Berlin. Im brandenburgischen Seddin legen Archäologen eine riesige Halle aus der Bronzezeit frei. Hier hielt wohl ein sagenumwobener König Hof.

Sagenumwobene Könige? Gibt es mit König Artus nicht nur in Großbritannien, sondern auch in deutschen Mythen und Sagen. In Brandenburg wurde die Sage von „König Hinz“, einem weisen Riesenkönig, von Generation zu Generation weitergetragen. In der Prignitz, im Nordwesten des heutigen Berlins, soll der in grauer Vorzeit geherrscht haben. Als der geliebte König starb, begruben ihn seine Zeitgenossen in drei verschiedenen Särgen, so die Geschichte. Als Archäologen in einem großen Erdhügel bei Seddin im Landkreis Prignitz ein „Königsgrab“ freilegten, waren sich viele sicher: Hier müsse es sich um die letzte Ruhestätte des mythischen Herrschers handeln.

Nun ist Archäologen ein weiterer großer Wurf gelungen. In der Nähe des „Königsgrabs“ nordwestlich von Berlin entdeckten sie bei Grabungen eine riesige Halle aus der Bronzezeit. Wie das Brandenburgische Landesamt für Denkmalpflege am letzten Mittwoch in Wünsdorf mitteilte, handelt es sich mit einer Breite von 10 Metern und einer Länge von 31 Metern um das größte Bauwerk dieser Art aus der nordischen Bronzezeit (ca. 2200-800 v. Chr). Es könnte sich also durchaus um den Ort handeln, an dem der legendäre König Hinz seinen Hofstaat versammelte.

Rituelle Opferungen in der Halle des bronzezeitlichen Herrschers aus Brandenburg

Der Landesarchäologe Franz Schopper nennt die Ausgrabung der Halle einen „ganz dicken, spektakulären Fund“. Die Wände des Baus bestanden aus Holzbohlen und einem Flechtwerk mit Lehmverputz. Das Dach war mit Reet oder Stroh gedeckt. Die ursprüngliche Gebäudehöhe werde auf sieben Meter geschätzt, hieß es weiter. Vermutlich hätten weitere Geschosse zum Wohnen und zur Lagerung existiert. An der nördlichen Längswand sei ein Miniaturgefäß geborgen worden, das als rituelle Opferung gedeutet werde. Ein zweites, kleineres Gebäude direkt neben der freigelegten Halle sei noch nicht vollständig ausgegraben.

Ein Forscher präsentiert einen Teil der um die Halle gefundenen Gegenstände. Darunter befanden sich auch Gefäße, die die bronzezeitlichen Brandenburger wohl für Opferungen nutzten.
Ein Forscher präsentiert einen Teil der um die Halle gefundenen Gegenstände. Darunter befanden sich auch Gefäße, die die bronzezeitlichen Brandenburger wohl für Opferungen nutzten. © DPA Images | Jörg Carstensen

Der Archäologe Immo Heske von der Georg-August-Universität Göttingen, der die Grabungen seit einigen Jahren wissenschaftlich begleitet, datiert das Gebäude zwischen dem 10. und 9. Jahrhundert vor Christus. Aufgrund der enormen Größe dürfte es sich um einen Herrschersitz gehandelt haben. Im Zeitraum von 1800 bis 800 vor Christus gebe es lediglich zwei weitere Gebäude dieser Art zwischen Dänemark und Süddeutschland, sagte Heske.

Vergleichbare Bodenfunde gibt es den Angaben zufolge in Hamburg-Marmstorf, in der Nähe von Brandenburg an der Havel sowie in Klein Bünstorf und Alt Wendischtuhn in Niedersachsen. Die Gebäude seien jedoch wesentlich kleiner als die Seddiner „Halle des Königs“. Die genauen Forschungsergebnisse sollen auch bald der Öffentlichkeit präsentiert werden.

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„Königsrgrab“ von Seddin – Forscher legten einmalige Schätze aus der Bronzezeit frei

Das „Königsgrab“ von Seddin in der Nähe der Versammlungshalle gilt als die bedeutendste Grabanlage des 9. Jahrhunderts vor Christus im nördlichen Mitteleuropa. Kilometerweit soll die ursprünglich 9 Meter hohe Grabanlage zu sehen gewesen sein. Mehrere Male sollen Amateure am Erdhügel nach der sagenhaften Bestattung von „König Hinz“ erfolglos gegraben haben. Erst als am Grabhügel professionell Steine abgebaut wurden, stießen 1899 Arbeiter auf die bronzezeitliche Grabkammer.

Dei dem Bestatten soll es sich um den König des Seddiner Kulturkreises handeln. Dieser wurde wohl in den Tod von zwei jungen Frauen begleitet. Die Forscher fanden entsprechende Urnen mit Überresten einer Brandbestattung. Auch der Leichnahm des Königs wurde wohl verbrannt und in einer prunkvollen bronzenen Amphore in der Grabkammer aufgestellt. Insgesamt 41 Grabbeilagen fanden sich neben der Amphore, darunter aufwendige Trinkgefäße aus Bronze und Ton sowie Miniaturmodelle von bronzezeitlichen Waffen.

Seit dem Jahr 2000 erforschen Archäologen, Geologen und Geophysiker den Grabhügel der Seddiner Oberschicht intensiver. Die jetzt entdeckte Versammlungshalle dürfte der Geschichte der Seddiner Kultur ein neues Teil hinzufügen.

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