Tel Aviv. In Israel steigen die Inzidenzen wieder an. Grund ist auch die Delta-Variante. So will das Land auf die Corona-Entwicklung reagieren.

Der Schrecken stand ihm ins Gesicht geschrieben. Sollte es soweit kommen, dann würden das die Wirte, Barbetreiber und Café-Besitzer nicht akzeptieren, erklärte Shai Berman, der Obmann der israelischen Lokalbetreiber-Vereinigung, am Dienstag. Was seinen Ärger verursacht, waren Gerüchte über neue Einschränkungen. Ausgerechnet in Israel, dem Land, das bis vor kurzem zuversichtlich war, die Covid-19-Epidemie überstanden zu haben.

In Israel litt die Lokalszene ganz besonders unter den Lockdowns. Das Land verhängte besonders strenge Einschränkungen. Restaurants durften nicht nur keine Besucher empfangen, selbst Takeaway war lange Zeit verboten. Bis sich die Gastronomen von diesem finanziellen Schock erholt haben, wird einige Zeit vergehen. Zumal Israel immer noch keine Urlauber ins Land lässt, die das Geschäft ankurbeln könnten.

Israel: Delta-Variante breitet sich rasant aus

Wäre das alles nicht genug, deutet die Regierung nun auch noch weitere Einschränkungen an. Das Impf-Vorzeigeland erlebt gerade einen Dämpfer seiner Euphorie über die wiedererlangte Normalität. Die Delta-Variante breitet sich hier rasant aus. Die Zahl der täglichen Neuansteckungen lag zuletzt schon über 500 Fällen. Zum Vergleich: Vor einem Monat gab es kaum mehr als zehn neue Fälle pro Tag.

Fast neunzig Prozent der neuen Ansteckungen wurden durch die hochinfektiöse Delta-Variante verursacht. Und fast die Hälfte der neuen Fälle sind Schüler: Kinder und Jugendliche bis 16 Jahre hatten bis Anfang Juni keinen Zugang zur Impfung. Erst seit rund zwei Wochen werden Jugendliche ab zwölf Jahren im großen Stil geimpft.

Israel steht vor der Wahl: Mehr Impfungen oder neue Einschränkungen

Die Corona-Impfung schützt zwar gegen schwere Krankheitsverläufe. Eine neue Studie zeigt aber, dass die Delta-Variante häufiger als andere Varianten durch die Schutzwand der Immunisierung hindurchdringt. Der Pfizer-Biontech-Impfstoff, der in Israel als einziger verimpft wird, schützt nur in 64 Prozent der Fälle gegen eine symptomatische Erkrankung. Das ist zwar immer noch viel, aber doch deutlich weniger als der im Mai für andere Virusvarianten gemessene Wert von 94 Prozent.

Es komme jetzt vor allem darauf an, die Ausbreitung der Delta-Variante im Zaum zu halten, sagen Experten wie Eran Segal vom Weizmann Institut. Israel stehe vor der Wahl: Entweder impfe man nun im Eiltempo so viele Ungeimpfte wie möglich, oder neue Einschränkungen wie die Wiedereinführung des Grünen Passes seien unvermeidlich, sagt Segal.

Das würde vor allem die Kinder, die nun in den Sommerferien sind, schwer treffen. Sollte Israel wieder den grünen Pass einführen, der öffentliche Events nur mit Impfung zugänglich macht, dann wären Kinder von vielen Freizeitangeboten ausgeschlossen.

Jugendliche sollen sich jetzt impfen lassen

Segal ruft daher die Teenager zur Impfung auf. Viele Eltern scheinen aber eine Lust haben, mit ihren Kids zur Impfstation zu fahren. Nur jeder vierte Jugendliche zwischen zwölf und 15 Jahren ist geimpft. Das ist weit entfernt von dem Ziel, das sich die Regierung gesetzt hatte: Bis Freitag wollte man die Hälfte der Jugendlichen dieser Altersgruppe geimpft haben.

Hunderttausende Impfdosen müssen nämlich entsorgt werden, wenn sie nicht bis Ende Juli geimpft werden. Der Freitag ist also der letzte Tag, an dem die erste Dosis verabreicht werden kann, um die zweite Teilimpfung noch vor dem Ablaufdatum zu schaffen.

Das Corona-Kabinett der Regierung berät daher über neue Einschränkungen. Das Gesundheitsministerium setzt sich für strengere Quarantäneregeln ein. So sollen Personen, die in Kontakt mit einem Delta-Infizierten waren, auch dann in Quarantäne geschickt werden, wenn sie doppelt geimpft sind.

Wann die neuen Regeln in Kraft treten sollen

Wer aus dem Ausland einreist, soll zusätzlich zu einem Flughafentest auch noch einen zweiten Test machen, der vier Tage nach der Einreise stattfinden soll. Bis dahin müssen auch diese Einreisenden trotz Impfung in Quarantäne bleiben. Das alles ist aber noch nicht fix. Die neuen Regeln sollen nur dann in Kraft treten, wenn die Zahl der täglichen Neuansteckungen über die Marke von 1000 Fällen pro Tag ansteigt.

Gesundheitsminister Nitzan Horowitz will aber weiter „keine Panik“ aufkommen lassen. Die Zahlen aus den Krankenhäusern geben ihm vorerst recht. Die Zahl der Patienten in kritischem Zustand ist zwar angestiegen, aber die Kurve ist viel flacher als die der Neuansteckungen. In den vergangenen zwei Wochen gab es keine Coronatoten.

Kaum jemand rechnet derzeit damit, dass es in den Corona-Stationen zu ähnlichen Zuständen kommen könnte wie in der letzten Epidemiewelle im Dezember. Der Grund liegt in den Impfungen. Fast zwei Drittel der Patienten, die derzeit in Israel an Covid-19 schwer erkranken, sind nicht geimpft.