Berlin. Es gibt so viele Covid-19-Subvarianten, dass Forscher von einem “Zoo“ sprechen. Eine neue Variante könnte besonders gefährlich sein.

Dem Tag der Deutschen Einheit hatten wir es zum Start der vergangenen Woche zu verdanken, dass die Sieben-Tage-Inzidenz zwischenzeitlich deutlich abgefallen ist. Denn durch das verlängerte Wochenende konnte das Robert-Koch-Institut (RKI) drei Tage am Stück keine vollständigen Zahlen präsentieren.

Dass der Augenschein trügt und die vielfach beschworene Herbstwelle trotzdem auf Deutschland zurollt, lässt sich an der jüngsten Entwicklung der Corona-Kurve beobachten. Experten warnen bereits vor einer neuen Sublinie von Covid-19: BQ.1.1.

Covid-19: Neue Omikron-Subvariante beunruhigt Virologen

Derzeit verursacht die vorherrschende Omikron-Variante BA.5 in der Bundesrepublik den Löwenanteil der Infektionen mit Corona. Laut RKI-Angaben bewegt sich die Quote im Bereich um 97 Prozent und hat den Vorgänger BA.4 damit fast vollständig verdrängt. Auf dem Radar der Virologen erschien zuletzt aber eine Subvariante, die in naher Zukunft für eine schnelle Neuausbreitung des Virus sorgen könnte.

Der Bioinformatiker Cornelius Römer warnte auf Twitter vor der Ausbreitung der neuen Sublinie BQ.1.1. Römer forscht an der Universität Cambridge sowie am Biozentrum der Uni Basel und sieht an der Entwicklung der Variante deutliche Anzeichen für eine "Welle in Europa und Nordamerika vor Ende November".

Gefährlich mache die neue Variante, dass sie einen "Übertragungsvorteil" von rund 10 Prozent gegenüber BA.5 habe und zudem "deutlich schneller" sei als die im europäischen Ausland und den USA ebenfalls aufkommende BA.2.75.2.

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Noch kein spezifischer Impfstoff – Hohe Immunflucht

Was BA.2.75.2 vom "herkömmlichen" BA.5 abhebt ist die deutlich erhöhte Immunflucht, also die Resistenz gegen T-Zellen des Immunsystems, die primär für die Erregerbekämpfung verantwortlich sind.

Maßgeblich für die neu erworbene Resistenz sind zwei Faktoren: Zum einen hemmt der Körper selbst die Spezifizierung auf neue Subtypen eines Krankheitserregers. In der Regel erstellt das Immunsystem einen Bauplan für ein Virus und hält an diesem selbst im Falle von Mutationen fest. Dieses Phänomen wird als Antigenerbsünde bezeichnet. Zum zweiten präsentiert BA.2.75.2 ein mutiertes Spike-Protein, für das noch kein Impfstoff spezifisch entwickelt wurde.

Zuletzt wurden weltweit zahlreiche Sublinien entdeckt, die einer konvergenten Evolution unterliegen, also ohne untereinander in Kontakt gekommen zu sein, parallele Mutationsentwicklungen aufweisen.

Warum das neu entdeckte BQ.1.1 eine besondere Bedrohung darstellt, erklärt Friedemann Weber, Leiter der Virologie der Uni Gießen im Interview mit "Focus Online": "BQ.1.1 hat fünf neue Mutationen, die mit Antikörper-Escape assoziiert werden." Genau das mache die BQ.1.1 zur am schnellsten wachsenden Variante in Deutschland. Auch die medikamentöse Zugabe von Antikörpern an infizierte Patienten ist laut einer Studie der Universität von Peking im Falle einer BQ.1.1-Infektion wirkungslos.

300 Varianten Weltweit – Experte warnt vor "rasanter Ausbreitung"

Derzeit beobachtet die Weltgesundheitsorganisation weltweit rund 300 Corona-Varianten, Experten sprechen aufgrund der Vielzahl von Sublinien bereits von einem "Zoo der Varianten". Viele davon lassen sich allerdings in direkter Linie zur ursprünglichen Omikron-Variante und des Subtyps BA.5 zurückverfolgen, die 2021 die Delta-Variante verdrängte und weltweit für einen explosionsartigen Infektionsanstieg und schwere Krankheitsverläufe verantwortlich war. Daraus leiten Wissenschaftler zumindest ab, dass das BA.5-spezifische Booster-Vakzin gute Ergebnisse erzielen könnte.

Zudem verrät die effektive Immunflucht von BQ.1.1 noch nichts über die Schwere des Krankehitsverlaufs. Experten rechnen infolge der weitverbreiteten Durchseuchung sowie relativ hoher Impfquoten nicht mit gravierenden Erkrankungserscheinungen.

Dennoch dient der Ausbruch im letztjährigen Winter als Warnung neue Sublinien nicht zu unterschätzen. "BQ.1.1 hat jedenfalls das Rüstzeug, um sich rasant auszubreiten", erklärte Virologe Friedemann Weber. "Außerdem ist nicht absehbar, in welchem Ausmaß neue Varianten Long-Covid auslösen können, eine bisher viel zu wenig beachtete Folge selbst milder Infektionen."

Dieser Artikel erschien zuerst auf morgenpost.de