Brüssel. Noch fehlen Daten zu Langzeitfolgen von Omikron-Infektionen. Ein Experten-Report verweist auf ein Risiko. Es gibt aber auch Hoffnung.

Die Omikron-Variante bei Corona scheint bisher oft zu milderen Krankheitsverläufen zu führen. Verliert Corona damit einen Teil seines Schreckens? Eine amtliche Expertenanalyse der EU verweist jetzt auf ein vielfach unterschätztes Risiko: Auch nach einer Infektion mit Omikron könnte ein Teil der Patienten an Long Covid leiden – also an langen, teilweise heftigen Spätfolgen mit Symptomen, die bis zu extremer Müdigkeit, Atembeschwerden, Herzrasen und neurologischen Problemen reichen können.

Den Trend sagt die EU-Gesundheitsbehörde ECDC in ihrer neuen „Bewertung zur weiteren Ausbreitung und potenziellen Auswirkung der besorgniserregenden Omikron-Variante in der EU“ voraus. Sie erwartet demnach eine deutlich steigende Zahl von Long Covid-Fällen: Es sei „plausibel“, dass auf die große Zahl von Omikron-Infektionsfällen eine „hohe Zahl“ von Menschen mit Long Covid-Problemen folgen werde, heißt es in der Analyse.

Omikron-Infektion: Langzeitfolgen häufiger bei Ungeimpften

Der Bericht geht dabei auch davon aus, dass diese Langzeitfolgen potenziell häufiger bei ungeimpften Personen auftreten werden. Allerdings gibt es dazu noch keine Daten, betont der Report – weder zur Häufigkeit von Long Covid nach Omikron noch zu möglichen Unterschieden im Vergleich zu anderen, zuvor verbreiteten Corona-Varianten.

Denn die ersten Omikron-Fälle wurden erst Ende November in Südafrika beobachtet. Aber: Bei früheren Varianten seien Symptome von Long Covid ein bis drei Monate nach einer Infektion aufgetreten, sagt die deutsche Long-Covid-Expertin Jördis Frommhold. Erkenntnisse über Langzeitfolgen werden daher erst ab März erwartet – und wissenschaftliche Auswertungen noch etwas später. Lesen Sie auch: Übergang zur Endemie: Wann ist die Pandemie endlich vorbei?

Corona: Auch nach mildem Verlauf ist Long Covid möglich

Was Medizinern bis dahin bleibt, ist die Bewertung von Indizien. Und sie sind für Experten auch in Deutschland Anlass mindestens zur Vorsicht: Erstens sind viele elementare Symptome bei einer Omikron-Infektion identisch mit denen bei anderen Varianten. Und zweitens haben bei den bisherigen Corona-Wellen auch Infizierte mit nur mildem Verlauf später die Long-Covid-Symptome entwickelt. Auch die deutsche Virologin Sandra Ciesek rät zur Vorsicht. Erkenntnisse zu Langzeitfolgen wie Long Covid fehlten bei der Omikron-Variante, sagte Ciesek im Corona-Podcast des NDR. Für eine Beurteilung sei es viel zu früh, deshalb könne man Omikron „nicht einfach laufen lassen“.

Wer wäre am ehesten anfällig für Long Covid? Der ECDC-Report verweist auf Studien, nach denen Frauen, Menschen im höheren Alter und wegen Corona im Krankenhaus behandelte Patienten häufiger an den Langzeitfolgen litten. Der Bericht zitiert Schätzungen des britischen Statistikamtes, nach denen zwischen sieben und 18 Prozent aller Covid-Infizierten Symptome von Long Covid entwickelt haben. Die Datenlage ist allerdings unübersichtlich, unterschiedliche Studien kommen zu sehr unterschiedlichen Schätzungen, wie das Robert-Koch-Institut (RKI) erklärt. Das RKI verweist aber unter anderem auf eine deutsche Studie, bei der etwa zehn Prozent von Corona-Erkrankten mit zunächst geringen oder keinen Symptomen auch Monate nach der akuten Erkrankung noch Long Covid-Symptome wie Müdigkeit, Atembeschwerden, Schlaflosigkeit oder Geschmacksstörungen hatten.

Impfung reduziert Risiko von Langzeitfolgen nach Corona-Infektion

Doch macht der neue EU-Report auch Hoffnung: Studien deuteten darauf hin, dass vollständig Geimpfte bei einer Durchbruchsinfektion ein deutlich geringeres Risiko von Spätfolgen hätten. Der ECDC-Bericht verweist auf eine britische Studie, nach der Personen mit vollständiger Impfung und anschließender Durchbruchinfektion mit einer 49 Prozent geringeren Wahrscheinlichkeit über Long-Covid-Symptome berichteten als Corona-Patienten ohne Impfschutz. Auch interessant: Diese Studie zu Long-Covid bei Kindern macht Hoffnung

Ein kürzlich erschienener Vorabdruck einer Studie aus Israel bestätige das, so der Bericht weiter. Laut dieser Studie hatten Geimpfte zum Beispiel eine um zwei Drittel verringerte Wahrscheinlichkeit, nach einer Infektion Long-Covid-Symptome wie Erschöpfung zu bekommen. Die Forscher aus Israel fassen ihren Befund so zusammen: „Eine Corona-Impfung mit mindestens zwei Dosen hat einen schützenden Effekt gegen Long-Covid.“