Berlin. Zwei Menschen mussten nach Corona-Auffrischungsimpfungen wiederbelebt werden. Ob ein ursächlicher Zusammenhang besteht, ist unklar.

  • Ein angeblicher Todesfall nach einer Booster-Impfung in einem Seniorenheim sorgte vor ein paar Tagen für Wirbel
  • Dabei wurde die Person gar nicht geimpft
  • Zwei Personen mussten wiederbelebt werden - ein Zusammenhang ist nicht belegt

Aufregung in Oberhausen: In einem Seniorenheim kam es nach Drittimpfungen am 1. September zu gesundheitlichen Auffälligkeiten unter einigen Bewohnerinnen und Bewohnern. Medienberichte über einen Todesfall im Zusammenhang mit den Impfungen erwiesen sich allerdings als falsch. "Die Person, die leider verstorben ist, war palliativ und wurde vorher nicht geimpft", teilte die Stadt Oberhausen zu den Vorfällen am Mittwoch mit.

Gleichwohl sei es drei Tage nach der verabreichten Auffrischungsimpfung mit dem Corona-Impfstoff des Herstellers Biontech/Pfizer bei neun von 90 geimpften Personen zu "auffälligen gesundheitlichen Störungen gekommen". Im Wesentlichen seien Herz-Kreislaufbeschwerden sowie Atemwegs- und neurologische Störungen aufgetreten.

Zwei der betroffenen Personen mussten demnach wiederbelebt werden. Wie die Stadt Oberhausen weiter mitteilte, wurden beide zunächst intensivmedizinisch behandelt, konnten die Station inzwischen aber wieder verlassen. "Erfreulicherweise geht es beiden Patienten gesundheitlich wieder besser", heißt es in der Mitteilung der Stadt.

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    Verdacht auf unerwünschte Impfnebenwirkungen

    Wie die Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein (KVNO) am Mittwoch mitteilte, waren die beiden Personen vorerkrankt. Die Impfungen seien von einer erfahrenen Ärztin durchgeführt worden. Ob die Impfungen die Reanimation der beiden Personen notwendig gemacht hatten, ist demnach unklar. "Ein ursächlicher Zusammenhang zwischen den Reanimationen und den verabreichten Auffrischungsimpfungen ist nach unseren Informationen bislang nicht belegt", heißt es von Seiten der KVNO.

    Einige Geimpfte hätten in den Tagen nach der Drittimpfung über "geringfügige Reaktionen" berichtet, "wie sie zum Beispiel auch nach der Erst- und Zweitimpfung auftreten". Weitere solche Fälle sind der KVNO demnach nicht bekannt. Insgesamt seien in ihrem Bereich bis zum 7. September 11.441 Auffrischungsimpfungen durchgeführt worden.

    Vom Gesundheitsamt der Stadt Oberhausen heißt es zu den Vorfällen, dass die Ursache für die gesundheitlichen Zwischenfälle derzeit "nicht abschließend gedeutet werden können". Die Fälle seien "als Verdacht auf eine unerwünschte Impfnebenwirkung" an das zuständige Paul-Ehrlich-Institut gemeldet worden.

    Wem Auffrischungsimpfungen angeboten werden

    Auffrischungsimpfungen werden nach einem Beschluss der Gesundheitsministerinnen und -minister der Bundesländer seit dem 1. September jenen Menschen angeboten, bei denen nach vollständiger Impfung unter Umständen keine ausreichende oder eine schnell nachlassende Immunantwort vorliegt.

    Zum fraglichen Personenkreis gehören dabei unter anderem Bewohnerinnen und Bewohner von Pflegeeinrichtungen, Patienten mit einer Immunschwäche oder Immunsuppression und Hochbetagte ab 80 Jahren. Auch Menschen, die zu Beginn der Impfkampagne mit dem Astrazeneca-Vakzin geimpft wurden – etwa Ärztinnen oder Krankenpfleger – sollen eine Auffrischungsimpfung erhalten können. Zum Einsatz kommen in allen Fällen die mRNA-Impfstoffe der Hersteller Biontech/Pfizer und Moderna.

    Zwischen zweiter und dritter Impfung müssen mindestens sechs Monate vergangen sein. Die Impfungen sollten zudem nach ärztlichem Ermessen und individueller Abwägung erfolgen. Eine Empfehlung der Ständigen Impfkommission (Stiko) zu Auffrischungsimpfungen liegt noch nicht vor, steht aber laut Stiko-Chef Thomas Mertens unmittelbar bevor.

    Auch ohne vorliegende Empfehlung verteidigte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) den Beginn der Auffrischungsimpfungen. Der Minister sprach von vorsorglichem Handeln, das Menschenleben schütze. "Es gibt bereits viele Studien, die eindeutig belegen, dass Boosterimpfungen für Hochbetagte, Pflege­bedürftige und Menschen mit bestimmten Immun­erkrankungen Sinn machen", argumentierte der CDU-Politiker.

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      Auffrischungsimpfung für bestimmte Gruppen sinnvoll

      Je nach Zielgruppe ist der Nutzen einer Auffrischungsimpfung umstritten. Klar scheint, dass Alte und Kranke von ihr profitieren. So heißt es in einer Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Infektiologie (DGI) etwa, dass eine dritte Impfung bei Personen ab dem 80. Lebensjahr oder Patienten mit Immunsuppression "vermutlich eine zusätzliche Schutzwirkung erreichen könnte".

      DGI-Vorsitzernder Bernd Salzberger sagte unserer Redaktion am Donnerstag dazu, dass in der Altersgruppe über 80 Jahren der Abfall der Konzentration von Antikörpern im Blut, der sogenannte Impftiter, bisher rasch sei. "Dies ist neben der hohen Gefährdung durch eine Covid-19-Erkrankung ein möglicher Grund, eine Auffrischungsimpfung anzubieten", so Salzberger. Schwere Impfnebenwirkungen nach einer dritten Impfung seien in dieser Altersgruppe bisher sehr selten. Auch bei der Risikogruppe der Patienten mit Krankheiten am Immunsystem "ist eine dritte Impfung nach den bisherigen Daten sicher".

      Andreas Gassen, Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), hält Auffrischungsimpfungen für Ältere und Risikogruppen für sinnvoll. "Das zeigen auch die wissenschaftlichen Daten", sagte Gassen nach dem Beschluss der Gesundheitsministerkonferenz zu Drittimpfungen im August. Allerdings schränkte Gassen unserer Redaktion gegenüber ein, es müsse klar sein, dass "wir bei beiden Gruppen auch nach der dritten Impfung wahrscheinlich keine starke optimale Immunantwort sehen werden".

      Keine Eile für Jüngere und Gesunde

      Für gesunde oder junge Menschen ruft die DGI allerdings zu Zurückhaltung bei einer möglichen dritten Impfung auf – vor allem im Hinblick auf die weltweite Verfügbarkeit von Impfstoffen. In vielen Ländern seien Impfstoffe nicht erhältlich, während "wir über eine dritte Impfung reden, die für die Delta-Welle vermutlich keinen epidemiologischen Einfluss hat”, so Salzberger. Das Argument, verfallende Impfdosen seien vorhanden, schlage nur auf Deutschland zurück, "als Organisationsversagen im Umgang mit einer wertvollen Ressource".

      Auch der Vorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein, Frank Bergmann, verweist in einem Statement darauf, dass es keine Eile für Drittimpfungen gebe. "Der Impfschutz baut sich nach einer vollständigen Immunisierung nur sehr langsam ab und endet nicht abrupt von heute auf morgen." Zwar sei eine baldige Empfehlung der Stiko zu Auffrischungsimpfungen wünschenswert. Ein generelles Aussetzen von Auffrischungsimpfungen sei allerdings aufgrund der Vorfälle in Oberhausen nicht notwendig.