Berlin. Sabotage bei der Bahn: Der Vorsitzende des Europa-Ausschusses, Anton Hofreiter, hält einen „Warnschuss“ aus dem Kreml für möglich.

Bei der Deutschen Bahn ist am Samstagmorgen der Zugfunk ausgefallen. Stundenlang lag in Norddeutschland der Zugverkehr lahm, der Grund soll Sabotage sein. Der Bahn-Experte Anton Hofreiter (Grüne), der dem Europaausschuss des Bundestages vorsteht, äußert im Interview einen Verdacht.

Wer steckt hinter der Bahn-Sabotage?

Anton Hofreiter: Zum jetzigen Zeitpunkt kann man nur spekulieren. In der Vergangenheit hat es Sabotage gegen die Bahn - wenn auch in geringerem Umfang - durch linksextreme Gruppen gegeben. Aber die haben immer ein Bekennerschreiben hinterlassen und sich mit der Tat gebrüstet. Das ist diesmal nicht der Fall. Dazu kommt, dass die Täter sehr gut wussten, was sie tun. Um das hinzubekommen, muss man sehr genaue Kenntnisse über das Funksystem der Bahn haben. Es stellt sich die Frage, ob wir es mit Sabotage von ausländischen Mächten zu tun haben.

Kabel-Arbeiten an einer Schienenstrecke der Deutschen Bahn in der Nähe vom S-Bahnhof Hohenschönhausen in Berlin. Die Bahn wurde Opfer eines gezielten Angriffs.
Kabel-Arbeiten an einer Schienenstrecke der Deutschen Bahn in der Nähe vom S-Bahnhof Hohenschönhausen in Berlin. Die Bahn wurde Opfer eines gezielten Angriffs. © John Boutin/-/dpa

Halten Sie es für möglich, dass der Kreml den Angriff auf die deutsche Bahn befohlen hat?

Hofreiter: Dazu muss man die Ermittlungen abwarten. Wir haben ja auch die Anschläge auf die Nordstream-Pipelines erlebt. Die plausibelste Hypothese ist inzwischen, dass die Sprengkörper schon beim Bau des letzten Streckenabschnitts von Nord Stream 2 eingesetzt wurden. Damals hatte Amerika schon Sanktionen erlassen, und russische Spezialschiffe wurden an der Baustelle in der Ostsee gesichtet. Die Spur führt in den Kreml. Und wir können nicht ausschließen, dass Russland auch hinter dem Angriff auf die Bahn steckt. Vielleicht waren beides Warnschüsse, weil wir die Ukraine unterstützen.

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Wie kann die kritische Infrastruktur besser geschützt werden?

Hofreiter: Ich erinnere an unsere Auseinandersetzung mit der Union, ob Cybersicherheit und kritische Infrastruktur bei dem 100-Milliarden-Sondervermögen für die Bundeswehr integriert werden sollten. Die Union hat das nicht für nötig erachtet. Schon bei dem Anschlag auf Nord Stream 2 hat sich gezeigt, dass das eine Fehleinschätzung war. Wir müssen dringend mehr investieren in die Gefahrenabwehr - auch in Polizei und Geheimdienste.

Das wollen sie alles aus dem Sondervermögen Bundeswehr schöpfen?

Hofreiter: Die Bundeswehr verlässt sich jetzt darauf, dass das Geld fließt. Da gilt Vertrauensschutz. Daher müssen wir über die 100 Milliarden hinaus noch einmal Geld in die Hand nehmen, um die kritische Infrastruktur besser zu schützen und die Cyberabwehr zu stärken. Ich denke an eine Größenordnung von 20 Milliarden Euro für die nächsten Jahre. (gau)

Dieser Artikel erschien zuerst auf morgenpost.de.