Berlin. Der Milliardär und TV-Investor spricht offen über seine Tablettensucht und Depressionen – und promotet nebenbei auch sein neues Buch.

Carsten Maschmeyer ist mitten in der Nacht aufgestanden. Trotzdem wirkt der 62-Jährige hellwach und ist hochkonzentriert, als unsere Redaktion ihn trifft, um über das dunkelste Kapitel seines Lebens zu sprechen. Dass er wieder so energiegeladen rüberkommt, ist für den Milliardär ein Erfolg. Denn Maschmeyer war jahrelang süchtig nach Schlaftabletten.

Als er das vor einigen Tagen in den sozialen Netzwerken beichtete, waren viele Bewunderer des selbstbewussten Star-Unternehmers verdutzt: Ausgerechnet Maschmeyer, bekannt aus der TV-Investorenshow „Die Höhle der Löwen“, der sich selbst als Workaholic beschreibt?

Maschmeyer hat eingewilligt, ausführlich über seine Abhängigkeit zu sprechen. Er mache seine Geschichte öffentlich, um andere vor Überarbeitung, Burnout und Tablettensucht zu bewahren. Was er nicht so deutlich sagt: Maschmeyer, der ewige Geschäftsmann, will auch sein neues Ratgeberbuch „Die sechs Elemente des Erfolgs“ verkaufen, in dem er unter anderem über die Schattenseiten seines Lebens schreibt.

Maschmeyer arbeitet viel – und wird tablettensüchtig

Der in einfachen Verhältnissen in Hildesheim aufgewachsene Niedersachse erzählt, dass er zu Beginn des Jahrtausends nur für seinen Beruf lebt. „Ich hatte überhaupt keinen Ausgleich mehr.“ Er habe gearbeitet und gearbeitet, an manchen Tagen 18 Stunden lang. Damals ist er Vorstandsvorsitzender des als skrupellos kritisierten Hannoveraner Finanzdienstleisters AWD.

2003 zieht seine damalige Frau aus und nimmt die beiden gemeinsamen Söhne mit. „Ich kam nach Hause, betrachtete die leeren Kinderzimmer, keiner war mehr da“, erzählt Maschmeyer. Sein Privatleben habe in Trümmern gelegen. Kurz darauf verschreibt ihm sein Hausarzt das Schlafmittel Stilnox - wegen Einschlafschwierigkeiten.

Sein Arzt habe es gut gemeint. „Aber er hätte eigentlich einen Burnout diagnostizieren müssen.“ Maschmeyer wird süchtig nach den Pillen, verliert zunehmend die Kontrolle.

Bis zu 50 Schlaftabletten pro Tag

Er nimmt die Medikamente über Jahre hinweg, teils in ungeheuren Mengen. Reichte am Anfang eine halbe Tablette, steigert er die tägliche Dosis bis zum Frühjahr 2010 auf bis zu 50 Tabletten. „Meine Ärzte haben gesagt, wenn sie eine solche Tagesdosis nehmen würden, wären sie wenige Stunden später auf der Intensivstation und dann auf dem Friedhof.“ Sein Körper hatte sich an die Tabletten gewöhnt – litt jedoch an neurologischen Ausfallerscheinungen. Maschmeyer beginnt zu lallen, sein Gedächtnis lässt nach.

„Ich habe dann natürlich auch ein bisschen geschummelt“, gibt er zu. „Habe dem Hausarzt nicht gesagt, dass der Internist mir auch welche gibt. Auch die Psychologin gab mir welche. Und der Apotheker, den ich schon 20 Jahre hatte. Dem habe ich gesagt: ‚Du hast doch die Rezepte schon gesehen, die muss ich doch nicht jedes Mal zeigen.‘“ Weil das nicht reichte, beschaffte ein Hausangestellter ihm noch größere Mengen – vermutlich auf dem Schwarzmarkt.

Veronica Ferres bringt ihn in einer Entzugsklinik unter

Im Frühjahr 2009 lernt Maschmeyer seine jetzige Ehefrau, die Schauspielerin Veronica Ferres (56), kennen. „Da war ich bei zwei Tabletten, aber die waren beschränkt auf die Nacht“, erinnert er sich. „Ich habe ihr das nach ein paar Wochen gebeichtet. Habe gesagt, durch die Einsamkeit, den Stress, den Börsendruck, nehme ich Schlaftabletten. Ich will davon aber wegkommen. Und so war es auch. Doch das habe ich damals nicht geschafft.“ Stattdessen habe es Streit gegeben.

Maschmeyer rutscht in eine Depression, hat sogar Selbstmordgedanken – eine Nebenwirkung seiner Schlaftabletten, wie er heute weiß. Ferres ist es schließlich, die ihn unter falscher Identität in einer Entzugsklinik unterbringt. Dort nennt man ihn Herr Saphir. Will Ferres ihn besuchen kommen, setzt sie Perücke und Sonnenbrille auf, um nicht erkannt zu werden.

Carsten Maschmeyer bezeichnet seine Frau Veronica Ferres als seine Lebensretterin.
Carsten Maschmeyer bezeichnet seine Frau Veronica Ferres als seine Lebensretterin. © Sven Simon/Imago

Er spricht sich mit seinen Kindern aus

Seine Kinder hatten rund ein Jahr lang „einen schlafenden Vater“, wie er sagt. „Nach jedem Frühstück oder Mittagessen habe ich gesagt: ‚Mir ist nicht so gut.‘ Dann habe ich mir Tabletten eingeworfen und mich wieder hingelegt.“ Seine Kinder hätten damals nicht verstanden, dass er sich scheinbar nicht für sie interessiere. Inzwischen hätten sie sich ausgesprochen. „Gerade jetzt am Sonntag habe ich mit allen drei Kindern telefoniert und habe ihnen nochmals gesagt, ich möchte mich für diese Phase entschuldigen.“

Mittlerweile hat Maschmeyer die Sucht überwunden, beteuert er. Hat wieder die Kontrolle über sein Leben und seine Außenwirkung. Zum Gesprächstermin bringt er eigens eine Visagistin mit, die ihn noch einmal abpudert und ihm den Kragen richtet, bevor er gefilmt und fotografiert wird.

Maschmeyer, der selbsternannte Erfolgsmensch, hat sogar Profit aus seiner Sucht gezogen: Mit seinem Arzt aus der Entzugsklink gründete er ein Unternehmen, das personalisierte Therapien bei psychischen Krankheiten entwickelt. Maschmeyer ist wieder der alte.

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