Palma. Mallorcas Großgastronomen sagen dem Sauftourismus den Kampf an. Wer am Ballermann feiern will, muss künftig Mindeststandards erfüllen.

In Badehose und Latschen auf der Tanzfläche – das will keiner mehr sehen. Deshalb ist anstößige Kleidung am Ballermann künftig verboten. Genauso wie übermäßiger Alkoholverzehr, Drogenkonsum – und Gewalt sowieso. Die bei deutschen Urlaubern so beliebte Partymeile erteilt dem Sauftourismus eine weitere, deutliche Absage.

Bemerkenswert: Der neue Benimmkodex wird ausgerechnet von denen aufgestellt, die sich jahrzehntelang eine goldene Nase an den Volltrunkenen verdient haben – den Clubs.

Carlos Lucio weiß, warum das so ist. Der 42-Jährige ist Direktor im Megapark, einem großen Partykomplex direkt in erster Meereslinie. Nicht weit davon entfernt ging der Spanier einst zur Schule. Gleich um die Ecke vom Bierkönig, der schon in den 90ern um die Mittagszeit von harten Zechern bevölkert wurde.

Lucio kennt also das Feierviertel und weiß, dass Touristen für Einheimische eine Zumutung sein können: „Das Schlimmste am Ballermann sind nicht die Betrunkenen“, sagt er. „Das Schlimmste sind die Betrunkenen mit Megafon.“ Lesen Sie hier:Die neue Freiheit auf Mallorca

Mallorca: Der Megapark geht voran

Der Megapark ist einer der Clubs, die mit Verhaltensregeln den berüchtigten Sauftourismus endlich in den Griff bekommen wollen. Die Diskotheken wollen im Rahmen dieses Vorhabens stärker zusammenarbeiten. Wer zum Beispiel in einer Kneipe Hausverbot erhält, soll nicht so einfach in die nächste Bar schlendern können. Auch soll ein direkter Draht zur Polizeiwache an der Playa de Palma eingerichtet werden. Nur: Ganz neu sind die Bemühungen nicht.

Feierstimmung im Bierkönig: So ging es vor der Pandemie zu. Künftig sollen sich die Urlauber wenigstens ein T-Shirt anziehen.
Feierstimmung im Bierkönig: So ging es vor der Pandemie zu. Künftig sollen sich die Urlauber wenigstens ein T-Shirt anziehen. © Getty Images | Sean Gallup

Es gibt wohl kaum einen touristischen Ort in Europa, der derartig reglementiert ist wie der Ballermann. Seit 30 Jahren erlässt das Rathaus von Palma immer neue Dekrete, um den Sufftourismus zu unterbinden. Schon 1993 wurde ein Trinkverbot aus Eimern erlassen – was dazu führte, dass dieser Urlaubsquatsch zum Kult wurde.

Es folgten harte Lärmschutzverordnungen, Trinkverbote, Verordnungen gegen Massenbesäufnisse, Erlasse gegen das Wildpinkeln, gegen Glasflaschen und Musikanlagen am Strand. Genutzt hat das freilich alles nichts. Am Ballermann benehmen sich viele, als würde es kein Morgen geben. Auch interessant:Mallorca: Ärger um private Corona-Impfungen für Deutsche

Ballermann-Clubs Megapark, Bierkönig und Bamboleo unter druck

Carlos Lucio ist sich im Klaren darüber, dass nicht nur Touristen der Politik als Hauptverdächtige in der Causa Alkoholexzesse gelten. In den letzten Jahren gerieten auch die großen Clubs beim Kampf der Behörden gegen die Unzüchtigkeit in den Fokus.

Kein Wunder: Bis 2014 gab es etwa in der Diskothek Paradies Veranstaltungen, bei denen tief in der Nacht Touristen mit vermeintlichen Pornostars Sex auf der Bühne haben durften, toleriert von den Behörden. Doch damit ist es vorbei. Zwei Betreiber, die im Verdacht standen und stehen, über Jahrzehnte Polizei und Politik geschmiert zu haben, wurden festgenommen. Die Clubs sind mittlerweile in der Defensive.

Besonders den großen Partytempeln Megapark, Bierkönig und Bamboleo setzten die Behörden hart zu. Der Megapark wurde per Verordnung sogar halbiert. Die Regierung sendet deutliche Signale. Einer der schönsten Strände Europas dürfe nicht mehr den wilden, trunkenen Horden überlassen werden. Falls die Großgastronomen nicht mitspielen, werde man zur Not Mittel und Wege finden, ihnen den Garaus zu machen. Mehr zum Thema:Warum Mallorca zur Luxus-Fluchtinsel des Corona-Jetset wird

Mallorcas Clubbetreiber müssen Taten folgen lassen

Deshalb dürften sie in Palmas Rathaus kaum überrascht gewesen sein, dass Abone, der für das Nachtleben zuständige Verband, jetzt in einer Art vorauseilendem Gehorsam in die Offensive gegangen ist. Während die Kleiderordnung nicht allzu streng ausfällt und die Gäste laut Lucio einfach ein T-Shirt tragen sollen, wird rassistisches, gewalttätiges und unzivilisiertes Verhalten nicht mehr geduldet.

Eine Szene wie 2017, als deutsche Neonazis mit Reichskriegsflagge ein Konzert der Bierkönig-Künstlerin Mia Julia (35) störten, soll sich nicht wiederholen.

Die Beschlüsse bedeuten eine Zeitenwende. Bisher war das Nachtleben am Ballermann geprägt von einem hartem Konkurrenzkampf der Clubbetreiber. Der jetzige Schulterschluss untereinander zeigt, wie sehr den Gastronomen bewusst ist, dass es auch um ihre Existenz geht. Sie müssen ihren Bekenntnissen nun Taten folgen lassen. Sonst könnte die anstehende Saison ihre letzte sein.

Dieser Text ist zuerst auf www.morgenpost.de erschienen