Berlin. Der Corona-Expertenrat der Bundesregierung warnt vor einer heftigen Omikron-Welle. Boostern allein sei jetzt nicht mehr ausreichend.

Omikron bringe eine "neue Dimension" in die Pandemie: Der neue Corona-Expertenrat der Bundesregierung hat in seiner ersten Stellungnahme mit drastischen Worten vor der fünften Welle gewarnt und sich für schärfere Maßnahmen ausgesprochen. Bund und Länder wollen unterdessen am Dienstag erneut über das weitere Vorgehen im Kampf gegen das Coronavirus beraten. Dabei dürfte das Papier eine wichtige Rolle spielen.

Das neue Gremium von Expertinnen und Experten unterschiedlicher wissenschaftlicher Disziplinen soll der Bundesregierung künftig mit fachlichen Einschätzungen bei der Pandemiebekämpfung zur Seite stehen. Zu den Mitgliedern zählen unter anderen die Virologen Christian Drosten, Melanie Brinkmann und Hendrik Streeck, RKI-Präsident Lothar Wieler und die Ethikrat-Vorsitzende Alena Buyx.

Sinkende Corona-Zahlen kein Grund zur Entspannung

Dass die aktuell sinkenden Corona-Inzidenzen als "Zeichen der Entspannung" wahrgenommen werden, sei nicht gerechtfertigt, heißt es in der Stellungnahme vom Sonntag. Omikron vereine mit seiner hohen Übertragbarkeit und dem Unterlaufen eines bestehenden Immunschutzes durch Genesung oder Corona-Impfung gleich "mehrere ungünstige Eigenschaften".

Wie explosionsartig die Verbreitung erfolgen könne, zeige sich etwa in den Niederlanden, Großbritannien, Dänemark und Norwegen, wo sich die Fallzahlen etwa alle zwei bis drei Tage verdoppelten.

Expertenrat: Was ist über Omikron bekannt?

In der Stellungnahme werden die folgenden bisherigen Erkenntnisse zu Omikron skizziert:

  • Es sei nicht davon auszugehen, dass Menschen ohne Impfung oder Genesenenstatus im Vergleich zu Delta einen "milderen Krankheitsverlauf" aufweisen.
  • Laut ersten Studienergebnissen lasse der Impfschutz gegen Omikron schnell nach – auch immune Personen könnten daran erkranken und Symptome aufweisen.
  • Vor einer schweren Erkrankung durch Omikron seien Geimpfte und Genesene dennoch "wahrscheinlich teilweise" geschützt.
  • Nach dem Booster sei auch bei der neuen Variante der Immunschutz "deutlich verbessert", wie mehrere Studien gezeigt hätten.

Durch die vergleichsweise hohe Anzahl Ungeimpfter sei in Deutschland eine "sehr hohe Krankheitslast" durch Omikron wahrscheinlich, heißt es weiter. Der Expertenrat warnt vor einem möglichen Szenario, bei dem ein großer Teil der Bevölkerung gleichzeitig erkrankt oder in Quarantäne ist – dies sei nicht nur eine extreme Belastung für das Gesundheitsssystem, sondern auch für die kritische Infrastruktur.

Corona-Regeln: Expertenrat schlägt strengere Maßnahmen vor

Mathematischen Modellen zufolge könne die Boosterkampagne die Dynamik von Omikron zwar verlangsamen, aber eine neue Welle nicht mehr verhindern. Einer Überlastung des Gesundheitssystems und Problemen in der kritischen Infrastruktur könne man nur durch zusätzliche Kontaktbeschränkungen entgegenwirken. Der Rat schlägt die folgenden Maßnahmen in seiner Stellungnahme vor:

  • Erst-, Zweit- und Auffrischungsimpfungen auch an den Feiertagen fortsetzen
  • Vermeidung größerer Zusammenkünfte
  • Konsequentes Tragen von FFP2-Masken besonders in Innenräumen
  • Häufiges Schnelltesten bei Treffen während der Feiertage

Es käme nun bei allen Entscheidungen darauf an, die Interessen bestimmter Gruppen mit "höchster Priorität" zu berücksichtigen. Dazu zählt der Expertenrat Kinder, Jugendliche und Pflegebedürftige. Zudem sei es entscheidend, eine "umfassende Kommunikationsstrategie mit nachvollziehbaren Erklärungen der neuen Risikosituation" an den Tag zu legen: Die Bevölkerung sei nach fast zwei Jahren Pandemie erschöpft. Den Punkten in der Stellungnahme stimmten alle 19 Mitglieder zu.

Lauterbach schließt Lockdown vor Weihnachten aus

Welche neuen Corona-Regeln auf die Bevölkerung zukommen, könnte sich beim Corona-Gipfel am Dienstag entscheiden. Lesen Sie dazu: Corona-Gipfel: Welche Regeln beschlossen werden könnten

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach schloss einen Lockdown vor Weihnachten am Sonntag aus. Auf die Frage nach der Zeit nach den Festtagen sagte der SPD-Politiker in der "Bild"-Sendung "Die richtigen Fragen": "Ich glaube, auch da werden wir keinen harten Lockdown haben." Er twitterte zugleich, man müsse eine offensive Booster-Impfkampagne fahren und "die Maßnahmen der Kontaktreduktion verschärfen".

(raer/mit dpa)