Brüssel. Zum Einsatzbeginn des digitalen Zertifikats in der EU gibt es Klagen über schlechte Vorbereitung. Warum nun ein Durcheinander droht.

Es sollte der Startschuss für unkomplizierte Sommerferien in Europa werden: An diesem Donnerstag geht der europaweite Corona-Impfpass offiziell an den Start. Die nationalen, digitalen Impfzertifikate, wie sie jetzt auch in Deutschland ausgegeben werden, können dann theoretisch überall in der Europäischen Union eingesetzt und überprüft werden.

Im Idealfall lässt sich mit dem QR-Code auf dem Smartphone schnell und unkompliziert der Impfschutz nachweisen – bei Grenzkontrollen, im Hotel oder beim Eintritt ins Museum. Belegt würde auch ein negativer Corona-Test oder eine überstandene Infektion.

Bereits 37,5 Millionen Deutsche haben sich Zerfikat ausstellen lassen

Auch deshalb haben sich nach Angaben des Bundesgesundheitsministeriums bereits 37,5 Millionen Bürger in Deutschland das nationale Zertifikat ausstellen lassen. Enttäuschung droht. Was der Impfpass außerhalb des eigenen Landes wirklich bringen wird, ist noch offen. Nicht alle EU-Länder sind schon soweit, Schweden, Zypern, Ungarn, Irland, Malta und Rumänien brauchen noch Zeit.

Und es gibt offenbar technische Probleme. Die europäischen Airlines und Flughafenbetreiber schlagen Alarm, ihr EU-Dachverband warnt vor „großen Betriebsrisiken“ und sieht ein Riesen-Chaos mit langen Warteschlangen an den Flughäfen voraus.

Alles bereit für den Abflug: Der digitale Impfpass mit  Reisepass und Bordkarte.
Alles bereit für den Abflug: Der digitale Impfpass mit Reisepass und Bordkarte. © Michael Weber IMAGEPOWER via www.imago-images.de

Quarantäne trotz vollständigem Impfschutz nötig

Die Bearbeitungszeiten beim Check-in könnten sich auf zwölf Minuten pro Person verfünffachen, wenn künftig das digitale Zertifikat geprüft werden müsse, warnt der Dachverband in einem Brandbrief. Denn die Mitgliedstaaten hätten mindestens zehn verschiedene Ansätze für das System, es fehlten Überprüfungstools, nun stünden aufwendige Doppelkontrollen bevor.

Weiteres Problem: Die Ausbreitung der Delta-Variante von Corona gefährdet alle Pläne für die Sommersaison. Deutschland hat schon Portugal und Großbritannien genauso wie Russland und Indien als Virusvariantengebiete eingestuft und schärfste Reisebeschränkungen verhängt. Wer von dort nach Hause will, muss auf jeden Fall zwei Wochen in Quarantäne – auch vollständiger Impfschutz hilft nicht, das digitale Zertifikat ist wertlos. Lesen Sie hier: Warum Schnelltests die Delta-Variante nicht erkennen

Gefährdet die Delta-Variante den Wert des Impfpasses?

Das strenge Vorgehen der Bundesregierung ist wohl nur ein Vorgeschmack auf die weitere Entwicklung: Die Delta-Variante von Corona wird sich im Sommer auf dem Kontinent ausbreiten. Dem deutschen Beispiel strenger Reisebeschränkungen dürften bald weitere Mitgliedstaaten folgen, was den Wert des europäischen Impfpasses schmälern wird. Jedes Land legt selbst fest, welche Rechte an den Nachweis geknüpft sein werden.

Was wo gilt, ist unklar. Die Vizepräsidentin des EU-Parlaments, Nicola Beer (FDP) warnt: „Es herrscht Chaos in den Mitgliedsstaaten und bei nationalen Behörden mit Blick auf die praktische Umsetzung, von europaweiter Anerkennung ist keine Spur.“ Bürger würden ratlos zurückgelassen. „Unfassbar, wie Mitgliedsstaaten es versäumt haben, vor dem Sommer ihre Hausaufgaben zu machen“, sagt Beer.