Berlin. Jens Spahn will gegen Herbst oder Winter allen Bürgern eine Auffrischungsimpfung anbieten können. Für wen könnte das von Vorteil sein?

  • Um dauerhaft gegen das Coronavirus geschützt zu sein, muss die Impfung in regelmäßigen Abständen aufgefrischt werden
  • Details zu den erneuten Impfungen gibt es bisher kaum
  • Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) betont dennoch, Deutschland sei gerüstet

Die Ständige Impfkomission (Stiko) in Deutschland empfiehlt seit Donnerstag auch Menschen über 60 Jahren die Zweitimpfung mit einem mRNA-Impfstoff, wenn die Erstimpfung mit dem Vakzin von Astrazeneca durchgeführt wurde. Wie Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) auf einer Pressekonferenz bekannt gab, wird die Bundesregierung dieser Empfehlung folgen.

Doch auch zu eventuell bevorstehenden Auffrischungsimpfungen der Corona-Impfung gab Spahn Auskunft. Doch noch sind einige Fragen offen. Für wen würde sich eine dritte Dosis empfehlen und sind dann auch wieder Kreuzimpfungen die bessere Wahl? Erst Astrazeneca, dann Moderna und wieder zurück – ist der dreifache Impfstoffwechsel unbedenklich?

Die Kreuzimpfung soll laut Experten und Studien bei zwei Impfungen einen besseren Schutz vor Corona bieten, als die auschließliche Impfung mit dem Vektor-Impfstoff von Astrazeneca. Zudem soll auch der Abstand zwischen den beiden Impfungen verkürzt werden, da nur eine Impfdosis laut verschiedenen Studien keinen ausreichenden Schutz vor der Delta-Variante bietet.

Spahn sieht Deutschland für Auffrischungsimpfungen gerüstet

Auch wenn zur Zeit noch einiges unklar ist – Spahn sieht Deutschland für die Drittimpfungen gerüstet. Noch würden Bundesgesundheitsministerium, Stiko, Robert Koch-Institut und Paul-Ehrlich-Institut die Datenlage prüfen. Ob nun eine Auffrischung generell, für Risikgruppen "oder bei bestimmten Impfstoffen" nötig sein wird, wolle man nun gemeinsam beratschlagen, sagte Spahn. Bis August solle diese Frage geklärt sein, um im Herbst oder Winter mit der dritten Runde beginnen zu können. Impfstoff werde jedenfalls für alle Eventualitäten und Empfehlungen vorhanden sein.

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    Wenn es nach dem Bundesgesundheitsminister geht, soll allen, die es wünschen, eine Auffrischungsimpfung angeboten werden können. Er würde sich im Zweifel auch selbst ein drittes Mal impfen lassen, wenn die Datengrundlage bestätigen würde, "dass der Schutz dann besser ist." Doch wie ist die Datengrundlage bisher?

    Dritte Impfung: Risikogruppen im Fokus

    Es deutet sich bereits an, dass Auffrischungsimpfungen vor allem für Risikopatienten, wie ältere Menschen oder Personen mit Vorerkrankungen sinnvoll sein könnten. In Studien habe sich gezeigt, dass Menschen ab 80 Jahren auch nach einer Zweitimpfung eine leicht reduzierte Immunantwort zeigen, sagte der Infektionsimmunologe Leif Erik Sander von der Berliner Charité. Um einen "Jo-Jo-Effekt" in Altersheimen während des Winterhalbjahres zu verhindern, seien Auffrischungsimpfungen notwendig.

    Professorin Christine Falk, Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Immunologie, rät auch dazu vulnerable Gruppen mit einzubeziehen: "Von Menschen mit Transplantaten wissen wir, dass sie meist eine ganz schlechte Immunantwort auf die Impfungen haben. Eine Studie aus Cleveland hat uns nun gezeigt, dass eine dritte Impfung den Schutz bei diesen Menschen wesentlich erhöhen kann."

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      Tipp für Risikopatienten: Impfschutz ist testbar

      Doch auch bei Risikopatienten kann die Immunantwort auf den Impfstoff unterschiedlich ausfallen. Nicht jeder benötigt automatisch eine Auffrischungsimpfung. "Wer sich als vorerkrankter Mensch oder Risikopatient unsicher ist, kann beim Hausarzt auch einen Antikörper-Test auf das Spike-Protein machen. Dadurch erfährt er oder sie, wie gut sein Impfschutz ist und ob eine dritte Impfung ratsam wäre", rät Falk.

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      Die dritte Impfung könne auch in jedem Fall in Kombination mit anderen Impfstoffen vom ersten und zweiten Mal verabreicht werden, sagt Falk. "Die jetzt zugelassenen Impfstoffe, ob Vektor oder mRNA, bilden alle das identische Spike-Protein. Was da als Antigen gebildet wird, ist also bei allen identisch."

      Unabhängig davon ob zuerst ein mRNA-Vakzin und dann Astrazeneca oder umgekehrt verimpft worden sei, sei eine weitere Kombination bei der dritten Impfung unbedenklich, so Falk.

      Kreuzimpfungen könnte auch bei Auffrischungen von Vorteil sein

      Laut Infektionsimmunologe Sander könnten bestimmte Kombinationen bei der Auffrischung sogar einen Vorteil bringen. Vermutlich werde man die Vektorimpfstoffe wie den von Astrazeneca nach zweimaliger Impfung nicht noch ein drittes Mal geben. "Denn es baut sich auch eine sogenannte Vektor-Immunität auf, die die Impfwirkung abschwächt. Ich glaube, dass wir hier dann mit einem mRNA-Impfstoff wie Biontech/Pfizer oder Moderna kommen sollten." Und auch umgekehrt. Die besten Kombinationen müssten aber noch in Studien gezeigt werden. Booster-Impfungen kämen häufig auch mit rund der Hälfte der Dosis aus.

      Biologin Falk stimmt zu. Sie warnt aber davor, den Impfstoff von Astrazeneca nach der neuen Empfehlung der Stiko schlechter dastehen zu lassen, als er ist. Dafür müsse man die zugrunde liegende Studie aus Spanien genauer betrachten. Die Kombination aus erster Dosis mRNA-Impfstoff und zweiter Dosis Astrazeneca nur nicht so gut funktioniert, weil der Zeitabstand dazwischen auf vier Wochen verkürzt wurde und die Impfstoffe etwas unterschiedliche Wirkmechanismen anstoßen würden."Wir wissen aber von Astrazeneca, dass es einen längeren Abstand von 9 bis 12 zwischen den Impfungen braucht, um die bestmögliche Immunantwort zu erzeugen."

      Bei der Auffrischung dürfte das jedoch kein Problem sein, sagt Falk. "In eine dritte Impfung würden die Betroffenen teilweise Monate nach ihrer zweiten Impfung gehen."

      Studie: Moderna und Biontech könnten jahrelang schützen

      Was ist nun aber mit Menschen bei denen nicht von einer schwachen Immunantwort auf erste und zweite Impfung ausgegangen werden kann? Sander sieht jedenfalls keine Notwendigkeit für Auffrischungsimpfungen bei jüngeren und gesunden Menschen.

      Noch ist die Datenlage aber unklar, wie lange der Schutz der verschiedenen Impfstoffe hält, betont auch der Vorsitzende der Stiko, Thomas Mertens. "Die Daten dazu, wer wann erneut geimpft werden sollte, sind noch etwas unsicher", sagt er. "Wir erwarten mehr Anhaltspunkte zur Dauer der Immunantwort nach einer Impfung bis zum August."

      Eine neue Studie der Washington University School of Medicine hält zumindest für mRNA-Impfstoffe gute Nachrichten bereit. Laut den Forschern würden Biontech und Moderna eine derart hohe Bildung von Antikörpern anregen, dass der Schutz sogar jahrelang halten könnte – auch gegen Delta und andere bisherige Mutationen. (mit dpa)