Berlin. Fast zwei Millionen Schüler in Deutschland sind laut einer Studie Opfer von Cybermobbing. So leiden die Betroffenen unter den Folgen.

Cybermobbing wird unter Kindern und Jugendlichen zu einem dauerhaften Problem. 16,7 Prozent der Schülerinnen und Schüler sind davon betroffen. In absoluten Zahlen sind das mehr als 1,8 Millionen Kinder und Jugendliche. Das zeigt die aktuelle Studie „Cyberlife IV – Cybermobbing bei Schülerinnen und Schülern“, die das Bündnis gegen Cybermobbing in Kooperation mit der Techniker Krankenkasse (TK) am Mittwoch in Berlin vorgestellt hat.

Demnach ist der Anteil der Schülerinnen und Schüler zwischen acht und 21 Jahren, die nach eigenen Aussagen schon einmal von Cybermobbing betroffen gewesen sind, im Vergleich zur Vorgängerstudie von 2020 zwar leicht gesunken (2020: 17,3 Prozent), stagniert aber auf einem hohen Niveau. Im Jahr 2017, vor der Corona-Pandemie, lag der Wert noch bei 12,7 Prozent.

Uwe Leest, Vorstandsvorsitzender des Bündnisses gegen Cybermobbing: „Die Ergebnisse zeigen, dass Cybermobbing sich zu einem dauerhaften Problem an Schulen und im privaten Umfeld der Kinder und Jugendlichen entwickelt hat. Die Folgen von Cybermobbing werden in unserer Gesellschaft immer noch unterschätzt und die Täterinnen und Täter müssen mit keinen Konsequenzen rechnen.“ Mehr zum Thema: Ich wurde wochenlang gemobbt – womit hatte ich das verdient?

Cybermobbing hat seit Corona zugenommen

Corona hat das Problem noch verschärft. So gaben rund sieben von zehn Schülerinnen und Schülern an (65 Prozent), dass Cybermobbing seit Corona zugenommen hat. Ähnlich sehen es die Eltern sowie die Lehrerinnen und Lehrer mit jeweils 46 Prozent.

Jens Baas, Vorstandsvorsitzender der TK: „Homeschooling und Kontaktbeschränkungen durch die Corona-Pandemie haben dafür gesorgt, dass Kinder und Jugendliche noch mehr Zeit online verbringen. Somit werden auch Konflikte häufiger über das Internet ausgetragen.“

Kinder und Jugendliche sind zunehmend von Cybermobbing betroffen.
Kinder und Jugendliche sind zunehmend von Cybermobbing betroffen. © dpa

Und das kann für die Betroffenen gravierende gesundheitliche Folgen haben. „Neben körperlichen Beschwerden wie Kopf- oder Magenschmerzen sind es vor allem die psychischen Auswirkungen von Mobbing und Cybermobbing, die Kinder und Jugendliche schwer belasten können. Dazu gehören beispielsweise Angst- und Schlafstörungen sowie Niedergeschlagenheit oder Depressionen“, so Baas.

Das zeigt auch die Studie: So fühlten sich die Opfer von Cybermobbing vor allem verletzt (58 Prozent), 40 Prozent reagierten mit Wut und ein gutes Drittel (34 Prozent) gab an, verängstigt zu sein. Besonders alarmierend: Jede bzw. jeder Sechste (15 Prozent) der Kinder und Jugendlichen hat aus Verzweiflung schon mal zu Alkohol, Tabletten oder Drogen gegriffen und fast jede bzw. jeder vierte Betroffene äußerte Suizidgedanken (24 Prozent). „In absoluten Zahlen entspricht das etwa 430.000 Schülerinnen und Schülern, eine sehr erschreckende Zahl“, so Uwe Leest vom Bündnis. Auch interessant: Morddrohung: Influencerin Diana zur Löwen über Hass im Netz

Anonymität fördert Mobbing

Wichtige Maßnahmen, um Mobbing und Cybermobbing entgegenzutreten, seien Prävention und Aufklärung. Doch im Vergleich zur Vorgängerstudie 2020 sind die schulischen Angebote in diesem Bereich stark zurückgegangen, heißt es in der Studie. Den größten Rückgang gab es mit jeweils 40 Prozent bei Schulungen, die gezielt Strategien zum Umgang mit Cybermobbing vermitteln, sowie bei Anti-Gewalt-Trainings.

Uwe Leest: „Die aktuellen Zahlen zeigen, dass sich das Problem Cybermobbing in unserer Gesellschaft verfestigt hat. In vielen Fällen ist vor allem die Anonymität im Netz das Problem.“ Hier fordert das Bündnis die Einführung eines „Klarnamens“.

Neben den Schulen und der Gesellschaft müsse auch die Politik ihrer Verantwortung nachkommen. Zum Schutz der Opfer fordert das Bündnis gegen Cybermobbing ein Cybermobbinggesetz, das es in Österreich schon seit 2016 gebe. Dazu müsse die Politik auch die personellen Voraussetzungen (z. B. Richterinnen und Richter, Staatsanwaltschaften und Polizeifachkräfte) schaffen. (fmg)

Dieser Artikel ist zuerst auf morgenpost.de erschienen.