Brüssel. WHO schlägt Alarm wegen neuer Corona-Welle auf dem Kontinent. Die Impfquoten sind oft zu niedrig, der Druck auf Ungeimpfte wächst.

Europa steht erneut vor einem harten Corona-Winter. Nicht nur in Deutschland, in vielen EU-Staaten steigen die Infektionszahlen massiv an. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) warnt: „Europa ist zurück im Epizentrum der Pandemie.“ Die Lage sei besorgniserregend.

Als Gründe nennt die WHO unzureichende Impfzahlen und die Lockerung der Corona-Beschränkungen. Vor allem in Osteuropa, wo die Impfquoten besonders niedrig sind, spitzt sich die Lage zu. EU-Länder, die jetzt recht gut dastehen, haben dagegen oftmals frühzeitig Druck gemacht, damit sich die Bürger impfen lassen. Immer häufiger werden die Auflagen für Ungeimpfte verschärft, zuletzt in Österreich.

Frankreich

Präsident Emmanuel Macron hat im Sommer wegen steigender Infektionszahlen hart durchgegriffen, das Land hatte zeitweise die strengsten Corona-Regeln Europas: Seit dem 15. September besteht eine Impfpflicht für Beschäftigte im Gesundheitswesen, für Rettungskräfte, Feuerwehrleute und Apotheker. Wer sich weigert, dem droht die Suspendierung – bislang traf das nur rund 3000 von etwa 2,7 Millionen Beschäftigten.

Auch für alle anderen Bürger gelten strenge Auflagen. In Bars und Restaurants, Museen, Theatern und zu Sportveranstaltungen hat nur Zutritt, wer einen Impf- oder Genesungsnachweis hat oder einen frischen, negativen Test vorweist, der aber kostenpflichtig ist.

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Gleiches gilt für Reisebusse und Fernzüge. Die Zwischenbilanz: Die Sieben-Tage-Inzidenz lag zuletzt bei 76, steigt aber schnell an. 68,5 Prozent aller Bürger sind vollständig geimpft, etwas mehr als in Deutschland (mit einer Quote von 67 Prozent.) Mit den harten Auflagen hat Macron aber anhaltende Proteste von Impfgegnern provoziert.

Italien

Italien geht einerseits entspannt in den Corona-Winter. Die Sieben-Tage-Inzidenz liegt bei nur 63 – nicht mal ein Drittel des deutschen Wertes. Auch die Impfquote von fast 73 Prozent der Bürger ist relativ gut. Der Preis dafür ist ein strenges Regime, das auf dem „Grünen Pass“ basiert: Diesen Nachweis über Impfung, Genesung oder negativen Test braucht man am Arbeitsplatz, in Fernzügen, Restaurants, Fitnessstudios oder Kinos.

Weil die Tests kostenpflichtig sind und nicht älter als 48 Stunden alt sein dürfen, besteht für viele Arbeitnehmer ein indirekter Impfzwang. Von den Beschäftigten im Gesundheitswesen wird schon seit Ende März ein Impfnachweis verlangt.

Österreich

Wochenlang war die Corona-Lage entspannt, jetzt herrscht Alarmzustand: In den letzten Tagen stieg die Sieben-Tage-Inzidenz in der Alpenrepublik sprunghaft auf 635. Die Regierung steuert hektisch um: Menschen ohne Corona-Impfung dürfen ab diesem Montag keine Gaststätten, Friseure und Veranstaltungen mehr besuchen.

Auch für Tourismusbetriebe gibt es nur noch nach Impfung oder Genesung (2G-Regel) Zutritt. Schon seit einer Woche gilt eine 3G-Regel am Arbeitsplatz. „Die Dynamik ist außergewöhnlich, die Belegungen in den ­Intensivbetten steigen deutlich schneller als erwartet“, sagt Bundeskanzler Alexander Schallenberg. Die Regierung erhofft sich eine Erhöhung der Impfquote, die seit August kaum steigt und aktuell bei nur 63,6 Prozent liegt. Tatsächlich bilden sich jetzt vor den Impfzentren lange Schlangen.

Spanien und Portugal

In beiden Urlaubsländern ist die Lage entspannt wie sonst kaum in Europa. In Spanien liegt die Inzidenz bei 44, in Portugal bei 68. Parallel sind die Impfquoten mit die höchsten Europas: In Portugal liegt sie bei 86 Prozent – 20 Prozentpunkte über dem deutschen Wert! –, in Spanien immerhin bei 79 Prozent.

Deshalb sind viele Corona-Beschränkungen entfallen, es gilt allerdings noch Maskenpflicht unter anderem in öffentlichen Verkehrsmitteln. Und in Bars und Discos müssen Ungeimpfte einen negativen Test vorlegen.

Slowenien

Im kleinen EU-Land südöstlich von Österreich sind die Corona-Zahlen explodiert, eine Inzidenz von 962 ist der höchste Wert in ganz Europa. Die Krankenhäuser melden bereits Kapazitätsprobleme. Anfang der Woche hat die Regierung öffentliche Versammlungen und private Feste verboten, Gaststätten müssen um 22 Uhr schließen, es gelten Kontaktbeschränkungen, nur noch engste Familienmitglieder dürfen sich treffen.

Schon seit Mitte September gilt eine strenge 3G-Regel am Arbeitsplatz. In Slowenien sind erst 53 Prozent der Bürger geimpft – die Skepsis ist groß, Impfgegner machen in einer Protestbewegung mobil. Stark steigende Infektionen melden auch Tschechien und Kroatien.

Estland

Auch im Baltikum herrscht Alarmstimmung: Estland meldet eine Inzidenz von 790 bei einer Impfquote von 57,8 Prozent. Die Regierung hat bis Mitte Januar für viele Bereiche die 2G-Regel eingeführt, Ungeimpfte haben zu Einrichtungen der Gastronomie, Kultur und Freizeit keinen Zutritt mehr.

Die Zahl der Neuinfektionen konnte damit immerhin schon etwas gesenkt werden. Ähnlich ist die Lage in Lettland und Litauen. In Lettland mit einer Impfquote von 56 Prozent gilt bis Mitte Januar ein nationaler Notstand, bis zum 15. November gar ein strenger Lockdown. Litauen mit einer Impfquote von 62 Prozent hat ebenfalls eine 2G-Regel etwa für Restaurants oder viele Geschäfte eingeführt.