Berlin. Die Kabarettistin Lisa Fitz verbreitete in einer SWR-Comedy-Sendung falsche Zahlen zu den Corona-Impfstoffen. Nun reagiert der Sender.

„Und dann wird geboostert und geroostert und geschustert. Nach Delta und Omikron kommt die Xanthippen- und die Zombie-Mutante aus Usbekistan, Tadschikistan, Kirgisistan und Dings-was-weiß-ich-vergiss-es-dann. Hauptsache, die Panik bleibt frisch.“

Mit dieser und weiteren Passagen sorgt die Kabarettistin Lisa Fitz für Ärger. In der SWR-Comedy-Sendung „Spätschicht“, die am 10. Dezember ausgestrahlt wurde, traf die 70-Jährige nachweislich falsche Aussagen über die Corona-Impfung.

Corona-Impfung: Lisa Fitz zu Herdenimmunität

So ging Fitz unter anderem auf die Frage ein, wie hoch der Anteil der geimpften Bevölkerung sein müsse, um eine Herdenimmunität zu erreichen. „Ich komme da nicht mehr ganz mit“, sagt sie. „Wenn 60 Prozent geimpft sind, hieß es, dann werden wir unser altes Leben zurückbekommen. Ja, wo ist es denn, das alte Leben?“

Tatsächlich waren Experten zu Beginn der Coronavirus-Pandemie davon ausgegangen, dass eine Immunisierung von 60 bis 70 Prozent der Bevölkerung notwendig sei. Diese Schätzung bezog sich jedoch auf die ursprüngliche Virus-Variante. Sowohl die Delta- als auch die Omikron-Variante sind deutlich ansteckender.

Lisa Fitz beruft sich auf rechtsextreme EU-Politikerin

Sie habe sich „da weiter informiert“, so die Kabarettistin – um dann eine Reihe von verzerrten Fakten aufzuzählen. Fitz behauptet, das Europäische Parlament habe einen Fonds „für die Opfer der Covid-19-Impfstoffe beantragt“. Das ist ebenfalls falsch.

Korrekt ist, dass eine einzelne EU-Abgeordnete – Virginie Joron vom rechtsextremen Rassemblement National – einen Entschließungsantrag ins Parlament einbrachte, in dem sie einen solchen Fonds forderte. Einen Entschließungsantrag kann jeder Abgeordnete einreichen. Den von Joron lehnte das EU-Parlament laut „taz“ ab.

Lisa Fitz ist eine deutsche Kabarettistin, Schauspielerin und Sängerin, die auch schon im
Lisa Fitz ist eine deutsche Kabarettistin, Schauspielerin und Sängerin, die auch schon im "Dschungelcamp" zu sehen war. © imago stock&people | imago stock&people

Corona: Kein kausaler Zusammenhang zwischen Impfung und Todesfällen

Für 5000 Menschen sei dieser Antrag „leider zu spät“, behauptete Fitz weiter: „Da waren die Folgen durch die Covid-19-Impfstoffe tödlich.“ Auch hier dürfte sich Fitz auf den Entschließungsantrag von Virginie Joron berufen. Darin heißt es, dass „die Verabreichung von Covid-19-Impfstoffen für rund 5000 Personen in der Europäischen Union tödliche Folgen hatte“. Lesen Sie hier: Im August wurden 1000 Todesfälle nach Corona-Impfung untersucht - Oft war Ursache unklar.

Die Zahl basiert offenbar – falsch gerundet – auf Dokumenten der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA). Aus diesen geht hervor, dass bis zum Sommer 2021 in der EU rund 453 Millionen Impfdosen verabreicht worden seien. Im selben Zeitraum seien 5781 Verdachtsfälle nach Impfungen gemeldet worden, die tödlich verlaufen seien.

Dabei handelt es sich jedoch lediglich um Verdachtsmeldungen. Es ist also nicht klar, dass die Personen tatsächlich infolge der Impfung starben. Ein Faktencheck der Nachrichtenagentur AFP, aus dem die „taz“ zitiert, hob im März hervor, dass Gerüchte zu mehreren Tausend Impftoten in Europa falsch seien: „Die echte Zahl an Menschen, die in zeitlicher Nähe einer Impfung gestorben sind, ist kleiner. Einen kausalen Zusammenhang dieser Todesfälle mit einer Covid-Impfung stellen die Zahlen nach Angaben der EMA ausdrücklich nicht dar.“ Lesen Sie auch: Omikron-Ausbruch in Oslo - Was Deutschland drohen könnte

SWR will Sendung mit Lisa Fitz aus Mediathek entfernen

In der SWR-Sendung kam nicht nur Lisa Fitz zu Wort. Andere Künstler besprachen die Themen Fake News und Impfskepsis aus einer gegenteiligen Perspektive. Moderator Florian Schroeder sagte in seiner Anmoderation, den Öffentlich-Rechtlichen werde vorgeworfen, es gebe „immer die gleichen Meinungen, keine Vielfalt“. Die Meinung von Lisa Fitz teile er persönlich absolut nicht, sie dürfe „trotzdem hier stattfinden“.

Nach reichlich Kritik äußerte sich der SWR am Sonntag und räumte Fehler ein. „Die Kritik an dieser Ausgabe der “Spätschicht' trifft uns zu Recht“, erklärte Clemens Bratzler, der Programmdirektor Information, Sport, Fiktion, Service und Unterhaltung. Der Beitrag vom 10. Dezember werde auch aus der ARD-Mediathek genommen. Am Sonntagabend (19.12.) war die Sequenz mit Lisa Fitz jedoch nach wie vor in der ARD-Mediathek verfügbar.

Anliegen der Redaktion sei es gewesen, „unterschiedlichen und kritischen Meinungen auch zum sensiblen Thema Impfen Raum zu geben. „Die Meinungsäußerungsfreiheit gilt jedoch nicht unbegrenzt, sondern endet auch in einer Comedy- oder Satiresendung bei falschen Tatsachenbehauptungen.“ Die Aussage von Lisa Fitz zur Anzahl der Impftoten sei nachweislich falsch.

Zuvor hatte der SWR die Äußerungen von Fitz noch von der Meinungsfreiheit gedeckt gesehen. Nun grenzt er sich aber von dieser Stellungnahme ab. „Meinungsfreiheit ist für uns ein hohes Gut. Dennoch war die erste Reaktion falsch, weil es hier eben nicht um eine Meinungsäußerung geht“, so Bratzler.

(amw/afp)