Berlin. Aufgrund der steigenden Fallzahlen rät Gesundheitsminister Karl Lauterbach nun auch Personen unter 60 Jahren zu einer vierten Impfung.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach rät angesichts der hohen Infektionszahlen auch Menschen unter 60 Jahren zu einer vierten Impfung gegen das Coronavirus. "Wenn jemand den Sommer genießen und kein Risiko eingehen will zu erkranken, dann würde ich, in Absprache natürlich mit dem Hausarzt, auch Jüngeren die Impfung empfehlen", sagte der SPD-Politiker dem "Spiegel". Durch die Impfung hätte man, so Lauterbach, "eine ganz andere Sicherheit". Es werde nicht nur das Risiko gesenkt, an Long Covid zu erkranken, sondern für ein paar Monate auch das Infektionsrisiko.

Damit stellte Lauterbach sich deutlich gegen die Empfehlung der Ständigen Impfkommission (Stiko), die eine vierte Impfung derzeit nur für Menschen über 70 Jahren sowie für bestimmte Personengruppen, wie etwa Menschen mit unterdrücktem Immunsystem sowie Pflegeheimbewohnern und Personal medizinischer Einrichtungen. Lauterbach erklärte allerdings gleichzeitig, die Stiko gebe nur allgemeine Empfehlungen ab, die tatsächliche Impfentscheidung werde jedoch zwischen den Einzelpersonen und der jeweiligen Hausärztin oder dem Hausarzt getroffen.

Lauterbach warnt vor "sehr schwerem Herbst"

Bereits Anfang der Woche hatten sich die führenden EU-Behörden aufgrund der aktuellen Corona-Welle für eine zweite Booster-Impfung für alle Menschen ab 60 Jahren ausgesprochen. Lauterbach sagte diesbezüglich im "Spiegel"-Interview, er sei sich ziemlich sicher, dass auch die Stiko dieser Empfehlung folgen werde. Gleichzeitig riet der Gesundheitsminister allen Personen über 60 Jahren, auf keinen Fall auf einen an die aktuellen Varianten angepassten Impfstoff zu warten. Diese Gruppe bräuchte vor allem einen "zuverlässigen Schutz vor schwerer Krankheit oder vor Todesfolge" und das sei durch die aktuell verfügbaren Vakzine gegeben.

Mit Blick auf die kommenden Monate zeigte sich Lauterbach erneut pessimistisch. "Wir werden einen sehr schweren Herbst haben", so der Gesundheitsminister. Der Grund dafür sei die deutlich ansteckendere Omikron-Variante BA.5. "Wenn der Herbst dann kommt, dann steigt die Zahl derer, die versorgt werden müssen, gleichzeitig sinkt aber die Zahl derer, die versorgen können", so Lauterbach. Damit könnte sich auch die Situation auf den Intensivstationen wieder verschärfen. Welche Auswirkungen die neue Variante BA.2.75 haben könnte, sei derzeit allerdings noch nicht zu sagen, sagte Lauterbach.

Lesen Sie hier: Was Sie zur vierten Impfung wissen müssen

Stiko-Chef Mertens lehnt Vorstoß ab

Rückhalt bekommt Lauterbach durch den Vorsitzenden des Weltärztebundes, Frank Ulrich Montgomery, der sich hinter den Vorstoß stellte. "Der Gesundheitsminister hat Recht – wir sollten jede Chance nutzen, den Immunstatus der Bevölkerung zu verbessern", sagte Montgomery. "Jeder kann selbst etwas dazu beitragen. Der beste Weg dazu ist: Impfen. Und Impfstoff für alle ist genug vorhanden." Zugleich mahnte Montgomery, "vor lauter Diskussion über das Boostern die Grundimmunisierung" nicht zu vergessen. "Noch immer ist fast ein Viertel unserer Bevölkerung gar nicht geimpft", sagte er.

Der Vorsitzende der Stiko, Thomas Mertens, hingegen lehnte eine vierte Impfung für die breite Bevölkerung ab. Er kenne keine Daten, die einen solchen Ratschlag rechtfertigten, sagte er der "Welt am Sonntag". Außerdem erklärte Mertens: "Ich halte es für schlecht, medizinische Empfehlungen unter dem Motto "Viel hilft viel" auszusprechen".

Dieser Artikel erschien zuerst auf morgenpost.de.