Berlin. In Deutschland steigen die Corona-Zahlen wieder an. Andere Länder haben diese Phase schon hinter sich – was kann man von ihnen lernen?

  • Deutschland gilt international als Vorbild in der Corona-Bekämpfung
  • Dennoch steigen die Zahlen laut RKI aktuell wieder an
  • Andere Länder haben diese Phase bereits hinter sich – was können wir aus ihren Erfahrungen lernen?

Lange Zeit galt Deutschland als Fels in der Corona-Brandung. Krise war anderswo. Doch nun steigt auch hierzulande die Zahl der Neuinfektionen immer schneller – Folge der hoch aggressiven Delta-Variante. Am Donnerstag registrierte das Robert-Koch-Institut (RKI) 12.626 Neuansteckungen innerhalb von 24 Stunden. Vor einer Woche waren es noch 8400 neue Fälle.

Die ersten Experten warnen bereits vor deutlich mehr als 100.000 Neuinfektionen bis Ende Oktober. Wie versuchen andere Länder, das Virus in den Griff zu kriegen? Was kann Deutschland von ihnen lernen? Ein Überblick.

Corona in Italien: Mit Ampelsystem zum Erfolg

Es war ein Sommer der Corona-Sünden: In Italien tummelten sich Menschenmengen am Strand, die Restaurants waren proppenvoll. Doch nun bemüht sich die Regierung, die Verbreitung des Coronavirus einzudämmen. Zwar gibt es keine Impfpflicht, aber für den Innenbereich von Restaurants und für Kino-, Theater- und Stadionbesuche muss der entsprechende QR-Code nachgewiesen werden.

Fast 60 Prozent der Italiener sind vollständig geimpft. Ab September muss die Corona-Impfung auch bei Flugreisen, Zugfahrten und auf Fähren vorgelegt werden. Bereits im Juli wurde das Gesundheitspersonal zur Immunisierung verpflichtet. Um den Schulunterricht im September wieder mit vollen Klassen zu gewährleisten, müssen sich alle Lehrer impfen lassen.

Für die Einreise brauchen ungeimpfte Personen einen negativen Corona-Test.
Für die Einreise brauchen ungeimpfte Personen einen negativen Corona-Test. © Alessandro Crinari/KEYSTONE/Ti-Press/dpa

Italien hat das Virus einigermaßen in den Griff bekommen. Täglich gibt es rund 7500 Neuinfektionen, die Sieben-Tage-Inzidenz liegt bei knapp über 75. Italien klammert sich nicht fest an den Richtwert der Inzidenz, wie dies lange Zeit in Deutschland der Fall war. Stattdessen gibt es ein Ampelsystem, das die Stufen „grün“, „gelb“ und „rot“ aufweist. Maßgebend sind mehrere Kriterien, die von der Inzidenz über die Zahl der Neuinfektionen bis zur Belegung von Krankenhäusern reichen. In Deutschland wird ein solches System diskutiert, aber bislang auf nationaler Ebene nicht umgesetzt.

Partyverbot im Sommer: Spaniens Corona-Strategie

Spanien war zusammen mit Portugal das EU-Land, in dem sich die Delta-Viruswelle zuerst aufbaute, bevor sie Richtung Norden schwappte. Ende Juli hatte das Königreich eine Inzidenz von 400. Nun bewegt sie sich um den Wert 150. Ohne Spaniens relativ hohe Impfquote wäre es schlimmer: Inzwischen haben 69 Prozent der Bevölkerung den vollen Schutz – mehr als in Deutschland (60 Prozent).

Was hat Spanien gegen Delta unternommen? Nächtliche Zusammentreffen mit viel Alkohol waren als Infektionsherd identifiziert worden. In Deutschland würde dies zu heftigen Kontroversen führen.

Touristen in Palma de Mallorca: Die strengen Quarantäne-Regeln nach einem Spanien-Urlaub sollen bald wegfallen.
Touristen in Palma de Mallorca: Die strengen Quarantäne-Regeln nach einem Spanien-Urlaub sollen bald wegfallen. © Clara Margais/dpa | Clara Margais/dpa

Impfturbo gegen Delta: So ging Israel vor

Zu Beginn des Sommers verzeichnete der „Impfweltmeister“ Israel so viele Corona-Kranke wie im Rekordmonat Januar. Am Dienstag wurden über 10.000 neue Fälle registriert – ganz knapp unter dem bisherigen Rekordwert. Die Inzidenz ist auf knapp 650 geklettert.

Israelis können sich zum dritten Mal impfen lassen

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    Trotzdem ist von Lockdown und Schulschließung keine Rede. Ein Grund dafür besteht darin, dass die Impfungen wirken – rund 63 Prozent der Israelis haben den zweiten Schuss bereits bekommen. Zwar gibt es heute mehr Covid-19-Patienten als zu Beginn der Impfkampagne im Januar. Sie werden aber seltener schwer krank. Lesen Sie auch: Corona trotz Schutz: So gefährlich ist ein Impfdurchbruch

    Israel tritt nun aufs Gaspedal: Impfstationen haben bis vier Uhr früh geöffnet. Schüler ab zwölf Jahren sollen direkt in der Schule geimpft werden können. Die dritte Impfung ist für alle über 40-Jährigen geöffnet, ab kommender Woche auch für alle ab 30.

    Konsequenz des Impfturbos: Die Zahl der schweren Fälle stabilisiert sich. Unter denn Geimpften sinkt sie, während sie unter den Ungeimpften steigt. Lektion für Deutschland: Der Schlüssel gegen die Pandemie der Ungeimpften lautet Impfen.

    Corona-Bekämpfung mit strenger Kontaktverfolgung in Neuseeland

    Lange Zeit trug die Null-Covid-Strategie in Neuseeland Früchte. Die Zahl der Infektionen wurde durch eine strenge Lockdown-Politik auf etwas über 3000 eingefroren. Danach wurde unter staatlicher Aufsicht gelockert. Doch nun brachte ein Reisender aus Sydney das Virus trotz Quarantäne mit. Seitdem gibt es wieder einen harten Lockdown. Bis heute sind in Neuseeland 68 Neuinfektionen verzeichnet.

    Allerdings: Nur knapp 25 Prozent der Bevölkerung sind vollständig geimpft. Nun will sich das Land „aus der Krise impfen“. Weiteres Mittel: eine restriktive Kontaktverfolgung. Wer in den Supermarkt geht, muss einen QR-Code einscannen. War zur gleichen Zeit ein Infizierter im Geschäft, kontaktieren ihn die Gesundheitsbehörden. Eine Null-Covid-Strategie wäre auf Deutschland nicht übertragbar. Eine strenge Kontaktverfolgung mit elektronischen Mitteln wäre aber zumindest bedenkenswert.

    Impfquote verhinderte in Großbritannien bisher starke vierte Welle

    In Großbritannien stieg die Inzidenz Anfang Juli auf Rekordwerte um die 500 – die Fußball-EM mit fast voll besetzten Stadien forderte ihren Tribut. Danach sank die Quote auf 270, beträgt jetzt aber wieder um die 350. Hintergrund: Die Regierung hob am 19. Juli praktisch alle Covid-19-Beschränkungen auf. Die hohe Impfquote – 63 Prozent der Bevölkerung haben die zweite Dosis – hat bislang einen exponentiellen Anstieg der Infektionen verhindert. Doch Fachleute warnen vor dem Herbst. Der britische Lerneffekt für Deutschland: eher begrenzt.