Tübingen. In Tübingen arbeiten Forschende an einem neuen Corona-Impfstoff. Er soll unter anderem bei Krebspatienten eingesetzt werden können.

Auch im Jahr 2022 ist das Coronavirus immer noch ein Teil unseres Alltags. Zwar sind die meisten Corona-Regeln gefallen und das Infektionsgeschehen durch die Impfungen sowie die weniger schwere Omikron-Mutation nicht mehr so besorgniserrend wie in früheren Wellen – aber immer noch sind viele Menschen durch das Virus in Gefahr.

Vor allem Krebspatienten und -patientinnen aber auch Menschen mit angeborenem Immundefekt sollen durch einen neuartigen Corona-Impfstoff geschützt werden. Forschende aus Tübingen haben dafür ein Präparat namens CoVac-1 entwickelt. In einer kleinen klinischen Studie zeigte sich das Vakzin recht wirksam: Bei 93 Prozent der Probandinnen und Probanden konnte laut den Wissenschaftlern die T-Zell-Immunantwort aktiviert werden.

Neuer Corona-Impfstoff: CoVac-1 soll bei Immundefekten schützen

Auf der Jahrestagung der US-amerikanischen Krebsforschungsgesellschaft (AACR) stellten die Tübinger Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ihre Forschung vor. Nicht untersucht wurde bei der Studie allerdings, inwieweit die 14 Probandinnen und Probanden der Studie vor einer Infektion oder schweren Covid-19-Symptomen geschützt sind.

Die gegenwärtigen Corona-Impfstoffe lösen im Körper vor allem eine sogenannte humorale Immunantwort aus, also die Bildung von Antikörpern durch die B-Zellen. Viele Chemotherapien und einige Immuntherapien zerstören allerdings die B-Zellen, sodass bei diesen Patienten die Impfstoffe keine gute Wirkung zeigen. Auch bei Menschen mit bestimmten angeborenen Immundefekten ist die Bildung von Antikörpern gestört. CoVac-1 soll deshalb vor allem eine zelluläre Immunität aufbauen, die von T-Zellen ausgelöst wird.

Tübinger Impfstoff wurde an Leukämie-Patienten getestet

Um eine schützende antivirale Reaktion gegen das Coronavirus zu entwickeln, ist die T-Zell-vermittelte Immunität unerlässlich. „Frühere Untersuchungen haben gezeigt, das T-Zellen Covid-19 auch in Abwesenheit neutralisierender Antikörper bekämpfen können“, sagt Claudia Tandler von der Universität Tübingen.

Bei der Studie bekamen 14 Patientinnen und Patienten die Impfung mit CoVac-1. Alle von ihnen haben einen B-Zell-Defekt, zwölf von ihnen leiden an Leukämie oder Lymphdrüsenkrebs. Etwa zwei Drittel der Patienten waren bereits mit einem zugelassenen Corona-Impfstoff geimpft worden, allerdings hatte ihr Immunsystem keine ausreichende Antikörper-Antwort aufgebaut.

Corona-Vakzin auf Tübingen: Bei 13 von 14 Patienten erfolgreich

Einen ersten Erfolg konnten die Tübinger Forschenden 28 Tage nach der CoVac-1-Impfung vorweisen: Bei 13 Patientinnen und Patienten registrierten Tübinger Gruppe eine robuste T-Zell-Antwort. Derzeit werde eine klinische Studie mit einer größeren Anzahl an Probandinnen und Probanden vorbereitet.

CoVac-1 ist ein sogenannter Peptid-basierter Impfstoff. Dieser enthält sechs verschiedene Proteinbestandteile (Peptide) von Sars-CoV-2 als Antigene, gegen die das Immunsystem nach der Impfung eine T-Zell-Antwort aufbaut. Darunter ist das Spike-Protein, gegen das auch die bisher verfügbaren Impfstoffe gerichtet sind. Die Kombination von mehreren Virus-Eiweißen in einem Impfstoff soll eine möglichst breite T-Zell-Immunantwort auslösen, so dass die Schutzwirkung auch bei Mutationen des Virus erhalten bleibt.

„Soweit wir wissen, ist CoVac-1 zurzeit der einzige Peptid-basierte Impfstoffkandidat, der speziell für Menschen mit Immunschwäche entwickelt und evaluiert wird“, sagt Juliane Walz vom Universitätsklinikum Tübingen, Leiterin der Impfstoff-Entwicklung. Die Forschenden hoffen, die Hochrisiko-Patientinnen und -Patienten damit vor einem schweren Covid-19-Verlauf schützen zu können. (mit dpa)

Dieser Text erschien zuerst auf morgenpost.de