Berlin. Die PFAS-Stoffe finden sich in vielen Alltagsprodukten. Behörden wollen ein Verbot in der EU erreichen. Die acht wichtigsten Antworten.

Sie finden sich in Alltagsgegenständen wie Jacken, Pfannen, Kosmetika oder Lebensmittelverpackungen: per- und polyfluorierte Alkylverbindungen (PFAS; gesprochen Pifas). Weil einige dieser Chemikalien Gesundheit und Umwelt gefährden, soll die gesamte Substanzgruppe in der EU verboten werden.

PFAS: Was macht die Ewigen Chemikalien aus?

Die Gruppe der Chemikalien umfasst mehr als 10.000 Einzelsubstanzen, die nicht natürlich in der Umwelt vorkommen. Aufgrund ihrer wasser-, schmutz- und fettabweisenden Eigenschaften sowie ihrer Stabilität und Beständigkeit werden PFAS in vielen Produkten und Prozessen verwendet, erklärt der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI).

Zwölf Branchen wären demnach besonders von einem Verbot betroffen: Halbleiterfertigung, Automobil-, Elektro-, Lebensmittelindustrie, Textilindustrie oder auch der Maschinen-, Anlagenbau und die Medizin. Allein in der EU werden mehr als 100.000 Tonnen PFAS pro Jahr produziert.

Was macht die Stoffe so gefährlich?

PFAS werden auch als Ewigkeitschemikalien bezeichnet. „Je nach Stoff überdauern sie mehrere Jahrzehnte bis Jahrhunderte in der Umwelt“, sagt Wiebke Drost, Expertin beim Umweltbundesamt (Uba). Die Behörde ist maßgeblich an dem Vorstoß beteiligt, ebenso wie die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) und das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR).

Laut Uba können PFAS durch die Abluft von Industriebetrieben in Böden und Gewässer gelangen. Recherchen von „Süddeutscher Zeitung“, NDR und WDR zufolge lassen sich an mehr als 1500 Orten in Deutschland PFAS nachweisen.

Doch die Dimension dürfte noch weit größer sein. „Messdaten zeigen das weltweite Vorkommen von PFAS in Oberflächengewässern, Grund-, Trinkwasser und Böden“, sagt Prof. Christian Zwiener, Umweltanalytiker von der Eberhard-Karls-Universität Tübingen.

„PFAS verteilen sich global über die Atmosphäre, sodass sie heute auch in Regionen mit vermeintlich reiner Luft vom Himmel regnen“, sagt Prof. Thorsten Reemtsma, Leiter des Analytik-Departments beim Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung in Leipzig. In arktischen Regionen etwa seien hohe Konzentrationen in Robben und Eisbären gefunden worden.

Was sind die Folgen für die Gesundheit?

Wegen der enormen Vielfalt an Verbindungen ist ein Großteil der Stoffe bislang noch gar nicht auf Gesundheitsgefahren untersucht worden. Einige der Substanzen aber sind nachweislich schädlich, etwa ein Dutzend sind verboten. Und es gibt die Annahme, dass Gefahren auch von anderen Vertretern dieser Stoffgruppe ausgehen.

„Von den relativ wenigen gut untersuchten PFAS gelten die meisten als mittel- bis hochtoxisch, vor allem für die Entwicklung von Kindern“, schreibt die Europäische Umweltagentur (EEA). Prof. Martin Göttlicher, Direktor des Instituts für Molekulare Toxikologie und Pharmakologie am Helmholtz-Zentrum in München erklärt: „Im Tierversuch wurden einige Substanzen getestet. Und je nach Substanz wurde bei entsprechend hohen Dosierungen eine Reihe von schädlichen Wirkungen gefunden: Lebervergrößerung, Störungen des Fettstoffwechsels, abgeschwächte Immunreaktionen, Störungen der Reproduktionsorgane und auch krebserzeugende Eigenschaften.“

Laut Göttlicher sei unstrittig, dass PFAS – aufgenommen über die Luft oder die Nahrungskette – sich dauerhaft im menschlichen Organismus anreicherten. „Daraus ergibt sich die Einschätzung der PFAS als besorgniserregende Substanz und macht den Vorstoß plausibel, dass man solche Substanzen nicht ungebremst weiter in die Umwelt bringen soll.“

Trotzdem gibt es für Göttlicher keinen Anlass zu Panik: Aus dem Vorkommen der Substanzen in Umwelt und Körper gehe – im Vergleich zu andern Risiken – keine akute Gefahr für die eigene Gesundheit aus.

PFAS sind als Chemikalien mitunter in Regenjacken und anderen Textilien zu finden.
PFAS sind als Chemikalien mitunter in Regenjacken und anderen Textilien zu finden. © Shutterstock / Landscapemania | Landscapemania

Warum nun der Vorstoß?

Ein Problem bislang: Wird eine einzelne Substanz verboten, kann die Industrie sie durch einen ähnlichen, noch nicht regulierten Stoff ersetzen. Dieser kann aber genauso gefährlich oder gefährlicher sein als die ursprüngliche Substanz.

Deshalb haben Behörden aus Deutschland, den Niederlanden, Dänemark, Norwegen und Schweden vorgeschlagen, PFAS fast komplett zu verbieten. Sie schlagen je nach Anwendung Übergangsfristen von eineinhalb bis dreizehneinhalb Jahren vor. Für einige wenige Bereiche seien Ausnahmen vorgesehen.

Wie wird der Vorschlag beurteilt?

Viele Wissenschaftler begrüßen den Vorstoß. „Wenn man es in einem Satz zusammenfassen würde: PFAS versammeln alle für Umwelt und Menschen schlechten Eigenschaften in einer Stoffgruppe – die Beschränkungen für PFAS sind dringend geboten“, sagt Thorsten Reemtsma. Und Christian Zwiener sagt: „Vor dem Hintergrund bestehender und zu erwartender Exposition von Mensch und Umwelt ist das ein folgerichtiger und längst überfälliger Schritt.“

Aus Sicht des BDI geht der Vorschlag zu weit. Dieser würde auch viele Anwendungen verbieten, von denen gar keine Gefahr ausgehe. „Als Kompromissvorschlag könnte diskutiert werden, kleinere Stoffgruppen von PFAS zu bilden und deren Toxizität aufgrund eines typischen Vertreters zu testen. Auf dieser Grundlage könnte dann diese Untergruppe reguliert werden – oder auch nicht“, sagt Mirjam Merz, Expertin für Chemikalienpolitik und Gefahrstoffrecht beim BDI.

PFAS werden aufgrund ihrer wasser-, schmutz- und fettabweisenden Eigenschaften unter anderem bei beschichteten Pfannen verwendet.
PFAS werden aufgrund ihrer wasser-, schmutz- und fettabweisenden Eigenschaften unter anderem bei beschichteten Pfannen verwendet. © Shutterstock / inewsfoto | inewsfoto

Gibt es Alternativen zu PFAS?

„Für Verbraucherprodukte wie Textilien oder Verpackungen gibt es Ersatz, für spezielle Anwendungen müssen gute Alternativen erst entwickelt werden“, sagt Prof. Henner Hollert, Prof. für Evolutionsökologie und Umwelttoxikologie an der Goethe-Universität (Frankfurt/Main). Der jetzt vorliegende Vorschlag für ein Verbot räume dafür jedoch genügend Zeit ein.

Was kann der Verbraucher tun?

„Für wasserabweisende Outdoor-Bekleidung etwa gilt: Einige auch kleinere Hersteller werben inzwischen mit PFAS-freien Produkten“, sagt Martin Göttlicher. Auch mit der grundsätzlichen Vermeidung von beschichteten Einmalbehältern aus Karton für Lebensmittel könne jeder Einzelne etwas tun, um Risiken zu reduzieren.

PFAS: Bis wann ist mit einem Verbot zu rechnen?

Erfüllt der Antrag alle Formalitäten, sollen am 22. März die öffentlichen Konsultationen starten. Für diesen Prozess sind sechs Monate eingeplant. Dabei können sich beispielsweise Industrievertreter für weitere Ausnahmen stark machen.

Dann machen sich zwei verschiedene Gremien der Europäischen Chemikalienagentur ein Bild über Risiken, Nutzen und Kosten für die Gesellschaft. Die Entscheidung trifft am Ende die Europäische Kommission gemeinsam mit den EU-Mitgliedsstaaten. Mit einem Entschluss ist laut Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin 2025 zu rechnen. (mit dpa)