal. Nun hat die Industrie einen Weg gefunden, diese mittels Einsatzes der Farbenlehre weißer erscheinen zu lassen. © iStock | istock

Augenarzt: Rote Augen besser auf natürlichem Wege verhindern

Grundsätzlich gilt: Wer chronisch gerötete oder akut stark gerötete Augen hat, der sollte beim Augenarzt kontrollieren lassen, ob etwas Krankhaftes im Auge dahinter steckt, das man behandeln müsste. „Ein rotes Auge ist ja zunächst völlig unspezifisch und in den meisten Fällen harmlos“, betont Augenarzt Helbig.

Dennoch gebe es ernste Erkrankungen, die dahinterstecken könnten – beispielsweise Bindehaut- oder Regenbogenhautentzündungen. Wer unter einer Reizung durch trockene Augen leide, gepaart mit Brennen, Jucken, Reiben, dem rät der Experte, die sogenannten künstlichen Tränen ins Auge zu träufeln, um für Linderung zu sorgen. Auch hier lassen weitgestellte Blutgefäße die Augen glasig, rötlich erscheinen.

Gleiches passiere durch zu wenig Schlaf, Rauchen, Alkohol- oder sonstigen Drogenkonsum. „Auch wenn man einen Zug abbekommt oder zu lange vor dem Bildschirm sitzt, egal ob Computer oder Fernseher, kann das die Bindehaut reizen und so für geweitete Blutgefäße und damit gerötete Augen sorgen“, erläutert Helbig. Gleiches gelte bei Luftverschmutzung und trockener, klimatisierter Raumluft – etwa in Bürogebäuden. „Die einfachste und gesündeste Möglichkeit dem entgegenzuwirken ist, die Ursachen einfach abzustellen.“

Blaue Augentropfen: Das berichten Kunden

Wer die blauen Augentropfen einmal ausprobieren möchte, sollte offenbar nicht nur mögliche gesundheitliche Risiken bedenken. Ihre Anwendung scheint auch unabhängig davon mit Tücken verbunden zu sein.

So berichten Nutzerinnen und Nutzer online in Produktrezensionen, dass die blaue Flüssigkeit alles einfärbe und sich im Augenwinkel absetze. Wenn sie am Auge überlaufe, färbe sie die Haut, schreibt jemand anderes. Auch den Effekt weißerer Augen können den Bewertungen zufolge etliche Kundinnen und Kunden nicht wahrnehmen.