Berlin. Die Impfkommission empfiehlt Corona-Impfungen für Jugendliche. Stiko-Chef Mertens weist Vorwurf der politischen Einflussnahme zurück.

Angesichts einer vierte Corona-Infektionswelle rücken fortan Kinder- und Jugendliche den Impfungen verstärkt ins Zentrum der Pandemie-Bekämpfung. Die Ständige Impfkommission (Stiko) sprach sich am Montag für Corona-Impfungen für alle Kinder und Jugendlichen ab zwölf Jahren aus.

Nach sorgfältiger Bewertung neuer wissenschaftlicher Beobachtungen und Daten komme man zu der Einschätzung, „dass nach gegenwärtigem Wissensstand die Vorteile der Impfung gegenüber dem Risiko von sehr seltenen Impfnebenwirkungen überwiegen“, teilte das unabhängige medizinische Beratergremium am Montag mit.

Aktuelle mathematische Modellierungen, welche die inzwischen dominierende Delta-Variante berücksichtigten, zeigten, dass für Kinder und Jugendliche „ein deutlich höheres Risiko für eine SARS-CoV-2-Infektion in einer möglichen 4. Infektionswelle besteht“.

Corona-Impfung für Jugendliche: Stiko aktualisiert Empfehlung

Bisher war eine Impfung von Jüngeren in Deutschland zwar möglich. Eine generelle Stiko-Empfehlung für diese Altersgruppe gab es bislang aber nicht, sondern nur für Kinder und Jugendliche etwa mit stark erhöhtem Gesundheitsrisiko.

Der Stiko-Vorsitzende Thomas Mertens wies Vermutungen zurück, die Kommission habe sich politischem Druck gebeugt: „Es wird viele geben, die nun glauben, dass die Änderungen in der Empfehlung mit dem politischen Druck auf die Stiko zusammenhängen. Das ist objektiv Unsinn“, sagte Mertens unserer Redaktion.

„Wir haben die Empfehlungen deshalb aktualisiert, weil mittlerweile deutlich mehr Daten und Erkenntnisse zur Impfung von Kindern ab 12 Jahren vorliegen“, erklärte Mertens. Die Stiko habe sicher keine geänderte Empfehlung gemacht, weil es den Versuch einer politischen Einflussnahme gegeben habe.

Das Gremium war in den vergangenen Wochen wiederholt von verschiedenen Politikern aufgefordert worden, ihre vorsichtige Haltung zum Impfen von Kindern und Jugendlichen ab zwölf Jahren zu überdenken.

Archivbild: Die 15-jährige Clara wird im Impfzentrum geimpft.
Archivbild: Die 15-jährige Clara wird im Impfzentrum geimpft. © Sina Schuldt/dpa | Sina Schuldt/dpa

Stiko streitet politische Einflussnahme ab

Auch die Gesundheitsministerkonferenz hatte sich vor kurzem dafür ausgesprochen, Kinder und Jugendliche flächendeckend in die Impfkampagne einzubeziehen. Die Europäische Arzneimittelbehörde EMA hatte zuvor die Impfstoffe von Biontech und Moderna ab 12 Jahren zugelassen.

Die Stiko betonte, die Impfempfehlung für 12- bis 17-Jährige auszusprechen, ziele „in erster Linie auf den direkten Schutz der geimpften Kinder und Jugendlichen vor COVID-19 und den damit assoziierten psychosozialen Folgeerscheinungen“.

Die Impfung soll laut Stiko jedoch weiterhin nach ärztlicher Aufklärung zum Nutzen und Risiko erfolgen. Das Gremium betonte in seiner Mitteilung, es spreche sich „ausdrücklich dagegen aus, dass bei Kindern und Jugendlichen eine Impfung zur Voraussetzung sozialer Teilhabe gemacht wird“.

Corona-Impfung: Risiken für Jugendliche besser beurteilbar

Grundlage für die Neubewertung sind laut der aktuellen Stiko-Stellungnahme neue Überwachungsdaten „insbesondere aus dem amerikanischen Impfprogramm mit nahezu 10 Millionen geimpften Kindern und Jugendlichen“. Damit könnten mögliche Risiken der Impfung für diese Altersgruppe jetzt „zuverlässiger quantifiziert und beurteilt werden“.

Die sehr selten beobachteten Herzmuskelentzündungen, die bevorzugt bei jungen männlichen Geimpften aufgetreten seien, „müssen als Impfnebenwirkungen gewertet werden“. Patienten hätten jedoch bei entsprechender medizinischer Versorgung „einen unkomplizierten Verlauf“. Zudem seien bisher keine Signale für weitere schwere Nebenwirkungen nach mRNA-Impfung aufgetreten, „insbesondere auch nicht bei Kindern und Jugendlichen.“

Laut RKI waren in Deutschland mit Stand von Sonntag 15,1 Prozent der Kinder und Jugendlichen ab 12 Jahren zweifach gegen Corona Geimpften, 24,3 Prozent haben eine erste Dosis erhalten. Für Kinder unter zwölf Jahren ist bislang kein Impfstoff verfügbar.