Berlin. Die Corona-Mutation BA.2.75.2 weicht Antikörpern besser aus als alle anderen Varianten zuvor. Das könnte im Winter zur Gefahr werden.

  • Der Winter steht bevor: Wie wird er angesichts der noch immer andauernden Corona-Pandemie in diesem Jahr ausfallen?
  • Durch die Omikron-Variante scheint Corona nicht mehr so gefährlich wie bei früheren Varianten
  • Doch der Schein trügt: Derzeit gibt es einige Varianten, die zum Problem im Winter werden können. Eine ganz besonders

Angesichts der vielen Mutationen des Coronavirus und dem mittlerweile angepassten Leben in der Pandemie fällt es schwer, einen Überblick über die Subtypen zu behalten. Doch unter den mittlerweile zahlreichen Untervarianten der Omikron-Mutation beobachteten Forschende zuletzt besorgniserregende Veränderungen: So zeigt der Subtyp BA.2.75.2 eine nie zuvor gesehene Immunflucht. Was das für den Herbst und Winter in Deutschland bedeuten könnte. Lesen Sie hier: Wellen mit neuen Corona-Varianten drohen.

Das Coronavirus scheint in seiner Entwicklung unaufhaltbar: Bereits im Juni tauchte die Subvariante 2.75 in Indien auf. Damals beobachteten Experten und Expertinnen in der BA.2-Linie zwar keinen schwereren Krankheitsverlauf als in der BA.5-Linie, die in Deutschland weit verbreitet ist. Doch das Problem liegt mittlerweile woanders.

Wie der österreichische Molekularbiologe Ulrich Elling erklärte, unterscheiden sich allein die Omikron-Subtypen BA.5 und BA.2 bereits in drei Mutationen auf dem Spike-Protein. Eine gute Basis für weitere Veränderungen, denn von BA.5 bis zu BA 2.75 waren es schon elf Mutationen. Und genau diese rasante Entwicklung ist es, die das Coronavirus mittlerweile wieder fast so unberechenbar macht wie nach seinen ersten Mutationen Anfang 2021.

Omikron-Variante: Was macht BA.2.75.2 zum Risiko?

Bei BA.2.75.2, einer Weiterentwicklung von BA.2.75, treten nun entsprechend schon die nächsten Mutationen auf. Doch diese könnten es Experten und Expertinnen zufolge in sich haben: "BA.2.75.2 enthält mehrere zusätzliche starke antigene Mutationen zusätzlich zu normalem BA.2.75", schrieb der Londoner Virologe Tom Peacock dazu auf Twitter.

Weil BA.2.75 bereits eine Mutation der zweiten Generation sei, hätten ihre Sub-Subtypen entsprechend eine doppelte Entwicklung durchgemacht, so Peacock. Und genau hier liegt die potenzielle Gefahr. Durch die doppelte Evolution bringen diese Subvarianten nämlich genetisch neues und bisher nur wenig erforschtes Material mit sich. Die möglichen Folgen: eine erhöhte Resistenz der Mutationen gegenüber bisherigen Antikörpern und eine neue Richtung im Infektionsgeschehen.

Theoretisch könnte im Moment jede Sub-Subvariante einen Richtungswechsel im Infektionsgeschehen mit sich bringen. Allerdings, so spekulieren Peacock und andere Experten und Expertinnen, bringe BA.2.75.2 tatsächlich alles mit, um die nächste dominierende Variante zu werden. Doch was bedeutet das für den Winter und die Impfungen?

Omikron: BA.2.75.2 weicht Antikörpern besser aus als je zuvor

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) beobachtet die Sublinie von BA.2.75 und damit alle Untervarianten, die sich daraus noch entwickeln – also auch BA 2.75.2. Die Omikron-Variante selbst hatte die WHO bereits vorher als "besorgniserregende Variante" eingestuft. Das bedeutet, dass sich der Virusstamm einer Variante maßgeblich verändert hat oder die Folgen für die öffentliche Gesundheit anders sein könnten.

Bei BA.2.75.2 scheint sich nun zumindest die erste Bedingung zu bewahrheiten: Wie zwei Forschungsteams aus Schweden und China in ihren jeweiligen Studien herausfanden, soll die Sub-Subvariante BA.2.75.2 der bisher antikörper-evasivste Typ sein, der bis dato entdeckt wurde. Das bedeutet, dass er Antikörpern besser ausweicht als seine Vorgänger.

Obwohl bisher keine der beiden Studien von Fachkollegen und -kolleginnen überprüft wurde, könnten die Erkenntnisse richtungsweisend für das Infektionsgeschehen im Winter sein.

Neue Varianten: Droht im Winter eine Covid-Krankheitswelle?
Neue Varianten: Droht im Winter eine Covid-Krankheitswelle? © Philipp von Ditfurth/dpa/Symbolbild

Ansteckende Omikron-Varianten – Nicht tödlich, aber hinderlich

Weicht BA.2.75.2 nun also vermehrt den Antikörpern aus, die die Bevölkerung durch überstandene Corona-Infektionen und Impfungen gebildet hat, riskieren betroffene Länder über den Winter eine Krankheitswelle. Obwohl sich der Omikron-Verlauf als schwächer herausgestellt hat als der der vorherigen Varianten, bedroht dieses Szenario vor allem die Infrastruktur.

Es drohen ein hoher Krankheitsstand in den Unternehmen, den Krankenhäusern, den Schulen und Ausfälle an den wichtigsten Stellen. Immerhin: Auch wenn BA.2.75.2 den Antikörpern ausweicht und eine Ansteckung wieder wahrscheinlicher wird, schützen diese nach jetzigem Erkenntnisstand nach wie vor vor einem schweren Verlauf.

Zudem verbreitet sich BA.2.75 bisher vor allem in den USA und Südasien. Aktuellsten Daten des Europäischen Zentrums für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten zufolge lag die Prävalenz von BA.27 in den 14 Ländern die die Varianten korrekt messen, zuletzt bei 0.8 Prozent. Dominierend waren demnach nach wie vor die Subtypen BA.4 und BA.5.

Corona: Omikron angepasste Impfstoffe in der EU zugelassen

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    Omikron-Variante B 2.75.2: Hilft die Impfung?

    Es ist wie auch schon in vielen anderen Momenten in der Pandemie: Weder weitere Corona-Varianten noch ihre Folgen lassen sich zum aktuellen Zeitpunkt vorausssagen. Dafür fehlen belastbare Daten. Nur: Was bedeutet das für die angepassten Omikron-Impfstoffe, die gerade erst in Deutschland ankommen?

    Wie die europäische Arzneimittelbehörde EMA schreibt, schützen die an die Subvariante BA.1 angepassten Impfstoffe auch gegen weitere Omikron-Subtypen – etwa BA.2, BA.5 und BA.2.75. Auch hier ist die Datenlage aber nach wie vor zu dünn, um verlässliche Aussagen zu treffen.

    Eine gute Aussicht formuliert der Molekularbiologe Ulrich Elling angesichts der Entwicklungen allerdings doch: Die Weiterentwicklung des Virus führe auch zu einer Weiterentwicklung unseres Immunsystems. "Und so wird es auf lange Sicht hoffentlich immer schwieriger, dass SARS-CoV-2 mit neuen One-for-All-Lösungen aufwartet", so Elling. Helfen könnten dabei auch neue oder individuell zugeschnittene Impfstrategien.

    Dieser Artikel erschien zuerst auf morgenpost.de.