Berlin. Der Virologe erklärte, dass er sich trotz Impfung künftig mit dem Coronavirus infizieren wolle. Das Zitat wird im Netz missverstanden.

  • Eine aus dem Kontext gerissene Aussage von Christian Drosten sorgt für Wirbel
  • Im NDR-Podcast sagte der Virologe, dass es irgendwann sein Ziel sei, sich mit dem Coronavirus zu infizieren
  • Wie meinte er das? Wir erklären, um was es geht

Eine Aussage des bekannten Virologen Christian Drosten sorgt im Netz für Wirbel. Denn in der aktuellen Ausgabe des NDR-Podcasts "Coronavirus-Update" spricht der Wissenschaftler davon, dass es sein Ziel sei, sich trotz seiner Covid-19-Impfung in Zukunft mit dem Virus zu infizieren, um sich besser zu immunisieren.

Impfgegner jubeln in den sozialen Netzwerken. Ein Top-Virologe, der zugibt, dass nur eine Corona-Infektion vollständigen Schutz bietet? Das hat Drosten tatsächlich auch nicht gesagt. Vielmehr wurde die Aussage des Corona-Experten, die er in dem rund zweistündigen Podcast vom vergangenen Freitag traf, aus dem Kontext gerissen.

Drosten: Pandemie muss sich zur Endemie entwickeln

Denn Drosten formulierte keineswegs, dass man zugunsten einer Infektion auf die doppelte Corona-Impfung verzichten sollte. Der Virologe erklärte eher, wie künftig das Leben mit dem Coronavirus aussehen könnte. In dem Gesprächsabschnitt, der jetzt im Netz viel zitiert wird, ging es darum, wie sich die aktuelle Pandemie-Lage durch Impfungen und die dadurch zunehmende Bevölkerungsimmunität in eine sogenannte endemische Situation – wie beispielsweise bei Erkältungs- oder Grippeviren – entwickeln könnte.

Von einer Endemie sprechen Wissenschaftler, wenn Fälle einer Krankheit in einer Population fortwährend gehäuft auftreten. Laut Drosten sei es in der aktuellen Lage weiterhin von größter Bedeutung, "gegen das Virus anzuimpfen". Nur so könnten genug Menschen eine Immunität entwickeln, die selbst bei den seltenen Impfdurchbrüchen einen schweren Krankheitsverlauf bei Covid-19 verhindern kann. Durch eine ausreichend hohe Impfquote könne zudem die Verbreitung des Coronavirus ausreichend eingedämmt werden.

Immunisierung könnte in Zukunft auch durch Booster-Infektion stattfinden

"Aber eigentlich ist es nicht das Ziel für alle Zeiten, immer impfen zu müssen", erklärte der Virologe in dem NDR-Podcast. Aus seiner Sicht gehe die Mehrheit der Infektionsbiologen und Mediziner bei Corona davon aus, dass man in eine endemische Situation kommen müsse – anstatt immer wieder gegen das aktuelle Coronavirus nachzuimpfen.

Das individuelle "Immun-Update, also die Booster-Immunisierung" werde dann durch immer wiederkehrende Kontakte mit dem Virus erfolgen. Dadurch werde die Bevölkerungsimmunität auch immer belastbarer, da sich bei einer Infektion eine Schleimhautimmunität bilde, die ortsständig sei.

Drosten: "Ich will irgendwann meine erste allgemeine Infektion haben"

Vor allem eine von Drostens Aussagen in Bezug auf sich selbst sorgt für Diskussionen: "Mein Ziel als Virologe Drosten, wie ich jetzt gerne immun werden will, ist: Ich will eine Impfimmunität haben und darauf aufsattelnd will ich dann aber durchaus irgendwann meine erste allgemeine Infektion und die zweite und die dritte haben."

Virologe Christian Drosten.
Virologe Christian Drosten.

Weiter erklärte Drosten: "Dann weiß ich, bin ich richtig langhaltig belastbar immun und werde nur noch alle paar Jahre überhaupt mal dieses Virus sehen, genau wie ich die anderen Coronaviren auch immer mal wieder sehe. Das kann ich als relativ gesunder Erwachsener so für mich verantworten." Es gäbe natürlich Bevölkerungsgruppen, die dies nicht könnten – Drosten spielt hier vor allem auf ältere Menschen und Personen mit geschwächtem Immunsystem an. Im Laufe des Podcasts erklärte er erneut, dass die Schutzwirkung der Impfung bei diesen Gruppen im zeitlichen Verlauf stark abnehmen würde – und diese Menschen gleichzeitig bei einer Infektion besonders gefährdet wären.

Corona-Impfung bleibt Schlüssel zur Bekämpfung der Pandemie

"Ich kann das für mich selbst, für meine eigene Gesundheit auch nur verantworten, weil ich jetzt zweifach geimpft bin. Und ich muss zugeben, ich wäre gerne auch noch ein drittes Mal geimpft", stellt Drosten klar. Auch im Kontext seiner vorherigen Erläuterungen wird so deutlich, dass Drosten eben nicht meint, dass eine Infektion besseren Schutz biete als die Impfung gegen Covid-19. Vielmehr geht es ihm darum, aufzuzeigen, wie sich das Coronavirus durch eine ausreichende Impfquote zu einem normal umgehenden Krankheitserreger entwickeln könnte.

Auch wenn der Viruskontakt laut Christian Drosten eine wichtige Rolle im weiteren Verlauf der Pandemie spielen könnte: Der Virologe sieht den Schlüssel zur Bekämpfung des Virus auch weiterhin im Impfen. "Man könnte diese Pandemie wegimpfen", so der Virologe im "Coronavirus-Update". Dafür hält der Corona-Forscher allerdings eine Impfquote von über 90 Prozent für nötig. Das klingt nach aktuellem Stand unmachbar. Vor allem da bisher nur knapp über 60 Prozent der zu impfenden Bevölkerung in Deutschland vollständig geimpft sind. Drosten rechnet daher im Herbst mit neuen Kontaktbeschränkungen.

Drostens Aussage wird von Impfgegnern aus dem Kontext gerissen.
Drostens Aussage wird von Impfgegnern aus dem Kontext gerissen. © dpa

Drosten-Aussage: Das sagt Karl Lauterbach dazu

Angesichts der Diskussion um das Drosten-Zitat warnte der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach im Gespräch mit unserer Redaktion vollständig gegen Corona geimpfte Personen davor, sich mit dem Virus zu infizieren, um den Immunschutz zu erhöhen. "Es ist richtig, dass eine Corona-Infektion nach einer doppelten Impfung die Immunität abrundet. Aber ich würde niemandem empfehlen, sich freiwillig zu infizieren oder eine Ansteckung auch nur zu riskieren."

Lauterbach nannte drei Argumente dafür, eine Infektion zu vermeiden. "Auch vollständig Geimpfte können mit schweren Verläufen ins Krankenhaus kommen. Außerdem gibt es das Risiko von Long Covid auch bei Geimpften", sagte er. "Und drittens vergrößert eine solche Praxis die Gefahr für alle Ungeimpften auf eine riskante Art und Weise."

(mit gau)