Berlin. Greta Thunberg ist zur Ikone der „Fridays For Future“-Bewegung geworden. Wir haben mit ihr über ihre Ziele und ihre Generation gesprochen.

Als Greta Thunberg den Raum betritt, herrscht plötzlich Stille. Die 16-Jährige selbst sagt auch nichts, guckt sich um, um dann flüchtig zu lächeln und zu fragen, wie man das Interview führen wolle.

Die Ruhe ist unerwartet, draußen am Brandenburger Tor hat sich der Demonstrationszug der Schüler, die jeden Freitag für ein besseres Klima streiken, versammelt. Und die Jugendlichen sind laut. An ihrer Spitze marschierte bis eben auch die Gründerin der „Fridays for Future“-Bewegung, das Mädchen, das jetzt so leise ist.

Sie ist nicht nur für die Schulstreiks nach Berlin gekommen, auch weil sie am Sonnabend die Goldene Kamera, einen Sonderpreis für ihre Leistungen im Klimaschutz, erhält.

Greta Thunberg gehört laut „Time“-Magazin zu den 25 einflussreichsten Teenagern weltweit, noch mehr Aufmerksamkeit kommt ihr zu, seit bekannt wurde, dass sie für den Friedensnobelpreis nominiert ist. Sie ist die Ikone der internationalen Klimaschutzbewegung, die für eine Senkung der Treibhausgasemissionen kämpft. Wie lebt es sich als solche?

Wenn Sie die Chance hätten, die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel zu treffen, was würden Sie ihr sagen?

Das hängt von den Gründen ab, warum mich die Bundeskanzlerin treffen will. Es gibt zwei Optionen, entweder um mit mir einen guten Eindruck zu machen und so zu tun, als ob sie auf die Kinder hören würde oder weil sie wirklich zuhören will, was wir zu sagen haben. Wäre es aus letzterem Grund würde ich Wissenschaftler mitbringen und sie die Situation erklären lassen.

Sie haben zum ersten Mal im August 2018 vor dem schwedischen Reichstag demonstriert. Wie hat sich Ihr Leben seit dem verändert?

Mein persönliches Leben hat sich unglaublich verändert. Alles passiert so schnell, und es ist schwer für mich, dabei mitzuhalten. Natürlich bin ich mehr gestresst und beschäftigt als früher, aber ich bin auch glücklicher jetzt. Weil ich den Sinn in dem fühle, was ich tue und ich fühle mich gebraucht.

Sie sind der Mittelpunkt einer riesigen Bewegung, den Fridays for Future-Demonstrationen, die überall auf der Welt stattfinden. Sind Sie überrascht von Ihrer eigenen Generation?

Ja, ich bin wirklich überrascht von meiner eigenen Generation. Bevor ich angefangen habe zu streiken, habe ich nicht viele junge Leute kennengelernt, die sich für die Klimakrise interessieren und leidenschaftlich gegen den Klimawandel kämpfen. Ich hätte nicht gedacht, dass so viele von uns das Thema ernst nehmen.

Die junge Generation wird von Wissenschaftlern als unpolitisch, selbstbezogen und auf Freizeit fokussiert beschrieben. Das Gegenteil davon erleben wir gerade, was hat sie so verändert?

Natürlich gibt es immer noch viele junge Menschen, denen das Klima egal ist, aber viele sind auch sehr besorgt. Unsere Zukunft ist bedroht und wir haben Angst vor dem, was uns noch von diesem Planeten übrig bleibt. Wir wollen für unsere Zukunft kämpfen und das motiviert so viele von uns. Da haben wir gar keine andere Wahl.

Sie kritisieren die Spitzen der Wirtschaft, Politiker, Ihre eigenen Eltern dafür, wie sie mit unserem Planeten umgehen. Im Umkehrschluss erfahren Sie selbst teilweise böse Kritik. Wie gehen Sie damit um?

Als ich mit den Streiks begann, wusste ich, dass ich auch Hass erleben werde. Aber das ist eine natürliche Reaktion, wenn Menschen sich von etwas bedroht fühlen. Für die Menschen, die die Konsequenzen des Klimawandels noch nicht verstanden haben, muss so ein Schulstreik sehr merkwürdig wirken. Das verstehe ich.

Was ist so bedrohlich an Ihrer Bewegung?

Jeder empfindet das natürlich anders. Aber vielleicht fühlen sich viele Menschen in ihrer Art zu leben bedroht. Würden sie auf uns hören, müssten sie sich aus ihrer Komfortzone bewegen. Wir betonen immer wieder, dass derzeitige System nicht nachhaltig ist. Und viele tun einfach alles dafür, noch ein paar Jahre leben zu können, ohne etwas zu ändern.

Von Ihren Kritikern wird immer wieder hervorgehoben, dass sie das Asperger Syndrom haben. Dass Sie deswegen nur Schwarz-Weiß-Denken können. Ist das eine Schwäche oder sogar Ihre Stärke?

Das Schwarz-Weiß-Denken ist definitiv meine Stärke. Hätte ich nicht Asperger gehabt, hätte ich mich anfangs nicht für die Klimakrise interessiert. Wenn ich wie alle wäre, dann hätte ich wie alle weitergelebt. Aber ich bin nicht wie alle, ich denke auf eine andere Art und Weise. Und nur so konnte ich bemerken, was falsch läuft.

Sie sind für den Friedensnobelpreis nominiert und erhalten die Goldene Kamera für ihre Leistungen im Klimaschutz. Was bedeuten Ihnen solche Auszeichnungen?

Solche Auszeichnungen sind eine gute Gelegenheit, Menschen mit meiner Botschaft zu erreichen und den Einsatz fürs Klima zu normalisieren. Aber natürlich gibt es viele Menschen, die viel eher Preise für ihren Kampf um die Klimagerechtigkeit verdienen als ich.

Sie sind 16 Jahre alt und gerade Teil von etwas Großem. Kneifen Sie sich manchmal und fragen sich: Ist das wirklich real?

Vielleicht kneife ich mich nicht. Aber ja, es ist wirklich schwer zu verstehen, was gerade alles um mich herum passiert.

Haben Sie Zeit für die Dinge, die 16-Jährige normalerweise tun? Haben Sie Hobbys?

Nein, leider nicht. Das hier braucht meine ganze Aufmerksamkeit und die Zeit, die ich übrig habe, lerne ich für die Schule, um dranzubleiben und um freitags demonstrieren zu können.

Was ist Ihr Lieblingsfach in der Schule?

Ich liebe tatsächlich alle Fächer. Das würde man vielleicht nicht über mich denken, aber ich liebe die Schule, ich liebe das Lernen.

Stellen Sie sich vor, Sie wären 30 Jahre alt. Wo sehen Sie sich?

Ich weiß es nicht. Aber wenn ich aus einer ganzheitlichen Perspektive auf die Zeit schaue, wenn ich 30 bin, was im Jahr 2033 ist, finde ich das beängstigend. Denn wir wissen nicht, wie sich die Klimakrise bis dahin auswirken wird.

Wenn die Leute auf Sie hören und ihr Verhalten unverzüglich ändern würden. Wie wäre es dann, wenn Sie 30 sind?

Hoffentlich würde ich dann nichts mehr mit dem Thema Klima zu tun haben, weil wir die Probleme bis dahin gelöst haben. Zeit ist ein wichtiger Faktor. Aber wahrscheinlicher ist, dass ich doch in einem Bereich arbeiten werde, der mit Klima und Umwelt zu tun hat.

Sie wirken häufig sehr ernst. Wann mussten Sie zuletzt richtig lachen?

Ich lache sehr viel. Aber erst letzte Nacht hatte ich eine richtige Lachattacke. Ich war richtig müde und habe Videos von tanzenden Hunden gesehen. Ich konnte nicht mehr aufhören.

Welche letzte Frage würden Sie sich stellen?

Vielleicht würde ich mir keine Frage mehr stellen. Sondern einfach zu mir sagen, dass ich aufhören soll zu reden. Denn ich bin ziemlich genervt davon, meine eigene Stimme zu hören.