Berlin. Die Corona-Reiseregeln ändern sich immer häufiger. Wie entschieden wird, wo welche Regeln gelten, und wie Sie den Durchblick behalten.

Früher studierten Urlauber vor einer Buchung Wettertabellen: Temperaturen, Sonnenstunden, Niederschlagsmengen. In Corona-Zeiten halten Reisespezialisten wie Olimar ihre Kunden über die Infektionen in sieben Tagen auf 100.000 Einwohner auf dem Laufenden. Auf Madeira beträgt die Inzidenz 40, nur zwei Flugstunden entfernt, in der Algarve, sind es 366.

Die regionale Differenzierung half nichts. Die Bundesregierung stufte Portugal binnen vier Wochen pauschal zum „einfachen Risikogebiet“, dann zum „Virusvariantengebiet“ hoch und danach zum „Hochinzidenzgebiet“ wieder herunter – zum Ärger der Touristen, die je nach Einstufung in Quarantäne gehen.

Corona: Einstufungsverfahren der Länder ist intransparent

Das Beispiel macht ein Problem deutlich: Wer blickt bei den Reiseauflagen noch durch? Die Delta-Variante des Virus verbreitet sich so rasant, dass auf staatliche Einstufungen weniger denn je Verlass ist. Beispiel Zypern: Am 7. Juni lag die Inzidenz auf der Insel bei 45,3 – an diesem Donnerstag bei 532,4. Die Regierung hinkt mit ihren Einstufungen den Entwicklungen hinterher. Lesen Sie auch: Reisen ist zu Corona-Zeiten ein Risiko – auch jetzt noch!

Eigentlich will die Bundesregierung Geimpfte gerade bei Reisen privilegieren. Laut „Spiegel“ machte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) im Kabinett auf einen „logischen Bruch“ aufmerksam, weil vollständig Geimpfte in Deutschland Freiheitsrechte genießen sollten, nach Rückkehr aus Hochinzidenz- oder Virusvariantengebieten aber in Quarantäne gehen müssen. „Jens, da müssen wir noch mal drüber reden“, rief sie nach Teilnehmerangaben Gesundheitsministerins Jens Spahn (CDU) zu.

Nun rächt sich das mechanische, nur scheinbar transparente Verfahren, mit dem die Bundesregierung Woche für Woche andere Staaten kategorisiert. Nur auf den ersten Blick sind die Kriterien neutral: Ab einer Inzidenz von 50 gilt ein Land als Risikogebiet, ab 200 als Hochinzidenzregion – mit einer mindestens fünftägigen Quarantäne als Folge.

Der Trend in Großbritannien ist am extremsten

Doch „anhand weiterer qualitativer und quantitativer Kriterien“ kann laut Robert-Koch-Institut (RKI) im zweiten Schritt festgestellt werden, „ob trotz eines Unter- oder Überschreitens der Inzidenz ein besonders erhöhtes bzw. nicht besonderes erhöhtes Infektionsrisiko begründet ist“. Ungeachtet der Inzidenzen kann die Regierung so Staaten nach Belieben einstufen.

Beschwerlich sind Reisen in Hochinzidenzgebiete wie Russland, Großbritannien oder Portugal. Denn Urlauber müssen nach ihrer Rückkehr in Quarantäne gehen und können sich frühestens nach fünf Tagen „freitesten“. Zypern wird nach Informationen unserer Redaktion heute als Hochinzidenzgebiet und ganz Spanien (Inzidenz über 190) wiederum als einfaches Risikogebiet eingestuft. Lesen Sie auch: Mallorca: Britische Touristen werden zur Urlaubs-Gefahr

Am krassesten ist der Trend in Großbritannien, wo die Inzidenz bei über 280 liegt. Mitte des Monats sollen dort alle Corona-Auflagen fallen, selbst die Maskenpflicht. Die Regierung kalkuliert selbst mit explodierenden Zahlen von 50.000 oder mehr Neuinfektionen am Tag.

Reisende müssen sich in diesem Jahr genau mit den Corona-Regeln ihres Urlaubslandes beschäftigen.
Reisende müssen sich in diesem Jahr genau mit den Corona-Regeln ihres Urlaubslandes beschäftigen. © dpa | Clara Margais

Regionen mit unsicherer Entwicklung: Portugal, Niederlande, Griechenland

In Portugal liegt der Anteil der Delta-Variante bei 89 Prozent. In Deutschland ist er seit Mittwoch bei 59 Prozent. Das ist der Grund, warum die Bundesregierung die zunächst für „mindestens zwei Wochen“ angekündigte Einstufung Portugals als Virusvariantengebiet gerade mal eine Woche durchgehalten hat.

„Planungsunsicherheit“ droht bei Touren in Staaten mit zwar aktuell noch erträglichen Inzidenzen, aber mit alarmierenden Aussichten. In den Niederlanden beträgt die Inzidenz 67,2. Die Zahl der Neuansteckungen lag in den letzten sieben Tagen bei 11.480 – in der Vorwoche waren es 4.120 gewesen.

Vergleichbar ist die Perspektive in Griechenland. Inzidenz: 81,6. Die Zahl der Fälle in den letzten sieben Tagen: 8.504. Der Anstieg gegenüber der Vorwoche wird mit 153 Prozent beziffert. Beispiel Dänemark: Die Inzidenz stieg auf 55,9, die Fallzahlen in den letzten sieben Tagen um 114 Prozent (von 1.498 auf 3.208). Weder Dänemark noch Griechenland werden von der Bundesregierung als einfache Risikogebiete geführt. Und in den Niederlanden wiederum nur die Karibikinsel Sint Maarten.

Hier verbreitet sich die Delta-Variante schnell

Beispiel Frankreich: Im Nachbarland liegt die Inzidenz noch bei einem scheinbar beruhigenden Wert, nämlich 28,7. Doch auch in Frankreich zog die Zahl der Neu­infizierungen in den vergangenen sieben Tagen gegenüber der Vorwoche von 12.979 auf 19.364 um 49 Prozent an. Ein signifikanter Anstieg.

Es ist zu befürchten, dass sich die Delta-Variante in West-Ost-Richtung weiterverbreiten wird – Portugal, Spanien, Frankreich –, erst recht im französischen Ferienmonat schlechthin, im August. In Frankreich leben über 500.000 portugiesische Migranten, 1,7 Millionen Franzosen haben portugiesische Wurzeln.

Es ist mit einer Zunahme der Reisen zwischen Frankreich und der Iberischen Halbinsel zu rechnen. Vor Ferienbeginn hat die Regierung die kostenlosen Tests gestrichen. Urlauber, die nach Deutschland zurückkehren, werden für die notwendigen Schnelltests selber zahlen müssen.

Regionen mit günstiger Prognose: Österreich, Italien und Kroatien

Unproblematischer muten da die Bedingungen in drei beliebten Urlaubsländern der Deutschen an: in Österreich, Italien und Kroatien. Sie haben zum einen niedrige Inzidenzen – 6,6 in Österreich, 9,6 in Italien, 14,9 in Kroatien – und zum anderen einen (noch) eher milden Anstieg der Zahl der Neuinfektionen.

Da sind Touristen in diesem Sommer eher vor überraschenden Einstufungen durch die Bundesregierung sicher. Tendenziell gilt das momentan auch für die Türkei mit einer Inzidenz von 40,6, aber zuletzt stagnierenden Zahlen.